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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Die beabsichtigton Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfcissnngsgesetzes ;c.
Über alle Strafsachen, welche nicht in den §K 72 bis 74*) erwähnt
oder der Zuständigkeit des Reichsgerichtes überwiesen sind, haben die
Strafkammern der Landgerichte unter Zuziehung von Geschwornen zu er¬
kennen.

Damit fiele die Inkorrektheit weg, daß jetzt schwurgcrichtliche Entscheidungen
"außerhalb der Dauer der Sitzungsperiode", also mit andern Worten zu einer
Zeit, wo es gar kein Schwurgericht giebt, nötig werden und von den Straf¬
kammern oder den Landgerichtspräsidentcn erlassen werden müssen; es würden
regelmäßige Geschwornentage bei den Landgerichten angesetzt werden können,
wie jetzt das Amtsgericht seine Schöffentage hat, der Geschworne könnte im
voraus für das ganze Jahr feine Einrichtungen treffen und würde lieber mehr¬
fach auf einen Tag an den Gerichtssitz kommen als, wie jetzt, in vier Perioden
von unberechenbarer Dauer vom Hause entfernt sein; die Aburteilung der Sache
aber könnte ungleich schneller erfolgen als bisher. Zugleich fielen die jetzigen
großen Bezirke und damit verringerten sich die zu zahlenden Diäten und
Reisekosten. Auch an Bedeutung mürbe das Schwurgericht nicht verlieren,
da im Gegenteil nun die Bewohner von viel mehr Orten Gelegenheit haben
würden, einer Schwurgerichtssitzung beizuwohnen, zumal da meiner Ansicht nach
auch mit jeder detachirten Strafkammer ein Schwurgericht verbunden werden
müßte.

Man wird freilich gegen diesen Vorschlag den schon oben angedeuteten
EinWurf erheben, daß, wenn die Zahl der Schwurgerichte vermehrt werde, auch
die Zahl der Geschwornen eine Vermehrung erleiden und so statt einer Er¬
leichterung nur eine Erschwerung eintreten würde. Aber, wie ich auch schon
angedeutet habe, dieser Vorwurf ist mehr scheinbar als wirklich zutreffend. Nicht
darin liegt die Belästigung, auf der Liste der Geschwornen zu stehen, sondern öfter
und auf längere zur Verhandlung Zeit zugezogen zu werden. Würden nun bei der
hier vorgeschlagenen Einrichtung die fchwurgerichtlicheu Straffälle auf die ein¬
zelnen Landgerichte und detachirten Strafkammern verteilt, so würden die Ge¬
schwornen der einzelnen Bezirke um soviel weniger einberufen, stets nnr auf
einen Tag, und da sie dann nur auf eine kurze Entfernung zu reisen brauchen,
so wäre es für sie mit keiner erheblichen Belästigung verbunden, einigemale im
Jahre den Schwurgerichtssitz zu besuche", der doch mehr oder weniger der
geschäftliche Mittelpunkt der Umgegend sein würde.

Schlosse man so die Schwurgerichte an die ständigen Gerichte an, so würde
es sich empfehlen, dies entsprechend der preußischen Strafprozeßordnung vom
25. Juni 1867 auch für die Schöffen zu thun, sodaß nicht mehr wie nach der
Reichsstrafprozeßordnnng die Schöffengerichte neben den Amtsgerichten stünden,



*) In diesen Paragraphen ist die Zuständigkeit der Strafkammern ohne Zuziehung
von Geschwornen festgestellt.
Grenzboten VI. 1885. 12
Die beabsichtigton Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfcissnngsgesetzes ;c.
Über alle Strafsachen, welche nicht in den §K 72 bis 74*) erwähnt
oder der Zuständigkeit des Reichsgerichtes überwiesen sind, haben die
Strafkammern der Landgerichte unter Zuziehung von Geschwornen zu er¬
kennen.

Damit fiele die Inkorrektheit weg, daß jetzt schwurgcrichtliche Entscheidungen
„außerhalb der Dauer der Sitzungsperiode", also mit andern Worten zu einer
Zeit, wo es gar kein Schwurgericht giebt, nötig werden und von den Straf¬
kammern oder den Landgerichtspräsidentcn erlassen werden müssen; es würden
regelmäßige Geschwornentage bei den Landgerichten angesetzt werden können,
wie jetzt das Amtsgericht seine Schöffentage hat, der Geschworne könnte im
voraus für das ganze Jahr feine Einrichtungen treffen und würde lieber mehr¬
fach auf einen Tag an den Gerichtssitz kommen als, wie jetzt, in vier Perioden
von unberechenbarer Dauer vom Hause entfernt sein; die Aburteilung der Sache
aber könnte ungleich schneller erfolgen als bisher. Zugleich fielen die jetzigen
großen Bezirke und damit verringerten sich die zu zahlenden Diäten und
Reisekosten. Auch an Bedeutung mürbe das Schwurgericht nicht verlieren,
da im Gegenteil nun die Bewohner von viel mehr Orten Gelegenheit haben
würden, einer Schwurgerichtssitzung beizuwohnen, zumal da meiner Ansicht nach
auch mit jeder detachirten Strafkammer ein Schwurgericht verbunden werden
müßte.

Man wird freilich gegen diesen Vorschlag den schon oben angedeuteten
EinWurf erheben, daß, wenn die Zahl der Schwurgerichte vermehrt werde, auch
die Zahl der Geschwornen eine Vermehrung erleiden und so statt einer Er¬
leichterung nur eine Erschwerung eintreten würde. Aber, wie ich auch schon
angedeutet habe, dieser Vorwurf ist mehr scheinbar als wirklich zutreffend. Nicht
darin liegt die Belästigung, auf der Liste der Geschwornen zu stehen, sondern öfter
und auf längere zur Verhandlung Zeit zugezogen zu werden. Würden nun bei der
hier vorgeschlagenen Einrichtung die fchwurgerichtlicheu Straffälle auf die ein¬
zelnen Landgerichte und detachirten Strafkammern verteilt, so würden die Ge¬
schwornen der einzelnen Bezirke um soviel weniger einberufen, stets nnr auf
einen Tag, und da sie dann nur auf eine kurze Entfernung zu reisen brauchen,
so wäre es für sie mit keiner erheblichen Belästigung verbunden, einigemale im
Jahre den Schwurgerichtssitz zu besuche«, der doch mehr oder weniger der
geschäftliche Mittelpunkt der Umgegend sein würde.

Schlosse man so die Schwurgerichte an die ständigen Gerichte an, so würde
es sich empfehlen, dies entsprechend der preußischen Strafprozeßordnung vom
25. Juni 1867 auch für die Schöffen zu thun, sodaß nicht mehr wie nach der
Reichsstrafprozeßordnnng die Schöffengerichte neben den Amtsgerichten stünden,



*) In diesen Paragraphen ist die Zuständigkeit der Strafkammern ohne Zuziehung
von Geschwornen festgestellt.
Grenzboten VI. 1885. 12
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[0097] Die beabsichtigton Änderungen und Ergänzungen des Gerichtsverfcissnngsgesetzes ;c. Über alle Strafsachen, welche nicht in den §K 72 bis 74*) erwähnt oder der Zuständigkeit des Reichsgerichtes überwiesen sind, haben die Strafkammern der Landgerichte unter Zuziehung von Geschwornen zu er¬ kennen. Damit fiele die Inkorrektheit weg, daß jetzt schwurgcrichtliche Entscheidungen „außerhalb der Dauer der Sitzungsperiode", also mit andern Worten zu einer Zeit, wo es gar kein Schwurgericht giebt, nötig werden und von den Straf¬ kammern oder den Landgerichtspräsidentcn erlassen werden müssen; es würden regelmäßige Geschwornentage bei den Landgerichten angesetzt werden können, wie jetzt das Amtsgericht seine Schöffentage hat, der Geschworne könnte im voraus für das ganze Jahr feine Einrichtungen treffen und würde lieber mehr¬ fach auf einen Tag an den Gerichtssitz kommen als, wie jetzt, in vier Perioden von unberechenbarer Dauer vom Hause entfernt sein; die Aburteilung der Sache aber könnte ungleich schneller erfolgen als bisher. Zugleich fielen die jetzigen großen Bezirke und damit verringerten sich die zu zahlenden Diäten und Reisekosten. Auch an Bedeutung mürbe das Schwurgericht nicht verlieren, da im Gegenteil nun die Bewohner von viel mehr Orten Gelegenheit haben würden, einer Schwurgerichtssitzung beizuwohnen, zumal da meiner Ansicht nach auch mit jeder detachirten Strafkammer ein Schwurgericht verbunden werden müßte. Man wird freilich gegen diesen Vorschlag den schon oben angedeuteten EinWurf erheben, daß, wenn die Zahl der Schwurgerichte vermehrt werde, auch die Zahl der Geschwornen eine Vermehrung erleiden und so statt einer Er¬ leichterung nur eine Erschwerung eintreten würde. Aber, wie ich auch schon angedeutet habe, dieser Vorwurf ist mehr scheinbar als wirklich zutreffend. Nicht darin liegt die Belästigung, auf der Liste der Geschwornen zu stehen, sondern öfter und auf längere zur Verhandlung Zeit zugezogen zu werden. Würden nun bei der hier vorgeschlagenen Einrichtung die fchwurgerichtlicheu Straffälle auf die ein¬ zelnen Landgerichte und detachirten Strafkammern verteilt, so würden die Ge¬ schwornen der einzelnen Bezirke um soviel weniger einberufen, stets nnr auf einen Tag, und da sie dann nur auf eine kurze Entfernung zu reisen brauchen, so wäre es für sie mit keiner erheblichen Belästigung verbunden, einigemale im Jahre den Schwurgerichtssitz zu besuche«, der doch mehr oder weniger der geschäftliche Mittelpunkt der Umgegend sein würde. Schlosse man so die Schwurgerichte an die ständigen Gerichte an, so würde es sich empfehlen, dies entsprechend der preußischen Strafprozeßordnung vom 25. Juni 1867 auch für die Schöffen zu thun, sodaß nicht mehr wie nach der Reichsstrafprozeßordnnng die Schöffengerichte neben den Amtsgerichten stünden, *) In diesen Paragraphen ist die Zuständigkeit der Strafkammern ohne Zuziehung von Geschwornen festgestellt. Grenzboten VI. 1885. 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/97>, abgerufen am 15.01.2025.