Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.schweres Gewicht in die Wagschale werfen zu können; dann aber hieß es weiter, Jeder von diesen Sätzen enthielt Wahrheit an sich, aber die in der Be¬ schweres Gewicht in die Wagschale werfen zu können; dann aber hieß es weiter, Jeder von diesen Sätzen enthielt Wahrheit an sich, aber die in der Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197437"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_9" prev="#ID_8"> schweres Gewicht in die Wagschale werfen zu können; dann aber hieß es weiter,<lb/> in Deutschland müsse Preußen moralische Eroberungen machen durch weise Gesetz¬<lb/> gebung im Innern, durch Anerkennung aller ethischen Kräfte und durch Heran¬<lb/> ziehung von einigenden Elementen wie der Zollverein, die Welt müsse erfahren,<lb/> daß es stets bereit sei, das Recht zu schützen. Eine feste, folgerichtige und that¬<lb/> kräftige Politik werde, unterstützt von Klugheit, sicher Preußen die Achtung und<lb/> den Einfluß gewinnen, über die es mit seinen phhsischen Mitteln allein nicht<lb/> gebieten könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_10" next="#ID_11"> Jeder von diesen Sätzen enthielt Wahrheit an sich, aber die in der Be¬<lb/> völkerung herrschende Partei eignete sich davon nur das an, was zu ihrer<lb/> Theorie und ihren Zwecken Paßte, und noch fehlte dem Monarchen der „löbliche<lb/> Kanzler," der mit genialein Blicke den Weg fand, wie diese Wahrheiten zu ver¬<lb/> wirkliche« waren. Was in dem Reskript gegen die Heuchelei der kirchlichen<lb/> Reaktion und über die Stellung des Regenten zur deutschen Frage gesagt war,<lb/> fand den Beifall der öffentlichen Meinung in der Presse und im Abgeordneten¬<lb/> hause, die Stellen über die Reorganisation der Wehrkraft Preußens dagegen<lb/> begegneten geringem Verständnis und kurzsichtigen Mißtrauen. Der Stil, in<lb/> welchem der Regent sich nach dem Tode seines Bruders krönen ließ, vermehrte<lb/> durch seine Betonung des Prinzips der Legitimität die Unzufriedenheit der<lb/> Liberalen, denen die Idee der Volkssouveränitüt noch von 1848 her in den<lb/> Gliedern steckte. Die Verstärkung der Armee erschien ihnen nicht als das, was<lb/> sie war, als Vorbereitung des deutschen Eiuignngswerkes, das sich, wie die Dinge<lb/> standen, auf friedlichem Wege, mit bloß moralischen Mitteln nicht beginnen ließ,<lb/> sondern als eine gegen sie selbst gerichtete Maßregel. Das Ministerium der<lb/> „neuen Ära" vermochte weder mit dieser Opposition fertig zu werden, noch mit<lb/> der Losung der deutschen Frage Fortschritt zu machen. Es folgte die Konflikts¬<lb/> zeit, der Kampf zwischen dem Parlamentarismus und dem recht verstandnen, auf<lb/> dem Wortlaute der Verfassung fußender Konstitutionalismus, in welchem Bismarck<lb/> dem Könige als neuer oberster Rat zur Seite stand. In der Thronrede vom<lb/> 14. Januar 1862 sagte der Monarch dem Landtage, die Entwicklung der<lb/> preußischen Institutionen müsse so vor sich gehen, daß sie der Stärke und Größe<lb/> des Landes diene, nicht aber die Rechte der Krone und die Sicherheit Preußens<lb/> gefährde, und in einem an das Ministerium: gerichteten Reskripte vom 19. März<lb/> erklärte er es für seine Pflicht und feste Absicht, die Verfassung und die Rechte<lb/> der Volksvertretung in ihrer vollen Ausdehnung zu achten, zu gleicher Zeit aber<lb/> auch die Rechte der Krone ungeschmälert zu verteidigen und zu wahren, weil<lb/> Preußen dieselben zur Ausführung seiner Aufgabe bedürfe, und weil ihre<lb/> Schwächung den Untergang des Vaterlandes einschließen würde. Als die<lb/> Majorität des Abgeordnetenhauses die Kosten der Heeresreorganisation für das<lb/> laufende Jahre abzulehnen beschlossen, das Herrenhaus aber diesen Beschluß ver¬<lb/> worfen hatte, erklärte Bismarck: „Die Negierung Seiner Majestät des Königs</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
schweres Gewicht in die Wagschale werfen zu können; dann aber hieß es weiter,
in Deutschland müsse Preußen moralische Eroberungen machen durch weise Gesetz¬
gebung im Innern, durch Anerkennung aller ethischen Kräfte und durch Heran¬
ziehung von einigenden Elementen wie der Zollverein, die Welt müsse erfahren,
daß es stets bereit sei, das Recht zu schützen. Eine feste, folgerichtige und that¬
kräftige Politik werde, unterstützt von Klugheit, sicher Preußen die Achtung und
den Einfluß gewinnen, über die es mit seinen phhsischen Mitteln allein nicht
gebieten könne.
Jeder von diesen Sätzen enthielt Wahrheit an sich, aber die in der Be¬
völkerung herrschende Partei eignete sich davon nur das an, was zu ihrer
Theorie und ihren Zwecken Paßte, und noch fehlte dem Monarchen der „löbliche
Kanzler," der mit genialein Blicke den Weg fand, wie diese Wahrheiten zu ver¬
wirkliche« waren. Was in dem Reskript gegen die Heuchelei der kirchlichen
Reaktion und über die Stellung des Regenten zur deutschen Frage gesagt war,
fand den Beifall der öffentlichen Meinung in der Presse und im Abgeordneten¬
hause, die Stellen über die Reorganisation der Wehrkraft Preußens dagegen
begegneten geringem Verständnis und kurzsichtigen Mißtrauen. Der Stil, in
welchem der Regent sich nach dem Tode seines Bruders krönen ließ, vermehrte
durch seine Betonung des Prinzips der Legitimität die Unzufriedenheit der
Liberalen, denen die Idee der Volkssouveränitüt noch von 1848 her in den
Gliedern steckte. Die Verstärkung der Armee erschien ihnen nicht als das, was
sie war, als Vorbereitung des deutschen Eiuignngswerkes, das sich, wie die Dinge
standen, auf friedlichem Wege, mit bloß moralischen Mitteln nicht beginnen ließ,
sondern als eine gegen sie selbst gerichtete Maßregel. Das Ministerium der
„neuen Ära" vermochte weder mit dieser Opposition fertig zu werden, noch mit
der Losung der deutschen Frage Fortschritt zu machen. Es folgte die Konflikts¬
zeit, der Kampf zwischen dem Parlamentarismus und dem recht verstandnen, auf
dem Wortlaute der Verfassung fußender Konstitutionalismus, in welchem Bismarck
dem Könige als neuer oberster Rat zur Seite stand. In der Thronrede vom
14. Januar 1862 sagte der Monarch dem Landtage, die Entwicklung der
preußischen Institutionen müsse so vor sich gehen, daß sie der Stärke und Größe
des Landes diene, nicht aber die Rechte der Krone und die Sicherheit Preußens
gefährde, und in einem an das Ministerium: gerichteten Reskripte vom 19. März
erklärte er es für seine Pflicht und feste Absicht, die Verfassung und die Rechte
der Volksvertretung in ihrer vollen Ausdehnung zu achten, zu gleicher Zeit aber
auch die Rechte der Krone ungeschmälert zu verteidigen und zu wahren, weil
Preußen dieselben zur Ausführung seiner Aufgabe bedürfe, und weil ihre
Schwächung den Untergang des Vaterlandes einschließen würde. Als die
Majorität des Abgeordnetenhauses die Kosten der Heeresreorganisation für das
laufende Jahre abzulehnen beschlossen, das Herrenhaus aber diesen Beschluß ver¬
worfen hatte, erklärte Bismarck: „Die Negierung Seiner Majestät des Königs
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