Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Gladstono redivivus. Liberalen würden den Hauptexponenten ihrer Handlungen und Absichten nicht Die lange Liste von Gegenständen, mit welcher die Ansprache an die Wähler Gladstono redivivus. Liberalen würden den Hauptexponenten ihrer Handlungen und Absichten nicht Die lange Liste von Gegenständen, mit welcher die Ansprache an die Wähler <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196800"/> <fw type="header" place="top"> Gladstono redivivus.</fw><lb/> <p xml:id="ID_159" prev="#ID_158"> Liberalen würden den Hauptexponenten ihrer Handlungen und Absichten nicht<lb/> zur Stelle gehabt haben, und die Gegenpartei hätte den wichtigsten Angeklagten<lb/> in der Sache, die sie der Nation zur Entscheidung vorlegt, nicht vor sich ge¬<lb/> sehen. Denn Gladstone selbst verbirgt sich nicht, daß er und seine Amtsgenossen<lb/> als Beschuldigte, die sich zu verteidigen haben, vor die Wählerschaften zitirt<lb/> sind, und daß die Hauptfrage bei der Abstimmung die sein wird, ob die von<lb/> den Liberalen befolgte Politik und die Grundsätze, die ihr den Weg wiesen,<lb/> richtig oder irrtümlich waren. An einer Stelle seiner sehr vorsichtig und ma߬<lb/> voll gehaltenen Ansprache gesteht er unumwunden ein, daß er „Irrtümer und<lb/> zwar ernste Irrtümer begangen habe, die dem Lande viel Geld und kostbare<lb/> Leben gekostet haben." Und gleich nachher fügt er hinzu: „Unsre Verant¬<lb/> wortlichkeit dafür kann nicht in Frage gestellt werden," womit er doch wohl<lb/> die Behauptung abweist, daß seiue Verwaltung der Staatsangelegenheiten ohne<lb/> Flecken und Tadel gewesen sei. Gladstone mag mit seinen Schritten und Ma߬<lb/> regeln Gutes beabsichtigt haben, aber das entlastet den Staatsmann nicht, er<lb/> muß wissen, was in jedem einzelnen Falle wirtlich gut, zweckmäßig und vor¬<lb/> teilhaft ist, und wenn unter dem Regimente der Liberalen Mißgriffe begangen<lb/> worden sind, wenn ihm nachgewiesen werden kann, daß er die Interessen des<lb/> Reiches geschädigt und dessen Einfluß vermindert hat, so muß er an der Spitze<lb/> seiner Kollegen und Anhänger dafür Rede stehen. Sodann aber werden die<lb/> Wähler über deu Wert der Grundsätze zu entscheiden berufen sein, nach denen<lb/> die eine oder die andre der beiden Parteien künftig regieren wird. Dabei ist<lb/> aber zu beachten, daß die heutigen Konservativen durchaus nicht mehr die alten<lb/> Tories sind, gegen welche Bright und andre noch immer unnütz donnern, und<lb/> daß man anderseits die Liberalen nicht als ein Ganzes betrachten darf, sondern<lb/> deren neuen und sehr rührigen radikalen Flügel in Rechnung bringen muß,<lb/> der die Whigs zu benutzen gedenkt, während er ihre Schüchternheit und<lb/> Mäßigung verachtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_160" next="#ID_161"> Die lange Liste von Gegenständen, mit welcher die Ansprache an die Wähler<lb/> von Midlothia» sich beschäftigt, zerfällt fast naturgemäß in drei Abschnitte: Glad¬<lb/> stone behandelt die innere Gesetzgebung, die auswärtige Politik und verschleime Fra¬<lb/> gen, die Irland betreffen. Die innern Fragen, die er be, ührt und in betreff deren er<lb/> Reformen andeutet, beziehen sich besonders ans den Geschäftsgang im Unterhause,<lb/> auf die Londoner Regierung und die örtliche Negierung überhaupt, auf unentgelt¬<lb/> lichen Unterricht in den Elementarschulen, auf die Verteilung der Steuern, auf den<lb/> Grundbesitz, auf das Verhältnis der Kirche zum Staat und auf das Oberhaus.<lb/> Hiervon interessirt uns nur der Abschnitt des Manifestes, der es mit dem<lb/> letzteren zu thun hat. Es heißt da etwas unklar: „Was etwaige Änderungen<lb/> im Oberhause betrifft, so ist bei weitem die beste Bürgschaft einer richtigen Be¬<lb/> handlung dieses wichtigen Gegenstandes eine solche, die nur von diesem Hause<lb/> selbst in der Mäßigung und Weisheit seiner zukünftigen Haltung ausgehen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
Gladstono redivivus.
Liberalen würden den Hauptexponenten ihrer Handlungen und Absichten nicht
zur Stelle gehabt haben, und die Gegenpartei hätte den wichtigsten Angeklagten
in der Sache, die sie der Nation zur Entscheidung vorlegt, nicht vor sich ge¬
sehen. Denn Gladstone selbst verbirgt sich nicht, daß er und seine Amtsgenossen
als Beschuldigte, die sich zu verteidigen haben, vor die Wählerschaften zitirt
sind, und daß die Hauptfrage bei der Abstimmung die sein wird, ob die von
den Liberalen befolgte Politik und die Grundsätze, die ihr den Weg wiesen,
richtig oder irrtümlich waren. An einer Stelle seiner sehr vorsichtig und ma߬
voll gehaltenen Ansprache gesteht er unumwunden ein, daß er „Irrtümer und
zwar ernste Irrtümer begangen habe, die dem Lande viel Geld und kostbare
Leben gekostet haben." Und gleich nachher fügt er hinzu: „Unsre Verant¬
wortlichkeit dafür kann nicht in Frage gestellt werden," womit er doch wohl
die Behauptung abweist, daß seiue Verwaltung der Staatsangelegenheiten ohne
Flecken und Tadel gewesen sei. Gladstone mag mit seinen Schritten und Ma߬
regeln Gutes beabsichtigt haben, aber das entlastet den Staatsmann nicht, er
muß wissen, was in jedem einzelnen Falle wirtlich gut, zweckmäßig und vor¬
teilhaft ist, und wenn unter dem Regimente der Liberalen Mißgriffe begangen
worden sind, wenn ihm nachgewiesen werden kann, daß er die Interessen des
Reiches geschädigt und dessen Einfluß vermindert hat, so muß er an der Spitze
seiner Kollegen und Anhänger dafür Rede stehen. Sodann aber werden die
Wähler über deu Wert der Grundsätze zu entscheiden berufen sein, nach denen
die eine oder die andre der beiden Parteien künftig regieren wird. Dabei ist
aber zu beachten, daß die heutigen Konservativen durchaus nicht mehr die alten
Tories sind, gegen welche Bright und andre noch immer unnütz donnern, und
daß man anderseits die Liberalen nicht als ein Ganzes betrachten darf, sondern
deren neuen und sehr rührigen radikalen Flügel in Rechnung bringen muß,
der die Whigs zu benutzen gedenkt, während er ihre Schüchternheit und
Mäßigung verachtet.
Die lange Liste von Gegenständen, mit welcher die Ansprache an die Wähler
von Midlothia» sich beschäftigt, zerfällt fast naturgemäß in drei Abschnitte: Glad¬
stone behandelt die innere Gesetzgebung, die auswärtige Politik und verschleime Fra¬
gen, die Irland betreffen. Die innern Fragen, die er be, ührt und in betreff deren er
Reformen andeutet, beziehen sich besonders ans den Geschäftsgang im Unterhause,
auf die Londoner Regierung und die örtliche Negierung überhaupt, auf unentgelt¬
lichen Unterricht in den Elementarschulen, auf die Verteilung der Steuern, auf den
Grundbesitz, auf das Verhältnis der Kirche zum Staat und auf das Oberhaus.
Hiervon interessirt uns nur der Abschnitt des Manifestes, der es mit dem
letzteren zu thun hat. Es heißt da etwas unklar: „Was etwaige Änderungen
im Oberhause betrifft, so ist bei weitem die beste Bürgschaft einer richtigen Be¬
handlung dieses wichtigen Gegenstandes eine solche, die nur von diesem Hause
selbst in der Mäßigung und Weisheit seiner zukünftigen Haltung ausgehen
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