Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Gladstone redivivus. wirkliche werden. Schön und vortrefflich: auf die Erfüllung von Versprechungen In allen diesen Fragen tritt das Manifest ungefähr so unsicher auf wie Gladstone redivivus. wirkliche werden. Schön und vortrefflich: auf die Erfüllung von Versprechungen In allen diesen Fragen tritt das Manifest ungefähr so unsicher auf wie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0068" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196802"/> <fw type="header" place="top"> Gladstone redivivus.</fw><lb/> <p xml:id="ID_163" prev="#ID_162"> wirkliche werden. Schön und vortrefflich: auf die Erfüllung von Versprechungen<lb/> hinarbeiten, ist lobenswert, aber wenn man zu diesem Zwecke Maßregeln er¬<lb/> greift, welche geeignet sind, einem alte Verbündete zu entfremden, deren Übel¬<lb/> wollen ernstlich schaden muß, so ist das kaum etwas, dessen man sich rühmen<lb/> und wozu man sich Gluck wünschen kann. Ebenfalls sehr bestreitbar ist das Mani¬<lb/> fest in dem, was es über die Früchte der englischen Politik in Afghanistan be¬<lb/> merkt. Er will demselben seine Einheit und Unabhängigkeit wiedergegeben haben,<lb/> aber seltsamerweise unterläßt er es, den Rückzug von Kandahar ausdrücklich zu<lb/> erwähnen. Er meint, seine Regierung sei damals „imstande gewesen, vierzig<lb/> von den sechzig tausend Mann, welche das Land vktupirt gehalten, für die legi¬<lb/> timen militärischen Zwecke der indischen Verwaltung verwendbar zu machen."<lb/> Aber — so können die Gegner antworten — hätte die Okkupation einer starken<lb/> Stellung wie die in Kandahar nicht fortgesetzt werden können, ohne die Einheit<lb/> und Unabhängigkeit Afghanistans zu gefährden, und gehörte sie, vom englischen<lb/> Standpunkte aus beurteilt, nicht in erster Reihe zu den legitimen militärischen<lb/> Zwecken der indischen Verwaltung? „Wie verschieden und wie viel furchtbarer<lb/> würden, so fährt er fort, die Hindernisse auf unserm Wege bei unsrer spätern<lb/> Kontroverse mit der Petersburger Regierung gewesen sein, wenn wir durch<lb/> Fortsetzung von Gewaltthätigkeit und Ungerechtigkeit jenes tapfere Volk den<lb/> Russen in die Arme getrieben hätten!" Aber, so ist zu erwiedern, wie viel<lb/> weniger furchtbar würde wahrscheinlich die Haltung der Russen selbst gewesen<lb/> sein, wenn England nicht durch eine schwachmütige Rückzugspolitik seine Gegner<lb/> zum Vorrücken nach Merw und zuletzt uach dem Margab und Herirud einge¬<lb/> laden hätte! In Betreff Ägyptens ist das Manifest fast nur eine Apologie.<lb/> Gladstone hält zwar die Notwendigkeit seiner Intervention zur Wiederherstellung<lb/> der Autorität des Chedive aufrecht, giebt aber zu, daß man schwere Irrtümer<lb/> im Sudan begangen habe. Indes ist zu bezweifeln, daß er begriffen hat, was<lb/> sein schwerster Irrtum und Mißgriff in Ägypten war, nämlich sein Säumen<lb/> mit der Verständigung mit der Pforte und — andern Leuten, und wir glauben<lb/> nicht, daß seine Landsleute gleicher Meinung mit ihm sein werden, wenn er die<lb/> Zwecke definirt, welche bei einer verlängerten Okkupation Ägyptens die einzigen<lb/> sein sollen, und wenn er das Recht Englands auf Entschädigung für die dort<lb/> gebrachten Opfer in Abrede stellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_164" next="#ID_165"> In allen diesen Fragen tritt das Manifest ungefähr so unsicher auf wie<lb/> früher die Politik seines Urhebers. Nicht so dagegen in der irischen Frage.<lb/> Nach einigen Sätzen etwas gewagter Begeisterung über die Ausdehnung des<lb/> Wahlrechts auf der Nachbarinsel und die Folgen und Schlußresultate dieser<lb/> Begeisterung fährt der Führer der liberalen Partei fort, indem er sich zu gunsten<lb/> jener Maßregel der administrativen Reform erklärt, welche beide politische Par¬<lb/> teien jetzt den Jrländern als Surrogat für die von den Homerulern geforderte<lb/> Selbstregierung zu gewähren gewillt sind. „Bis auf diese Stunde ist Irland,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
Gladstone redivivus.
wirkliche werden. Schön und vortrefflich: auf die Erfüllung von Versprechungen
hinarbeiten, ist lobenswert, aber wenn man zu diesem Zwecke Maßregeln er¬
greift, welche geeignet sind, einem alte Verbündete zu entfremden, deren Übel¬
wollen ernstlich schaden muß, so ist das kaum etwas, dessen man sich rühmen
und wozu man sich Gluck wünschen kann. Ebenfalls sehr bestreitbar ist das Mani¬
fest in dem, was es über die Früchte der englischen Politik in Afghanistan be¬
merkt. Er will demselben seine Einheit und Unabhängigkeit wiedergegeben haben,
aber seltsamerweise unterläßt er es, den Rückzug von Kandahar ausdrücklich zu
erwähnen. Er meint, seine Regierung sei damals „imstande gewesen, vierzig
von den sechzig tausend Mann, welche das Land vktupirt gehalten, für die legi¬
timen militärischen Zwecke der indischen Verwaltung verwendbar zu machen."
Aber — so können die Gegner antworten — hätte die Okkupation einer starken
Stellung wie die in Kandahar nicht fortgesetzt werden können, ohne die Einheit
und Unabhängigkeit Afghanistans zu gefährden, und gehörte sie, vom englischen
Standpunkte aus beurteilt, nicht in erster Reihe zu den legitimen militärischen
Zwecken der indischen Verwaltung? „Wie verschieden und wie viel furchtbarer
würden, so fährt er fort, die Hindernisse auf unserm Wege bei unsrer spätern
Kontroverse mit der Petersburger Regierung gewesen sein, wenn wir durch
Fortsetzung von Gewaltthätigkeit und Ungerechtigkeit jenes tapfere Volk den
Russen in die Arme getrieben hätten!" Aber, so ist zu erwiedern, wie viel
weniger furchtbar würde wahrscheinlich die Haltung der Russen selbst gewesen
sein, wenn England nicht durch eine schwachmütige Rückzugspolitik seine Gegner
zum Vorrücken nach Merw und zuletzt uach dem Margab und Herirud einge¬
laden hätte! In Betreff Ägyptens ist das Manifest fast nur eine Apologie.
Gladstone hält zwar die Notwendigkeit seiner Intervention zur Wiederherstellung
der Autorität des Chedive aufrecht, giebt aber zu, daß man schwere Irrtümer
im Sudan begangen habe. Indes ist zu bezweifeln, daß er begriffen hat, was
sein schwerster Irrtum und Mißgriff in Ägypten war, nämlich sein Säumen
mit der Verständigung mit der Pforte und — andern Leuten, und wir glauben
nicht, daß seine Landsleute gleicher Meinung mit ihm sein werden, wenn er die
Zwecke definirt, welche bei einer verlängerten Okkupation Ägyptens die einzigen
sein sollen, und wenn er das Recht Englands auf Entschädigung für die dort
gebrachten Opfer in Abrede stellt.
In allen diesen Fragen tritt das Manifest ungefähr so unsicher auf wie
früher die Politik seines Urhebers. Nicht so dagegen in der irischen Frage.
Nach einigen Sätzen etwas gewagter Begeisterung über die Ausdehnung des
Wahlrechts auf der Nachbarinsel und die Folgen und Schlußresultate dieser
Begeisterung fährt der Führer der liberalen Partei fort, indem er sich zu gunsten
jener Maßregel der administrativen Reform erklärt, welche beide politische Par¬
teien jetzt den Jrländern als Surrogat für die von den Homerulern geforderte
Selbstregierung zu gewähren gewillt sind. „Bis auf diese Stunde ist Irland,
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