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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Camoens.

Sonnenglanz alle Glorie alter Tage zum armseligen Kerzenlicht wird -- soll
der Dichter der letzte sein, der glmibt und hofft? Selbst wenn ich im einzelnen
Zweifel hege, selbst wenn das neue Leben, das ich in Portugal finde, mir in
schlimmen Stunden das Herz preßt -- ich leugne nicht, daß es so ist --, so
bleibt es meine heiligste Pflicht, mich dem Geiste, der mein Volk beseelt und
erhebt, tren und auf jede Gefahr anzuschließen!

Und was hättet Ihr mit diesem Geiste zu schaffen, Luis Camoens? fragte
Barreto, Was kümmert den freien Dichter die Glut, welche fanatische Mönche
und Inquisitoren, Glücksjäger und schmeichlerische Hofleute anfachen? Wie
könnt Ihr glauben, daß Unternehmungen, die von solchen ersonnen werden, die
Thaten der da Gama und Albucmerqnes überstrahlen sollen? Fragt unter den
Fidalgvs und den Bauern umher, ob sie sich nach der Eroberung maurischer
Königreiche sehnen und ob sie Glück und Heil von Dom Sebastians Frömmig¬
keit hoffen!

Camoens schien die letzten Worte seines Freundes völlig zu überhöre".
Er sah in das Thal hinab, aus dem, jetzt dicht unter ihnen, die flachen Dächer
und die weißen Häuser von Ciutra sichtbar wurden, über allen ein rosiger
Wiedersehen, der roten Wolken, die den Reitern zu Häupten zogen. Der An¬
blick ergriff den Dichter mächtig: Seht, seht, Manuel, wie schön dies Land ist!
Wie könnte ich mich von seinem Leben trennen? Was mein Volk will, muß
auch ich wollen; wehe dem Dichter, der seine Seele von den Seinen scheidet!

Der gewaltige Florentiner, den ich durch Euch kennen lernte, hat anders
gedacht, versetzte Barreto mit großem Ernst. Hütte Dante der Sünde und dem
Verrat seiner Landsleute schmeicheln oder nur zustimmen wollen, so würden die
Terzinen seiner Hölle nicht wie Posauuenklang dröhnen! Aber laßt uns ab¬
brechen für heute, Freund! Wenn Ihr vor dem Könige gestanden haben werdet,
sprechen wir weiter! Gleich dort um die Felsecke thut sich das Gehöft des Bar-
tolomeo Okaz auf, der sich freuen wird, Euch wiederzusehen.

Camoens antwortete nichts mehr, denn Barreto hatte eben mit einem
leichten Schlag auf den Bug des Maultieres auch dies in schärferen Trab ge¬
setzt, und beide Reiter flogen nun an den ersten weißen Häusern vorüber, die
am Bergabhang standen, und dann auf breiterer ebner Straße dahin. Die
Luft wehte ihnen zwischen Gehöften und Gärten wärmer und dumpfer entgegen,
und die mannichfachsten Lante des Lebens schlugen zugleich an ihr Ohr. Hinter
den dornigen Hecken hervor ertönten Stimmen und Helles Gelächter: in einem
Kreis junger Burschen, der sich mitten auf der Straße gesammelt hatte, erklang
eine Mandoline, und von der Thür einer Schenke her scholl den beiden Freunden
ein lustig lauter Zuruf und das Klirren zinnerner Becher entgegen. Die Zecher
waren jene dienstlosen Schiffsleute, welche auf dem Wege von Santa Cruz
herab Barreto angebettelt hatten und ihm jetzt mit geschwungnen Hüten zu
verstehen gaben, daß sie seinen Rat wörtlich befolgt hatten. Der Edelmann


Camoens.

Sonnenglanz alle Glorie alter Tage zum armseligen Kerzenlicht wird — soll
der Dichter der letzte sein, der glmibt und hofft? Selbst wenn ich im einzelnen
Zweifel hege, selbst wenn das neue Leben, das ich in Portugal finde, mir in
schlimmen Stunden das Herz preßt — ich leugne nicht, daß es so ist —, so
bleibt es meine heiligste Pflicht, mich dem Geiste, der mein Volk beseelt und
erhebt, tren und auf jede Gefahr anzuschließen!

Und was hättet Ihr mit diesem Geiste zu schaffen, Luis Camoens? fragte
Barreto, Was kümmert den freien Dichter die Glut, welche fanatische Mönche
und Inquisitoren, Glücksjäger und schmeichlerische Hofleute anfachen? Wie
könnt Ihr glauben, daß Unternehmungen, die von solchen ersonnen werden, die
Thaten der da Gama und Albucmerqnes überstrahlen sollen? Fragt unter den
Fidalgvs und den Bauern umher, ob sie sich nach der Eroberung maurischer
Königreiche sehnen und ob sie Glück und Heil von Dom Sebastians Frömmig¬
keit hoffen!

Camoens schien die letzten Worte seines Freundes völlig zu überhöre».
Er sah in das Thal hinab, aus dem, jetzt dicht unter ihnen, die flachen Dächer
und die weißen Häuser von Ciutra sichtbar wurden, über allen ein rosiger
Wiedersehen, der roten Wolken, die den Reitern zu Häupten zogen. Der An¬
blick ergriff den Dichter mächtig: Seht, seht, Manuel, wie schön dies Land ist!
Wie könnte ich mich von seinem Leben trennen? Was mein Volk will, muß
auch ich wollen; wehe dem Dichter, der seine Seele von den Seinen scheidet!

Der gewaltige Florentiner, den ich durch Euch kennen lernte, hat anders
gedacht, versetzte Barreto mit großem Ernst. Hütte Dante der Sünde und dem
Verrat seiner Landsleute schmeicheln oder nur zustimmen wollen, so würden die
Terzinen seiner Hölle nicht wie Posauuenklang dröhnen! Aber laßt uns ab¬
brechen für heute, Freund! Wenn Ihr vor dem Könige gestanden haben werdet,
sprechen wir weiter! Gleich dort um die Felsecke thut sich das Gehöft des Bar-
tolomeo Okaz auf, der sich freuen wird, Euch wiederzusehen.

Camoens antwortete nichts mehr, denn Barreto hatte eben mit einem
leichten Schlag auf den Bug des Maultieres auch dies in schärferen Trab ge¬
setzt, und beide Reiter flogen nun an den ersten weißen Häusern vorüber, die
am Bergabhang standen, und dann auf breiterer ebner Straße dahin. Die
Luft wehte ihnen zwischen Gehöften und Gärten wärmer und dumpfer entgegen,
und die mannichfachsten Lante des Lebens schlugen zugleich an ihr Ohr. Hinter
den dornigen Hecken hervor ertönten Stimmen und Helles Gelächter: in einem
Kreis junger Burschen, der sich mitten auf der Straße gesammelt hatte, erklang
eine Mandoline, und von der Thür einer Schenke her scholl den beiden Freunden
ein lustig lauter Zuruf und das Klirren zinnerner Becher entgegen. Die Zecher
waren jene dienstlosen Schiffsleute, welche auf dem Wege von Santa Cruz
herab Barreto angebettelt hatten und ihm jetzt mit geschwungnen Hüten zu
verstehen gaben, daß sie seinen Rat wörtlich befolgt hatten. Der Edelmann


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[0143] Camoens. Sonnenglanz alle Glorie alter Tage zum armseligen Kerzenlicht wird — soll der Dichter der letzte sein, der glmibt und hofft? Selbst wenn ich im einzelnen Zweifel hege, selbst wenn das neue Leben, das ich in Portugal finde, mir in schlimmen Stunden das Herz preßt — ich leugne nicht, daß es so ist —, so bleibt es meine heiligste Pflicht, mich dem Geiste, der mein Volk beseelt und erhebt, tren und auf jede Gefahr anzuschließen! Und was hättet Ihr mit diesem Geiste zu schaffen, Luis Camoens? fragte Barreto, Was kümmert den freien Dichter die Glut, welche fanatische Mönche und Inquisitoren, Glücksjäger und schmeichlerische Hofleute anfachen? Wie könnt Ihr glauben, daß Unternehmungen, die von solchen ersonnen werden, die Thaten der da Gama und Albucmerqnes überstrahlen sollen? Fragt unter den Fidalgvs und den Bauern umher, ob sie sich nach der Eroberung maurischer Königreiche sehnen und ob sie Glück und Heil von Dom Sebastians Frömmig¬ keit hoffen! Camoens schien die letzten Worte seines Freundes völlig zu überhöre». Er sah in das Thal hinab, aus dem, jetzt dicht unter ihnen, die flachen Dächer und die weißen Häuser von Ciutra sichtbar wurden, über allen ein rosiger Wiedersehen, der roten Wolken, die den Reitern zu Häupten zogen. Der An¬ blick ergriff den Dichter mächtig: Seht, seht, Manuel, wie schön dies Land ist! Wie könnte ich mich von seinem Leben trennen? Was mein Volk will, muß auch ich wollen; wehe dem Dichter, der seine Seele von den Seinen scheidet! Der gewaltige Florentiner, den ich durch Euch kennen lernte, hat anders gedacht, versetzte Barreto mit großem Ernst. Hütte Dante der Sünde und dem Verrat seiner Landsleute schmeicheln oder nur zustimmen wollen, so würden die Terzinen seiner Hölle nicht wie Posauuenklang dröhnen! Aber laßt uns ab¬ brechen für heute, Freund! Wenn Ihr vor dem Könige gestanden haben werdet, sprechen wir weiter! Gleich dort um die Felsecke thut sich das Gehöft des Bar- tolomeo Okaz auf, der sich freuen wird, Euch wiederzusehen. Camoens antwortete nichts mehr, denn Barreto hatte eben mit einem leichten Schlag auf den Bug des Maultieres auch dies in schärferen Trab ge¬ setzt, und beide Reiter flogen nun an den ersten weißen Häusern vorüber, die am Bergabhang standen, und dann auf breiterer ebner Straße dahin. Die Luft wehte ihnen zwischen Gehöften und Gärten wärmer und dumpfer entgegen, und die mannichfachsten Lante des Lebens schlugen zugleich an ihr Ohr. Hinter den dornigen Hecken hervor ertönten Stimmen und Helles Gelächter: in einem Kreis junger Burschen, der sich mitten auf der Straße gesammelt hatte, erklang eine Mandoline, und von der Thür einer Schenke her scholl den beiden Freunden ein lustig lauter Zuruf und das Klirren zinnerner Becher entgegen. Die Zecher waren jene dienstlosen Schiffsleute, welche auf dem Wege von Santa Cruz herab Barreto angebettelt hatten und ihm jetzt mit geschwungnen Hüten zu verstehen gaben, daß sie seinen Rat wörtlich befolgt hatten. Der Edelmann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/143>, abgerufen am 05.02.2025.