Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Camoens.

Barretvs erweckten offenbar in seiner Seele keine heitern Vorstellungen, Besorgt
musterte er vor allen die Fremden und den Varfüßermönch, nach denen auch
Barrcto schärfer als nach den übrigen Hingeseheu hatte, Camoens handhabte
jetzt eigentlich nur zum Schein die Gabel und hub endlich in gepreßtem Tone
an: Meint Ihr nicht, daß Leute, wie die dort, für ein Stück Geld zu jedem
Bubenstück, auch zur Aufgreifnng und Auslieferung eines schutzlosen Weibes
bereit wären?

Warum nicht? entgegnete Varreto, Aber ich sagte Euch schon, daß Ihr
Euch für heute nicht um die Maurin beunruhigen sollt. Sie wird sicher genug
bei der kleinen Joana sein, und wir dürfen im Augenblick nichts für sie thun.
Wir sind nen hier angekommen, und ich mag nicht zählen, wie viele Augen
unsre ersten Schritte überwachen. Morgen, wenn sie wissen oder zu wissen
glauben, was wir hier wollen, findet sich eher eine Stunde, in der wir un¬
beachtet sind. Jetzt aber krankt unsern braven Bartolomeo und sein Weib nicht
durch Verschmähung ihrer guten Gaben und bedenkt, daß Leute hier sitzen, die
es sogar zu Buch nehmen werden, wenn Ihr nicht eßt.

Wer Euch hörte, Manuel, der müßte wahrlich glauben, daß in ganz Por¬
tugal neben jedem Tische ein Späher und unter jedem Dache ein Verräter
weile, sagte Camoens lächelnd und versuchte zugleich der Aufforderung des
Freundes nachzukommen. Ihr müßt schlimme Erfahrungen gemacht haben, seit
wir uns nicht gesehen haben, und werdet meinen poetischen Träumen wenig
Beifall schenke".

Doch, doch, mein Freund, soweit Eure Träume der ruhmreichen Vergangen¬
heit zugewandt sind, antwortete der Edelmann immer in demselben ruhigen
Tone, der genau darauf berechnet schien, nicht bis zu dem Tische zu dringen,
an welchem die schweigsamen Spanier saßen. In meinem Hause fürchte ich
weder Späher noch Verräter, dort laßt uns vom Schicksale des Vaterlandes
reden. Heute und hier aber erzählt mir nur, wie es Euch auf der Heimfahrt
ergangen ist, und wie Ihr Euch in Lissabon wieder eingewöhnt habt.

Meine Abenteuer endeten mit dem Aufenthalte bei Eurem Vetter, sagte
Camoens. Die heißen Tage in Sofala waren die letzten, aus deuen ich Euch
berichten könnte, daß ich etwas andres gethan, als die Verse meines Gedichtes
zu feilen. Wollt Ihr von Gnu- und Gazcllenjagden hören? Die afrikanische
Sonne hatte mir Adern, Hirn und Herz so ausgetrocknet, daß ich aus einem
Poeten zu einem Jäger ward, der in der einzigen Zerstreuung, die jene elende
Küste bietet, das Elend seiner Lage zu vergessen trachtete. Die Rückfahrt aus
Afrika nach Portugal war so ungewöhnlich glücklich, daß ich beinahe eine Ver¬
heißung in ihr gesehen hätte. Wir schifften wie Vasco da Gama und seine
Helden ans dem Rücken stiller Fluten, von sauften Winden getrieben! Es ist
die lichteste Erinnerung, die ich heimbrachte, sie soll mein Gedicht schließen,
Freund Manuel. Von meiner Einrichtung in Lissabon wollt Ihr hören? Sie


Camoens.

Barretvs erweckten offenbar in seiner Seele keine heitern Vorstellungen, Besorgt
musterte er vor allen die Fremden und den Varfüßermönch, nach denen auch
Barrcto schärfer als nach den übrigen Hingeseheu hatte, Camoens handhabte
jetzt eigentlich nur zum Schein die Gabel und hub endlich in gepreßtem Tone
an: Meint Ihr nicht, daß Leute, wie die dort, für ein Stück Geld zu jedem
Bubenstück, auch zur Aufgreifnng und Auslieferung eines schutzlosen Weibes
bereit wären?

Warum nicht? entgegnete Varreto, Aber ich sagte Euch schon, daß Ihr
Euch für heute nicht um die Maurin beunruhigen sollt. Sie wird sicher genug
bei der kleinen Joana sein, und wir dürfen im Augenblick nichts für sie thun.
Wir sind nen hier angekommen, und ich mag nicht zählen, wie viele Augen
unsre ersten Schritte überwachen. Morgen, wenn sie wissen oder zu wissen
glauben, was wir hier wollen, findet sich eher eine Stunde, in der wir un¬
beachtet sind. Jetzt aber krankt unsern braven Bartolomeo und sein Weib nicht
durch Verschmähung ihrer guten Gaben und bedenkt, daß Leute hier sitzen, die
es sogar zu Buch nehmen werden, wenn Ihr nicht eßt.

Wer Euch hörte, Manuel, der müßte wahrlich glauben, daß in ganz Por¬
tugal neben jedem Tische ein Späher und unter jedem Dache ein Verräter
weile, sagte Camoens lächelnd und versuchte zugleich der Aufforderung des
Freundes nachzukommen. Ihr müßt schlimme Erfahrungen gemacht haben, seit
wir uns nicht gesehen haben, und werdet meinen poetischen Träumen wenig
Beifall schenke».

Doch, doch, mein Freund, soweit Eure Träume der ruhmreichen Vergangen¬
heit zugewandt sind, antwortete der Edelmann immer in demselben ruhigen
Tone, der genau darauf berechnet schien, nicht bis zu dem Tische zu dringen,
an welchem die schweigsamen Spanier saßen. In meinem Hause fürchte ich
weder Späher noch Verräter, dort laßt uns vom Schicksale des Vaterlandes
reden. Heute und hier aber erzählt mir nur, wie es Euch auf der Heimfahrt
ergangen ist, und wie Ihr Euch in Lissabon wieder eingewöhnt habt.

Meine Abenteuer endeten mit dem Aufenthalte bei Eurem Vetter, sagte
Camoens. Die heißen Tage in Sofala waren die letzten, aus deuen ich Euch
berichten könnte, daß ich etwas andres gethan, als die Verse meines Gedichtes
zu feilen. Wollt Ihr von Gnu- und Gazcllenjagden hören? Die afrikanische
Sonne hatte mir Adern, Hirn und Herz so ausgetrocknet, daß ich aus einem
Poeten zu einem Jäger ward, der in der einzigen Zerstreuung, die jene elende
Küste bietet, das Elend seiner Lage zu vergessen trachtete. Die Rückfahrt aus
Afrika nach Portugal war so ungewöhnlich glücklich, daß ich beinahe eine Ver¬
heißung in ihr gesehen hätte. Wir schifften wie Vasco da Gama und seine
Helden ans dem Rücken stiller Fluten, von sauften Winden getrieben! Es ist
die lichteste Erinnerung, die ich heimbrachte, sie soll mein Gedicht schließen,
Freund Manuel. Von meiner Einrichtung in Lissabon wollt Ihr hören? Sie


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197571"/>
          <fw type="header" place="top"> Camoens.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_426" prev="#ID_425"> Barretvs erweckten offenbar in seiner Seele keine heitern Vorstellungen, Besorgt<lb/>
musterte er vor allen die Fremden und den Varfüßermönch, nach denen auch<lb/>
Barrcto schärfer als nach den übrigen Hingeseheu hatte, Camoens handhabte<lb/>
jetzt eigentlich nur zum Schein die Gabel und hub endlich in gepreßtem Tone<lb/>
an: Meint Ihr nicht, daß Leute, wie die dort, für ein Stück Geld zu jedem<lb/>
Bubenstück, auch zur Aufgreifnng und Auslieferung eines schutzlosen Weibes<lb/>
bereit wären?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_427"> Warum nicht? entgegnete Varreto, Aber ich sagte Euch schon, daß Ihr<lb/>
Euch für heute nicht um die Maurin beunruhigen sollt. Sie wird sicher genug<lb/>
bei der kleinen Joana sein, und wir dürfen im Augenblick nichts für sie thun.<lb/>
Wir sind nen hier angekommen, und ich mag nicht zählen, wie viele Augen<lb/>
unsre ersten Schritte überwachen. Morgen, wenn sie wissen oder zu wissen<lb/>
glauben, was wir hier wollen, findet sich eher eine Stunde, in der wir un¬<lb/>
beachtet sind. Jetzt aber krankt unsern braven Bartolomeo und sein Weib nicht<lb/>
durch Verschmähung ihrer guten Gaben und bedenkt, daß Leute hier sitzen, die<lb/>
es sogar zu Buch nehmen werden, wenn Ihr nicht eßt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_428"> Wer Euch hörte, Manuel, der müßte wahrlich glauben, daß in ganz Por¬<lb/>
tugal neben jedem Tische ein Späher und unter jedem Dache ein Verräter<lb/>
weile, sagte Camoens lächelnd und versuchte zugleich der Aufforderung des<lb/>
Freundes nachzukommen. Ihr müßt schlimme Erfahrungen gemacht haben, seit<lb/>
wir uns nicht gesehen haben, und werdet meinen poetischen Träumen wenig<lb/>
Beifall schenke».</p><lb/>
          <p xml:id="ID_429"> Doch, doch, mein Freund, soweit Eure Träume der ruhmreichen Vergangen¬<lb/>
heit zugewandt sind, antwortete der Edelmann immer in demselben ruhigen<lb/>
Tone, der genau darauf berechnet schien, nicht bis zu dem Tische zu dringen,<lb/>
an welchem die schweigsamen Spanier saßen. In meinem Hause fürchte ich<lb/>
weder Späher noch Verräter, dort laßt uns vom Schicksale des Vaterlandes<lb/>
reden. Heute und hier aber erzählt mir nur, wie es Euch auf der Heimfahrt<lb/>
ergangen ist, und wie Ihr Euch in Lissabon wieder eingewöhnt habt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_430" next="#ID_431"> Meine Abenteuer endeten mit dem Aufenthalte bei Eurem Vetter, sagte<lb/>
Camoens. Die heißen Tage in Sofala waren die letzten, aus deuen ich Euch<lb/>
berichten könnte, daß ich etwas andres gethan, als die Verse meines Gedichtes<lb/>
zu feilen. Wollt Ihr von Gnu- und Gazcllenjagden hören? Die afrikanische<lb/>
Sonne hatte mir Adern, Hirn und Herz so ausgetrocknet, daß ich aus einem<lb/>
Poeten zu einem Jäger ward, der in der einzigen Zerstreuung, die jene elende<lb/>
Küste bietet, das Elend seiner Lage zu vergessen trachtete. Die Rückfahrt aus<lb/>
Afrika nach Portugal war so ungewöhnlich glücklich, daß ich beinahe eine Ver¬<lb/>
heißung in ihr gesehen hätte. Wir schifften wie Vasco da Gama und seine<lb/>
Helden ans dem Rücken stiller Fluten, von sauften Winden getrieben! Es ist<lb/>
die lichteste Erinnerung, die ich heimbrachte, sie soll mein Gedicht schließen,<lb/>
Freund Manuel. Von meiner Einrichtung in Lissabon wollt Ihr hören? Sie</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0147] Camoens. Barretvs erweckten offenbar in seiner Seele keine heitern Vorstellungen, Besorgt musterte er vor allen die Fremden und den Varfüßermönch, nach denen auch Barrcto schärfer als nach den übrigen Hingeseheu hatte, Camoens handhabte jetzt eigentlich nur zum Schein die Gabel und hub endlich in gepreßtem Tone an: Meint Ihr nicht, daß Leute, wie die dort, für ein Stück Geld zu jedem Bubenstück, auch zur Aufgreifnng und Auslieferung eines schutzlosen Weibes bereit wären? Warum nicht? entgegnete Varreto, Aber ich sagte Euch schon, daß Ihr Euch für heute nicht um die Maurin beunruhigen sollt. Sie wird sicher genug bei der kleinen Joana sein, und wir dürfen im Augenblick nichts für sie thun. Wir sind nen hier angekommen, und ich mag nicht zählen, wie viele Augen unsre ersten Schritte überwachen. Morgen, wenn sie wissen oder zu wissen glauben, was wir hier wollen, findet sich eher eine Stunde, in der wir un¬ beachtet sind. Jetzt aber krankt unsern braven Bartolomeo und sein Weib nicht durch Verschmähung ihrer guten Gaben und bedenkt, daß Leute hier sitzen, die es sogar zu Buch nehmen werden, wenn Ihr nicht eßt. Wer Euch hörte, Manuel, der müßte wahrlich glauben, daß in ganz Por¬ tugal neben jedem Tische ein Späher und unter jedem Dache ein Verräter weile, sagte Camoens lächelnd und versuchte zugleich der Aufforderung des Freundes nachzukommen. Ihr müßt schlimme Erfahrungen gemacht haben, seit wir uns nicht gesehen haben, und werdet meinen poetischen Träumen wenig Beifall schenke». Doch, doch, mein Freund, soweit Eure Träume der ruhmreichen Vergangen¬ heit zugewandt sind, antwortete der Edelmann immer in demselben ruhigen Tone, der genau darauf berechnet schien, nicht bis zu dem Tische zu dringen, an welchem die schweigsamen Spanier saßen. In meinem Hause fürchte ich weder Späher noch Verräter, dort laßt uns vom Schicksale des Vaterlandes reden. Heute und hier aber erzählt mir nur, wie es Euch auf der Heimfahrt ergangen ist, und wie Ihr Euch in Lissabon wieder eingewöhnt habt. Meine Abenteuer endeten mit dem Aufenthalte bei Eurem Vetter, sagte Camoens. Die heißen Tage in Sofala waren die letzten, aus deuen ich Euch berichten könnte, daß ich etwas andres gethan, als die Verse meines Gedichtes zu feilen. Wollt Ihr von Gnu- und Gazcllenjagden hören? Die afrikanische Sonne hatte mir Adern, Hirn und Herz so ausgetrocknet, daß ich aus einem Poeten zu einem Jäger ward, der in der einzigen Zerstreuung, die jene elende Küste bietet, das Elend seiner Lage zu vergessen trachtete. Die Rückfahrt aus Afrika nach Portugal war so ungewöhnlich glücklich, daß ich beinahe eine Ver¬ heißung in ihr gesehen hätte. Wir schifften wie Vasco da Gama und seine Helden ans dem Rücken stiller Fluten, von sauften Winden getrieben! Es ist die lichteste Erinnerung, die ich heimbrachte, sie soll mein Gedicht schließen, Freund Manuel. Von meiner Einrichtung in Lissabon wollt Ihr hören? Sie

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/147
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/147>, abgerufen am 05.02.2025.