Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Unsre Handelsbeziehungen Z" Rußland. einem Ausfalle von 35/2 Millionen Rubeln gleichkommt. Der Ausfall an Wen" man erwägt, welche großen Vorteile der deutsche Handel und die *) Nach Kaiser Alexanders II. Regierungsantritte brachte das Jahr 1854 die ersten
Zollrrmtißigungcn. Dem Tarif von 1854 folgten weitere Ermäßigungen, so 1862 die Ge¬ staltung der bis dahin ganz verbotenen Theeeinfuhr über die Landgrenze, 1364 die Ermäßigung des Lumpen-Ausfuhrzolles, I86S eine weitere Regelung der Theezölle überhaupt, 1868 ein völlig neuer Tarif, welcher hauptsächlich für die Erzeugnisse der Textilindustrie, für eine Menge andrer wichtiger Artikel Zollhernbsehungen, für andre sogar gänzliche Zollbefreiungen "brachte. Kaffee wurde von S Rubel 75 Kop. auf 1 Rubel 50 Kop. herutttcrgeseltt, und auch Papier,! Porzellan, Glas, Eisen wurden von den Zöllen beträchtlich erleichtert^ alle landwirt¬ schaftlichen Maschinen und Geräte aber, sowie alle Maschinen zur Verarbeitung der Textil- industrieproduttc wurden von EiugangSzvllen gänzlich befreit. Unsre Handelsbeziehungen Z» Rußland. einem Ausfalle von 35/2 Millionen Rubeln gleichkommt. Der Ausfall an Wen» man erwägt, welche großen Vorteile der deutsche Handel und die *) Nach Kaiser Alexanders II. Regierungsantritte brachte das Jahr 1854 die ersten
Zollrrmtißigungcn. Dem Tarif von 1854 folgten weitere Ermäßigungen, so 1862 die Ge¬ staltung der bis dahin ganz verbotenen Theeeinfuhr über die Landgrenze, 1364 die Ermäßigung des Lumpen-Ausfuhrzolles, I86S eine weitere Regelung der Theezölle überhaupt, 1868 ein völlig neuer Tarif, welcher hauptsächlich für die Erzeugnisse der Textilindustrie, für eine Menge andrer wichtiger Artikel Zollhernbsehungen, für andre sogar gänzliche Zollbefreiungen »brachte. Kaffee wurde von S Rubel 75 Kop. auf 1 Rubel 50 Kop. herutttcrgeseltt, und auch Papier,! Porzellan, Glas, Eisen wurden von den Zöllen beträchtlich erleichtert^ alle landwirt¬ schaftlichen Maschinen und Geräte aber, sowie alle Maschinen zur Verarbeitung der Textil- industrieproduttc wurden von EiugangSzvllen gänzlich befreit. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197550"/> <fw type="header" place="top"> Unsre Handelsbeziehungen Z» Rußland.</fw><lb/> <p xml:id="ID_369" prev="#ID_368"> einem Ausfalle von 35/2 Millionen Rubeln gleichkommt. Der Ausfall an<lb/> Fischen ist mit einer Million anzusetzen, und die Lebensmittel in ihrer Gesamtheit<lb/> sind um etwa 27 Millionen zurückgeblieben. Rohstoffe und Halbfabrikate<lb/> haben womöglich noch beträchtlichere Ausfälle zu verzeichnen, indem z. B. bei<lb/> der Baumwolle ein Rückgang von 9 Millionen, bei Steinkohlen ein solcher<lb/> von 1 Million, bei ungcsponnener Seide ein solcher von Millionen, bei<lb/> Roheisen von 7 Millionen, bei allen Artikeln dieser Kategorie zusammen ein<lb/> Rückgang von 45 Millionen nachweisbar ist. Die Fabrikate hatten bis zum<lb/> 1. September ihren Markt um 13 Millionen gekürzt gesehen, und endlich hatten<lb/> auch bei der chemischen Industrie namhafte Ausfälle stattgefunden. Wenn<lb/> man nun bei allen diesen großen Rückgängen unsern obigen Nachweis berück¬<lb/> sichtigt, daß Deutschland sowohl bei dem russischen Einfuhr- wie auch bei dem<lb/> Ausfuhrgeschäft mit einem Drittel der Gesamtwerte beteiligt ist, so wird jedem<lb/> unbefangnen Urteil die Tragweite klar werden, welche dieses reißend schnelle<lb/> Sinken unsrer Handelsbeziehungen zum nordischen Reiche gegenwärtig, wo bei<lb/> dem riesigen Wettbewerb aller internationalen Friedenskräftc die Erhaltung der<lb/> bisherigen Absatzgebiete für die Erzeugnisse unsrer Industrie und unsers Ge-<lb/> werbfleißes als die wichtigste Forderung erscheint, für die Wohlfahrt breiter<lb/> Handels- und Jndustrickreise haben muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_370" next="#ID_371"> Wen» man erwägt, welche großen Vorteile der deutsche Handel und die<lb/> deutsche Industrie aus der willfährigen Negierung Alexanders II. lange Jahre<lb/> hindurch gezogen haben,*) Vorteile, die so immens waren, daß man ruhig sagen<lb/> kaun, die heutige Blüte und Produktivität der dentschen Industrie beruhe zu<lb/> einem beträchtlichen Teile auf dem bisherigen Verbranchsvermvgen der russischen<lb/> Nation, wenn man ferner berücksichtigt, daß Rußland erst ans der Ausbildung des<lb/> deutscheu Zolltarifs die Veranlassung zur Umkehr von der frühern Verkehrs¬<lb/> politik genommen hat, so wird man nicht ungerecht sein dürfen und etwa die Gründe<lb/> der Stagnation in unserm russischen Verkehr der russische» Regierung ganz<lb/> allein in die Schuhe schieben wollen. Immerhin bleibt der russische Zolltarif,<lb/> ungleich radikaler in seinem System als der deutsche, das xun«wen sÄiens bei<lb/> allen Versuchen zur Herbeiführung ersprießlicherer Verkehrsformen für unsern<lb/> Warenaustausch mit Rußland. Die russische Negierung hat in ihrem Zoll-</p><lb/> <note xml:id="FID_7" place="foot"> *) Nach Kaiser Alexanders II. Regierungsantritte brachte das Jahr 1854 die ersten<lb/> Zollrrmtißigungcn. Dem Tarif von 1854 folgten weitere Ermäßigungen, so 1862 die Ge¬<lb/> staltung der bis dahin ganz verbotenen Theeeinfuhr über die Landgrenze, 1364 die Ermäßigung<lb/> des Lumpen-Ausfuhrzolles, I86S eine weitere Regelung der Theezölle überhaupt, 1868 ein<lb/> völlig neuer Tarif, welcher hauptsächlich für die Erzeugnisse der Textilindustrie, für eine<lb/> Menge andrer wichtiger Artikel Zollhernbsehungen, für andre sogar gänzliche Zollbefreiungen<lb/> »brachte. Kaffee wurde von S Rubel 75 Kop. auf 1 Rubel 50 Kop. herutttcrgeseltt, und auch<lb/> Papier,! Porzellan, Glas, Eisen wurden von den Zöllen beträchtlich erleichtert^ alle landwirt¬<lb/> schaftlichen Maschinen und Geräte aber, sowie alle Maschinen zur Verarbeitung der Textil-<lb/> industrieproduttc wurden von EiugangSzvllen gänzlich befreit.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
Unsre Handelsbeziehungen Z» Rußland.
einem Ausfalle von 35/2 Millionen Rubeln gleichkommt. Der Ausfall an
Fischen ist mit einer Million anzusetzen, und die Lebensmittel in ihrer Gesamtheit
sind um etwa 27 Millionen zurückgeblieben. Rohstoffe und Halbfabrikate
haben womöglich noch beträchtlichere Ausfälle zu verzeichnen, indem z. B. bei
der Baumwolle ein Rückgang von 9 Millionen, bei Steinkohlen ein solcher
von 1 Million, bei ungcsponnener Seide ein solcher von Millionen, bei
Roheisen von 7 Millionen, bei allen Artikeln dieser Kategorie zusammen ein
Rückgang von 45 Millionen nachweisbar ist. Die Fabrikate hatten bis zum
1. September ihren Markt um 13 Millionen gekürzt gesehen, und endlich hatten
auch bei der chemischen Industrie namhafte Ausfälle stattgefunden. Wenn
man nun bei allen diesen großen Rückgängen unsern obigen Nachweis berück¬
sichtigt, daß Deutschland sowohl bei dem russischen Einfuhr- wie auch bei dem
Ausfuhrgeschäft mit einem Drittel der Gesamtwerte beteiligt ist, so wird jedem
unbefangnen Urteil die Tragweite klar werden, welche dieses reißend schnelle
Sinken unsrer Handelsbeziehungen zum nordischen Reiche gegenwärtig, wo bei
dem riesigen Wettbewerb aller internationalen Friedenskräftc die Erhaltung der
bisherigen Absatzgebiete für die Erzeugnisse unsrer Industrie und unsers Ge-
werbfleißes als die wichtigste Forderung erscheint, für die Wohlfahrt breiter
Handels- und Jndustrickreise haben muß.
Wen» man erwägt, welche großen Vorteile der deutsche Handel und die
deutsche Industrie aus der willfährigen Negierung Alexanders II. lange Jahre
hindurch gezogen haben,*) Vorteile, die so immens waren, daß man ruhig sagen
kaun, die heutige Blüte und Produktivität der dentschen Industrie beruhe zu
einem beträchtlichen Teile auf dem bisherigen Verbranchsvermvgen der russischen
Nation, wenn man ferner berücksichtigt, daß Rußland erst ans der Ausbildung des
deutscheu Zolltarifs die Veranlassung zur Umkehr von der frühern Verkehrs¬
politik genommen hat, so wird man nicht ungerecht sein dürfen und etwa die Gründe
der Stagnation in unserm russischen Verkehr der russische» Regierung ganz
allein in die Schuhe schieben wollen. Immerhin bleibt der russische Zolltarif,
ungleich radikaler in seinem System als der deutsche, das xun«wen sÄiens bei
allen Versuchen zur Herbeiführung ersprießlicherer Verkehrsformen für unsern
Warenaustausch mit Rußland. Die russische Negierung hat in ihrem Zoll-
*) Nach Kaiser Alexanders II. Regierungsantritte brachte das Jahr 1854 die ersten
Zollrrmtißigungcn. Dem Tarif von 1854 folgten weitere Ermäßigungen, so 1862 die Ge¬
staltung der bis dahin ganz verbotenen Theeeinfuhr über die Landgrenze, 1364 die Ermäßigung
des Lumpen-Ausfuhrzolles, I86S eine weitere Regelung der Theezölle überhaupt, 1868 ein
völlig neuer Tarif, welcher hauptsächlich für die Erzeugnisse der Textilindustrie, für eine
Menge andrer wichtiger Artikel Zollhernbsehungen, für andre sogar gänzliche Zollbefreiungen
»brachte. Kaffee wurde von S Rubel 75 Kop. auf 1 Rubel 50 Kop. herutttcrgeseltt, und auch
Papier,! Porzellan, Glas, Eisen wurden von den Zöllen beträchtlich erleichtert^ alle landwirt¬
schaftlichen Maschinen und Geräte aber, sowie alle Maschinen zur Verarbeitung der Textil-
industrieproduttc wurden von EiugangSzvllen gänzlich befreit.
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