Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Gladstone redivivus. wie er sagt, in Betreff derjenigen Befugnisse zur Selbstregierung, welche das Volk Gladstone redivivus. wie er sagt, in Betreff derjenigen Befugnisse zur Selbstregierung, welche das Volk <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196803"/> <fw type="header" place="top"> Gladstone redivivus.</fw><lb/> <p xml:id="ID_165" prev="#ID_164" next="#ID_166"> wie er sagt, in Betreff derjenigen Befugnisse zur Selbstregierung, welche das Volk<lb/> im Denken und Handeln mit dem Gesetze verbinden und die Wurzeln der politischen<lb/> Natioualitüt, der Harmonie der Klassen und der Ncitivncilkraft bilden, hinter Eng¬<lb/> land und Schottland sehr zurückgeblieben, und das ist ein umso bedauerlicherer<lb/> Übelstand, als die Umstände und die geographische Lage Irlands ihm als einem<lb/> Teile des Reiches besondre Ansprüche auf eine liberale Interpretation und An¬<lb/> wendung der Grundsätze zu verleihen scheinen, welche das Volk Großbritanniens<lb/> allezeit so wertgehalten hat." Das ist ziemlich vorsichtig gesprochen, und mau kann<lb/> nicht behaupte», daß die irischen Nationale» darauf die Hoffnung gründen<lb/> dürfen, ein zukünftiges Ministerium Gladstone werde ihren Wünschen willfahre,:.<lb/> „Nach meiner Ansicht, erklärt er, die hier nicht zum erstenmale ausgesprochen<lb/> wird, ist die Grenze deutlich gegeben, innerhalb welcher irische Begehren, die<lb/> verfassungsmäßig festgestellt sind, die Beistimmung des Parlaments empfange!,<lb/> und über welche hinaus sie dieselbe nicht empfangen könne». Die erste Pflicht<lb/> jedes Volksvertreters ist, die Suprematie der Krone, die Einheit des Reiches<lb/> und alle die Befugnisse des Parlaments, die zur Erhaltung dieser Einheit not¬<lb/> wendig sind, zu wahren. Jede Gewährung von erweiterter Macht zur Verwal¬<lb/> tung der eignen Angelegenheiten, die einem der Glieder des Landes zuteil wird,<lb/> ist, wenn sie unter diesem leitenden Grundsatze erfolgt, nach meiner Anschauung<lb/> keine Quelle vou Gefahr, sondern ein Mittel, solche abzuwenden, und trägt das<lb/> Wesen einer neuen Bürgschaft für verstärkten Zusammenhalt, gesteigerte Zu¬<lb/> friedenheit und erhöhte Kraft an sich." Man darf hiernach annehmen, daß alle<lb/> künftigen Zusagen, die den Jsländern Vonseiten der Liberalen gemacht werden<lb/> sollten, sich innerhalb der Grenzen dieses „leitenden Grundsatzes" halten, also<lb/> den separatistischen Bestrebungen Parnells und seiner Parteigenossen nicht ent¬<lb/> sprechen werden. Gladstones Äußerungen sind diesen gegenüber ein ganz ent-<lb/> schiednes Rom xossumri!?. Allerdings durste man nach gewissen Kundgebungen<lb/> des radikalen Flügels der Partei Gladstones meinen, daß derselbe die Ansprüche<lb/> ^ der Homernler mit gleicher Entschiedenheit ablehne, aber mit voller Zuversicht<lb/> konnte man doch auf die Zustimmung des vorgeschrittnen Teiles der Partei zu<lb/> diesem N'on xossnirms nicht eher rechnen, als bis der oberste Führer es mit<lb/> solcher Deutlichkeit, die jedes Mißverständnis ausschließt, ausgesprochen hatte.<lb/> An einer andern Stelle seines Manifestes, wo er von „der Lage und dem Bau<lb/> der liberalen Partei" handelt, verweilt er mit Beifall und Wohlgefallen bei<lb/> dem Versuche des Liberalismus, „die Freiheit individuellen Denkens und Han¬<lb/> delns mit vereinter, staatlicher Wirksamkeit (oorxorg-es sWoic-no^) zu vereinigen."<lb/> Es giebt aber einen Punkt, wo jene Freiheit des individuellen Denkens und<lb/> Handelns sich nicht nur mit der Wirksamkeit des Staates, sondern auch mit<lb/> der nationalen Einheit nicht in Einklang bringen läßt, und es fragt sich da,<lb/> ob alle Mitglieder der liberalen Partei diesen Punkt in der irischen Frage in<lb/> allen ihren Entwicklungsphaseu immer genau erkennen und ob nicht der radi-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
Gladstone redivivus.
wie er sagt, in Betreff derjenigen Befugnisse zur Selbstregierung, welche das Volk
im Denken und Handeln mit dem Gesetze verbinden und die Wurzeln der politischen
Natioualitüt, der Harmonie der Klassen und der Ncitivncilkraft bilden, hinter Eng¬
land und Schottland sehr zurückgeblieben, und das ist ein umso bedauerlicherer
Übelstand, als die Umstände und die geographische Lage Irlands ihm als einem
Teile des Reiches besondre Ansprüche auf eine liberale Interpretation und An¬
wendung der Grundsätze zu verleihen scheinen, welche das Volk Großbritanniens
allezeit so wertgehalten hat." Das ist ziemlich vorsichtig gesprochen, und mau kann
nicht behaupte», daß die irischen Nationale» darauf die Hoffnung gründen
dürfen, ein zukünftiges Ministerium Gladstone werde ihren Wünschen willfahre,:.
„Nach meiner Ansicht, erklärt er, die hier nicht zum erstenmale ausgesprochen
wird, ist die Grenze deutlich gegeben, innerhalb welcher irische Begehren, die
verfassungsmäßig festgestellt sind, die Beistimmung des Parlaments empfange!,
und über welche hinaus sie dieselbe nicht empfangen könne». Die erste Pflicht
jedes Volksvertreters ist, die Suprematie der Krone, die Einheit des Reiches
und alle die Befugnisse des Parlaments, die zur Erhaltung dieser Einheit not¬
wendig sind, zu wahren. Jede Gewährung von erweiterter Macht zur Verwal¬
tung der eignen Angelegenheiten, die einem der Glieder des Landes zuteil wird,
ist, wenn sie unter diesem leitenden Grundsatze erfolgt, nach meiner Anschauung
keine Quelle vou Gefahr, sondern ein Mittel, solche abzuwenden, und trägt das
Wesen einer neuen Bürgschaft für verstärkten Zusammenhalt, gesteigerte Zu¬
friedenheit und erhöhte Kraft an sich." Man darf hiernach annehmen, daß alle
künftigen Zusagen, die den Jsländern Vonseiten der Liberalen gemacht werden
sollten, sich innerhalb der Grenzen dieses „leitenden Grundsatzes" halten, also
den separatistischen Bestrebungen Parnells und seiner Parteigenossen nicht ent¬
sprechen werden. Gladstones Äußerungen sind diesen gegenüber ein ganz ent-
schiednes Rom xossumri!?. Allerdings durste man nach gewissen Kundgebungen
des radikalen Flügels der Partei Gladstones meinen, daß derselbe die Ansprüche
^ der Homernler mit gleicher Entschiedenheit ablehne, aber mit voller Zuversicht
konnte man doch auf die Zustimmung des vorgeschrittnen Teiles der Partei zu
diesem N'on xossnirms nicht eher rechnen, als bis der oberste Führer es mit
solcher Deutlichkeit, die jedes Mißverständnis ausschließt, ausgesprochen hatte.
An einer andern Stelle seines Manifestes, wo er von „der Lage und dem Bau
der liberalen Partei" handelt, verweilt er mit Beifall und Wohlgefallen bei
dem Versuche des Liberalismus, „die Freiheit individuellen Denkens und Han¬
delns mit vereinter, staatlicher Wirksamkeit (oorxorg-es sWoic-no^) zu vereinigen."
Es giebt aber einen Punkt, wo jene Freiheit des individuellen Denkens und
Handelns sich nicht nur mit der Wirksamkeit des Staates, sondern auch mit
der nationalen Einheit nicht in Einklang bringen läßt, und es fragt sich da,
ob alle Mitglieder der liberalen Partei diesen Punkt in der irischen Frage in
allen ihren Entwicklungsphaseu immer genau erkennen und ob nicht der radi-
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