Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.und der Küche des Hauses zum Keller hinabführte. Er hatte nicht bemerkt, Ihr bleibt doch immer, der Ihr wäret! sagte Manuel in dem freund¬ Er ist freilich mein Freund nicht gewesen, denn ich habe ihn meines Er- Ich erfuhr, daß Ihr in jungen Jahren durch einen Liebeshandel Anstoß Hättet Ihr den Namen meiner Geliebten gehört, sagte Camoens, sein So habt Ihr Catcirüm de Atcihde, welche die Gemahlin des Grafen von und der Küche des Hauses zum Keller hinabführte. Er hatte nicht bemerkt, Ihr bleibt doch immer, der Ihr wäret! sagte Manuel in dem freund¬ Er ist freilich mein Freund nicht gewesen, denn ich habe ihn meines Er- Ich erfuhr, daß Ihr in jungen Jahren durch einen Liebeshandel Anstoß Hättet Ihr den Namen meiner Geliebten gehört, sagte Camoens, sein So habt Ihr Catcirüm de Atcihde, welche die Gemahlin des Grafen von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197574"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_445" prev="#ID_444"> und der Küche des Hauses zum Keller hinabführte. Er hatte nicht bemerkt,<lb/> daß die plötzliche Veränderung in Barretos Gesicht und Stimme durch Camoens<lb/> veranlaßt war. Die Nennung des Grafen Palmcirim und seiner Tochter hatte<lb/> den Dichter offenbar in besondrer Weise erschüttert. Er blickte wie von einem<lb/> Zauberspruche gebannt dem hinwcgeilenden Okaz nach und wandte nur zögernd,<lb/> wie widerwillig, sein Gesicht dem Freunde zu,</p><lb/> <p xml:id="ID_446"> Ihr bleibt doch immer, der Ihr wäret! sagte Manuel in dem freund¬<lb/> schaftlichen Tone eines leisen Vorwurfes, Euer Gesicht ist immer der Verräter<lb/> Eurer Seele, so war es in Goal vor dem Vizekönige, so ist es hier vor unserm<lb/> alten Steuermanne. Was kümmert Euch Graf Palmeirims Tochter, die erst<lb/> während der langen Jahre Eurer Anwesenheit geboren und herangewachsen ist?<lb/> Warum ergreift Euch der Name eines Mannes, den Ihr mir nie unter Euern<lb/> Freunden in der Heimat genannt habt?</p><lb/> <p xml:id="ID_447"> Er ist freilich mein Freund nicht gewesen, denn ich habe ihn meines Er-<lb/> innerns niemals erblickt, entgegnete Camoens, indem er über den Tadel in<lb/> Barretvs Ansprache leicht hinwegging. Meinen Feind darf ich ihn ebenso wenig<lb/> nennen, ich fürchte, daß er kaum meinen Namen gehört hat. Wenn mich sein<lb/> Name dennoch so mächtig ergreift, daß ich mich vergaß, so erratet Ihr, daß<lb/> ich guten Grund dazu habe. Habt Ihr niemals von andern vernommen, was<lb/> mich aus Portugal hinwegtrieb? Daß ich selbst über das Leid meines Lebens<lb/> schwieg und mich nur der Muse vertraute, werdet Ihr nicht tadeln — es ziemt<lb/> sich, alles Unabwendbare schweigend zu tragen. Doch hatte ich gemeint, es<lb/> wäre Euch, der viel früher in die Heimat zurückgekehrt ist als ich, ein Laut<lb/> vom Leide meiner Jugend ins Ohr geklungen. Soviel ich von den Menschen<lb/> erfahren habe, pflegen sie ihren Haß länger zu hegen als ihre Neigung, und<lb/> so dachte ich, daß Euch einer oder der andre meiner alten Gegner erzählt<lb/> hätte, warum ich vor Zeiten vom Hofe König Joaos verbannt wurde!</p><lb/> <p xml:id="ID_448"> Ich erfuhr, daß Ihr in jungen Jahren durch einen Liebeshandel Anstoß<lb/> gegeben hättet, sagte Barreto. Mehr wollte ich nicht hören, ich habe mirs<lb/> zum Grundsatze gemacht, von den Schicksalen und namentlich von den Irrtümern<lb/> meiner Freunde nur das zu erfahren, was sie selbst enthüllen.</p><lb/> <p xml:id="ID_449"> Hättet Ihr den Namen meiner Geliebten gehört, sagte Camoens, sein<lb/> Gesicht dem Freunde ruhig zuwendend, so würdet Ihr zu gleicher Zeit gewußt<lb/> haben, daß Luis Camoens sich der süßesten und heiligsten Empfindung seines<lb/> Lebens keinen Augenblick zu schämen hatte, und weshalb es mich tief erschütterte,<lb/> als unser Wirt gleichgiltig jenen stolzen Namen aussprach, mit dem die Ge¬<lb/> liebte, hartem Zwange nachgebend, vor zwanzig Jahren den ihren vertauschte!</p><lb/> <p xml:id="ID_450" next="#ID_451"> So habt Ihr Catcirüm de Atcihde, welche die Gemahlin des Grafen von<lb/> Palmcirim war, geliebt! versetzte Manuel Barreto und verbarg sein Erstaunen<lb/> nicht. Er wollte mehr sagen, aber in diesem Augenblicke trat der Wirt, der<lb/> den so eilig begehrten Wein vom Keller herausbrachte, wieder an den Tisch der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0150]
und der Küche des Hauses zum Keller hinabführte. Er hatte nicht bemerkt,
daß die plötzliche Veränderung in Barretos Gesicht und Stimme durch Camoens
veranlaßt war. Die Nennung des Grafen Palmcirim und seiner Tochter hatte
den Dichter offenbar in besondrer Weise erschüttert. Er blickte wie von einem
Zauberspruche gebannt dem hinwcgeilenden Okaz nach und wandte nur zögernd,
wie widerwillig, sein Gesicht dem Freunde zu,
Ihr bleibt doch immer, der Ihr wäret! sagte Manuel in dem freund¬
schaftlichen Tone eines leisen Vorwurfes, Euer Gesicht ist immer der Verräter
Eurer Seele, so war es in Goal vor dem Vizekönige, so ist es hier vor unserm
alten Steuermanne. Was kümmert Euch Graf Palmeirims Tochter, die erst
während der langen Jahre Eurer Anwesenheit geboren und herangewachsen ist?
Warum ergreift Euch der Name eines Mannes, den Ihr mir nie unter Euern
Freunden in der Heimat genannt habt?
Er ist freilich mein Freund nicht gewesen, denn ich habe ihn meines Er-
innerns niemals erblickt, entgegnete Camoens, indem er über den Tadel in
Barretvs Ansprache leicht hinwegging. Meinen Feind darf ich ihn ebenso wenig
nennen, ich fürchte, daß er kaum meinen Namen gehört hat. Wenn mich sein
Name dennoch so mächtig ergreift, daß ich mich vergaß, so erratet Ihr, daß
ich guten Grund dazu habe. Habt Ihr niemals von andern vernommen, was
mich aus Portugal hinwegtrieb? Daß ich selbst über das Leid meines Lebens
schwieg und mich nur der Muse vertraute, werdet Ihr nicht tadeln — es ziemt
sich, alles Unabwendbare schweigend zu tragen. Doch hatte ich gemeint, es
wäre Euch, der viel früher in die Heimat zurückgekehrt ist als ich, ein Laut
vom Leide meiner Jugend ins Ohr geklungen. Soviel ich von den Menschen
erfahren habe, pflegen sie ihren Haß länger zu hegen als ihre Neigung, und
so dachte ich, daß Euch einer oder der andre meiner alten Gegner erzählt
hätte, warum ich vor Zeiten vom Hofe König Joaos verbannt wurde!
Ich erfuhr, daß Ihr in jungen Jahren durch einen Liebeshandel Anstoß
gegeben hättet, sagte Barreto. Mehr wollte ich nicht hören, ich habe mirs
zum Grundsatze gemacht, von den Schicksalen und namentlich von den Irrtümern
meiner Freunde nur das zu erfahren, was sie selbst enthüllen.
Hättet Ihr den Namen meiner Geliebten gehört, sagte Camoens, sein
Gesicht dem Freunde ruhig zuwendend, so würdet Ihr zu gleicher Zeit gewußt
haben, daß Luis Camoens sich der süßesten und heiligsten Empfindung seines
Lebens keinen Augenblick zu schämen hatte, und weshalb es mich tief erschütterte,
als unser Wirt gleichgiltig jenen stolzen Namen aussprach, mit dem die Ge¬
liebte, hartem Zwange nachgebend, vor zwanzig Jahren den ihren vertauschte!
So habt Ihr Catcirüm de Atcihde, welche die Gemahlin des Grafen von
Palmcirim war, geliebt! versetzte Manuel Barreto und verbarg sein Erstaunen
nicht. Er wollte mehr sagen, aber in diesem Augenblicke trat der Wirt, der
den so eilig begehrten Wein vom Keller herausbrachte, wieder an den Tisch der
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