Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Heidelberger Erinnerungen. Katechismus, Friedrich der Fünfte und Elisabeth Stuart, das unglückliche Winter¬ , Grenzboten IV. 188S. 80
Heidelberger Erinnerungen. Katechismus, Friedrich der Fünfte und Elisabeth Stuart, das unglückliche Winter¬ , Grenzboten IV. 188S. 80
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Heidelberger Erinnerungen.
Katechismus, Friedrich der Fünfte und Elisabeth Stuart, das unglückliche Winter¬
königspaar. Kurfürst Karl Ludwig mit seiner „Raugräfin" Luise von Degenfeld,
Kurfürst Karl Theodor mit seinem prunkenden Hofe und seinen Jesuiten.
Hier hätten die Erinnerungen noch außerordentlich vervollständigt werden
können; mit Bedauern vermissen wir die ausgeführter« Darstellung der hoch¬
interessanter Zeiten Friedrichs des Dritten (für die sich allerdings Weber auf
den Hcmsrathschen Roman „Klytia" beruft) und die der Tage Friedrichs des
Vierten, in welchen Heidelberg der Sitz der eben emporstrebenden gelehrten deutschen
Dichtung des siebzehnten Jahrhunderts war. Doch ging Webers Absicht ja
vor allein darauf, an die neueren Wandlungen des Heidelberger Lebens, seit der
zweiten Aufrichtung der Universität durch Karl Friedrich von Baden, zu mahnen.
Vom dritten Abschnitte seines trefflichen Buches an schöpfen seine „Erinne¬
rungen" aus dem Vollen, die allgemeinen flüchtigen Umrisse werden zu größern
Skizzen. Schon die Nheinbnndszeit, die Tage, in denen Thibaut, Paulus,
Chr. Fr. Schlosser, I. H. Voß auf der einen, Daub, Creuzer, die jugendlichen
Romantiker auf der andern Seite in Heidelberg wirkten, werden anschaulich
geschildert, von hier an hat der Verfasser vielerlei Traditionelles und Persön¬
liches mitzuteilen, was sich in keinem Buche findet; ist ihm doch (wie es S. 95
seines Buches heißt) „das Glück beschieden worden, über vierzig Jahre von
seinem Haus und Garten auf dem rechten Neckarufer aus die schöne Landschaft
zu überblicken und seine Augen über Schloß und bewaldete Berghöhen, über
Fluß und Stadt schweifen zu lassen." Über ein halbes Jahrhundert hat der
Verfasser der verbreitetsten „Weltgeschichte" und der in Rede stehenden Blätter
sich der persönlichen Bekanntschaft, des persönlichen Umganges jener Koryphäen
der Wissenschaft erfreut, die sich in Heidelberg sammelten, und so wohnt seinen
Skizzen etwas von der Lebendigkeit und dem Zauber guter Memoireuschrift-
fteller inne, er hat Schlosser und Friedrich Creuzer noch wohl gekannt, und je
weiter er vorschreibt, werden seine „Erinnerungen" immer anziehender, an¬
mutender, die Gestalten runden sich. Nacheinander werden uns Schlosser,
Mittermaier, Rau, der Nationalökonom, Karl Salomon Zachariü, der Cyniker
und Harpagon, Maximilian Josef Chelius, der Chirurg, Leopold Gmelin, der
Chemiker, K. L. von Leonhard, der Mineralog, Karl Alexander von Rcichlin-
Meldegg, der Philosoph, G. Gervinus, der Literarhistoriker, neu vorgestellt.
Namentlich der letztere, mit dem Weber im engsten Verkehr gestanden, erfreut
sich einer sehr liebevollen, eingehenden Charakteristik, die Pietät, mit welcher
der Verfasser des Freundes gedenkt, wirkt durchaus wohlthuend. Da Weber
die ganze Heidelberger Zeit von Gervinus, von dem Einzuge des Gefeierten in das
Haus zum Steinbruch, von der Gründung der „Deutschen Zeitung" bis zum
Tode des in seinen alten Tagen verbitterten und isolirten, mit durchlebt hat,
so ist unwillkürlich der Gervinus gewidmete Abschnitt der „Erinnerungen" nicht
nur einer der besten, sondern auch einer der ausführlichsten geworden. An
, Grenzboten IV. 188S. 80
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