Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.noch bösartig aus, und werden daher hoffentlich uieinen Darlegungen Recht geben. Aber warum nimmt unsre Presse sich solcher Mißstände nicht an? Ja, das noch bösartig aus, und werden daher hoffentlich uieinen Darlegungen Recht geben. Aber warum nimmt unsre Presse sich solcher Mißstände nicht an? Ja, das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0655" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197389"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2228" prev="#ID_2227"> noch bösartig aus, und werden daher hoffentlich uieinen Darlegungen Recht geben.<lb/> Diese Straße ist doch nicht bloß für Schulkinder, sondern auch für Erwachsene da,<lb/> und auch unter diesen nicht bloß für solche, die flink und gewandt sind und sich<lb/> an Eude auch über ein tüchtiges Ausrutschen mehr erheitern als ärgern würden,<lb/> sondern auch für Dicke, für schwerfällige oder sonst Unbehilfliche, für Zerstreute<lb/> und nachdenkliche, für Greise, für Kranke und Vresthnfte, ja mich für Krüppel<lb/> aller Art; und alle diese Leute müssen vielleicht ihren Weg zu Fuße zurücklegen,<lb/> können weder fahren noch zu Hause bleiben. Sollen nun zahlreiche alte, schwache<lb/> und kranke Leute in die augenscheinlichste Gefahr kommen, bloß damit Sie und<lb/> Ihre werten Spielkameraden nicht bis dahin zu warten brauchen, wo eine<lb/> niemand belästigende Schleifbahn für Sie offen liegt, und wo jedermann seine<lb/> Freude daran hat, wenn Sie dieselbe recht tüchtig benutzen?" Wir zweifeln gar¬<lb/> nicht daran, daß der Inhalt dieser Rede, vom Lehrer vorgetragen und von der<lb/> ganzen erwachsenen Welt zur Grundlage ihrer Anschauungen gemacht, sich auch für<lb/> die Jugend wirksam erweisen würde; wollte aber ein Einzelner sie vortragen, so<lb/> würde er natürlich ausgelacht werden, und zwar weniger von der Jugend als von<lb/> deren lieben Eltern. Es ist ja so bequem, den ,,armen Kindern" ans Allerwelts<lb/> Unkosten ein rechtes Vergnügen zu machen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2229"> Aber warum nimmt unsre Presse sich solcher Mißstände nicht an? Ja, das<lb/> ist ein Punkt für sich, dem wir nun zum Schlüsse noch eine kleine Betrachtung<lb/> widmen »vollen. Mau könnte sich von den Prätensionen, welche die Presse hin¬<lb/> sichtlich unsers Politischen öffentlichen Lebens erhebt, manches gefallen lassen — wenn<lb/> nur die Presse ihre Obliegenheiten, wenigstens die lokalen Vorgänge und Interessen<lb/> so wiederzuspiegcln, wie es den öffentlichen Interessen entspricht, wirklich erfüllte.<lb/> Aber thut sie das? Es findet eine Ausstellung statt, welche nach allgemeinem<lb/> Urteil als ebenso unmotivirt wie mißlungen bezeichnet werden muß; teilt die lokale<lb/> Presse dieses öffentliche Urteil mit? Es werden Verloosungen veranstaltet, die ge¬<lb/> radezu den allgemeinen Unwillen erregen durch die Art, wie das lvosekaufende<lb/> Publikum hinsichtlich der Gewinne begauuert wird; bringt die lokale Presse dies<lb/> zur Sprache? Es wird ein neues „Etablissement" eröffnet, von dem man im voraus<lb/> weiß, daß seine bleibende Existenz garnicht möglich ist, und daß es nur irgend-<lb/> einer Banspeknlation oder ähnlichem sein Entstehen verdankt; erfährt dies jemand<lb/> aus der lokalen Presse? Es besteht (hier knüpfen wir an das vorhin Besprochene<lb/> an) irgendein grober lokaler Mißstand, von dem es jedermann bekannt ist, daß<lb/> er mit irgendeinem Privatinteresse oder mit einer herkömmlichen Abneigung der<lb/> Polizei, sich in diese Sache zu mischen, zusammenhängt; wird in diesem Falle<lb/> jemals die lokale Presse den Mißstand energisch aufdecken? Ja, auch dieser Puukt<lb/> gehört zu den städtischen, und zwar nicht nur klein-, sondern anch großstädtischen<lb/> Unarten. Die Presse sieht sich, aller großen Redensarten ungeachtet, viel weniger<lb/> als Repräsentantin der allgemeinem lokalen Angelegenheiten an, wie sie dies sollte,<lb/> sondern sie ist auch in dieser Hinsicht teils Partcigenofse, teils Privatunternehmer.<lb/> Was der und jeuer einheimische oder auswärtige Staatsmann oder Parlamentarier<lb/> gesagt oder geschrieben hat, das erfahren die Leser, und wofür die Redaktion sich<lb/> lebhaft interessirt (z. B. das Theater), dem werden ungezählte Spalten gewidmet;<lb/> aber dasjenige, was ein jeder berechtigt wäre in der lokalen Presse zu suchen, das<lb/> findet er nur zum geringsten Teile und in gefärbter Beleuchtung. Und dies ist<lb/> ein Mißbrauch, gegen deu im öffentlichen Juteresse nicht minder angekämpft werden<lb/> sollte, wie gegen die Unarten aus der Straße, das Abschiednehmen auf deu Bahn¬<lb/> höfen und das Straßenschnsseln der Kinder.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0655]
noch bösartig aus, und werden daher hoffentlich uieinen Darlegungen Recht geben.
Diese Straße ist doch nicht bloß für Schulkinder, sondern auch für Erwachsene da,
und auch unter diesen nicht bloß für solche, die flink und gewandt sind und sich
an Eude auch über ein tüchtiges Ausrutschen mehr erheitern als ärgern würden,
sondern auch für Dicke, für schwerfällige oder sonst Unbehilfliche, für Zerstreute
und nachdenkliche, für Greise, für Kranke und Vresthnfte, ja mich für Krüppel
aller Art; und alle diese Leute müssen vielleicht ihren Weg zu Fuße zurücklegen,
können weder fahren noch zu Hause bleiben. Sollen nun zahlreiche alte, schwache
und kranke Leute in die augenscheinlichste Gefahr kommen, bloß damit Sie und
Ihre werten Spielkameraden nicht bis dahin zu warten brauchen, wo eine
niemand belästigende Schleifbahn für Sie offen liegt, und wo jedermann seine
Freude daran hat, wenn Sie dieselbe recht tüchtig benutzen?" Wir zweifeln gar¬
nicht daran, daß der Inhalt dieser Rede, vom Lehrer vorgetragen und von der
ganzen erwachsenen Welt zur Grundlage ihrer Anschauungen gemacht, sich auch für
die Jugend wirksam erweisen würde; wollte aber ein Einzelner sie vortragen, so
würde er natürlich ausgelacht werden, und zwar weniger von der Jugend als von
deren lieben Eltern. Es ist ja so bequem, den ,,armen Kindern" ans Allerwelts
Unkosten ein rechtes Vergnügen zu machen!
Aber warum nimmt unsre Presse sich solcher Mißstände nicht an? Ja, das
ist ein Punkt für sich, dem wir nun zum Schlüsse noch eine kleine Betrachtung
widmen »vollen. Mau könnte sich von den Prätensionen, welche die Presse hin¬
sichtlich unsers Politischen öffentlichen Lebens erhebt, manches gefallen lassen — wenn
nur die Presse ihre Obliegenheiten, wenigstens die lokalen Vorgänge und Interessen
so wiederzuspiegcln, wie es den öffentlichen Interessen entspricht, wirklich erfüllte.
Aber thut sie das? Es findet eine Ausstellung statt, welche nach allgemeinem
Urteil als ebenso unmotivirt wie mißlungen bezeichnet werden muß; teilt die lokale
Presse dieses öffentliche Urteil mit? Es werden Verloosungen veranstaltet, die ge¬
radezu den allgemeinen Unwillen erregen durch die Art, wie das lvosekaufende
Publikum hinsichtlich der Gewinne begauuert wird; bringt die lokale Presse dies
zur Sprache? Es wird ein neues „Etablissement" eröffnet, von dem man im voraus
weiß, daß seine bleibende Existenz garnicht möglich ist, und daß es nur irgend-
einer Banspeknlation oder ähnlichem sein Entstehen verdankt; erfährt dies jemand
aus der lokalen Presse? Es besteht (hier knüpfen wir an das vorhin Besprochene
an) irgendein grober lokaler Mißstand, von dem es jedermann bekannt ist, daß
er mit irgendeinem Privatinteresse oder mit einer herkömmlichen Abneigung der
Polizei, sich in diese Sache zu mischen, zusammenhängt; wird in diesem Falle
jemals die lokale Presse den Mißstand energisch aufdecken? Ja, auch dieser Puukt
gehört zu den städtischen, und zwar nicht nur klein-, sondern anch großstädtischen
Unarten. Die Presse sieht sich, aller großen Redensarten ungeachtet, viel weniger
als Repräsentantin der allgemeinem lokalen Angelegenheiten an, wie sie dies sollte,
sondern sie ist auch in dieser Hinsicht teils Partcigenofse, teils Privatunternehmer.
Was der und jeuer einheimische oder auswärtige Staatsmann oder Parlamentarier
gesagt oder geschrieben hat, das erfahren die Leser, und wofür die Redaktion sich
lebhaft interessirt (z. B. das Theater), dem werden ungezählte Spalten gewidmet;
aber dasjenige, was ein jeder berechtigt wäre in der lokalen Presse zu suchen, das
findet er nur zum geringsten Teile und in gefärbter Beleuchtung. Und dies ist
ein Mißbrauch, gegen deu im öffentlichen Juteresse nicht minder angekämpft werden
sollte, wie gegen die Unarten aus der Straße, das Abschiednehmen auf deu Bahn¬
höfen und das Straßenschnsseln der Kinder.
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