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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Wallensteins Verrat,

eben dieses Inhalts. >) Dann erstattet Naschin an Graf Thurm Bericht an
Gustav Adolf über Äußerungen Wallensteins, 2) die auf dasselbe hindeuten (etwa
vom Juli), und über jene Unterredung im November giebt der schwedische
Resident in Dresden, Laurenz Nikolaus Tungel, in einer Relation vom 30. De¬
zember genauen Aufschluß, wobei er namentlich hervorhebt, Wallenstein habe
den König seiner unveränderten Devotion versichert.^)

Wie Naschin dann weiter berichtet, wollte Gustav Adolf nach der Schlacht
bei Nürnberg (August 1632) nochmals mit Wallenstein dnrch einen böhmischen
Emigranten, den frühern Generalwachtmcister Bubna anknüpfen, indem er ihm
die böhmische Krone anbieten ließ. Doch lehnte Bubna den Auftrag ab, obwohl
er ein geschworner Gegner der Habsburger und für die Selbständigkeit Böhmens
begeistert war. Ju der That hat um diese Zeit Thurm dem König von Rothen-
burg a. T. aus diesen Schritt empfohlen. ^) Wieder aufgenommen wurden indes
die alten Pläne erst nach Gustav Adolfs Tode. Von Wallenstein in Prag
Ende April 1633 ausführlich instruirt, und zwar im Beisein des Generals
Holle, ging Naschin zunächst nach Liegnitz zu Thurm, von dem er wieder nach
Gitschin zu Wallenstein kam, und reiste dann mit Bnbna wieder zu Thurn.
Bubua selbst verhandelte darauf in Frankfurt am Main mit Oxenstjerna über
die böhmische Krone, während Wallenstein in Schlesien gemäß der kaiserlichen
Vollmacht mit Arnim und Thurm über den Waffenstillstand, auf eigne Faust
über ganz andre Dinge unterhandelte, von denen indes Naschin wenig erfuhr.
Als nun Bubua Mitte Juni wieder bei Wallenstein eintraf und einen Brief
überbrachte, in dem Oxenstjerna seine Bereitwilligkeit erklärte, erwiederte der
Friedländer, es sei noch nicht an der Zeit. Bubna war über diese Zögerung
sehr verstimmt, und auch Thurn wollte mit der Sache nichts weiter zu thun
haben; TrAa schob die Schuld bezeichnenderweise auf die "Sterngucker." Trotzdem
begannen -- übrigens ohne Naschin -- die Verhandlungen bald wieder, sodaß
Arnim Anfang September selbst zu Oxenstjerna reiste, und Naschin fand
Wallen stein in Schweidnitz ganz erfüllt von seinen alten Plänen. Als nun
Arnim wieder zurückkehrte, mutete ihm Wallenstein plötzlich zu, sich mit ihm
gegen die Schweden zu wenden. Das lehnte dieser zornig als ein "Schelmstück"
ab, und was nun weiter folgte, der verheerende Einfall Holkes in Sachsen,
Wallensteins Sieg bei steinalt (20. Oktober) und sein Einbruch in die Lausitz,
schien jede Brücke abzubrechen.

Eine höchst interessante Bestätigung dieser Angaben bietet vor allem Bubnas
eingehende Relation über die nächtliche Unterredung in Gitschin/') Darnach erklärte
Wallenstein, der Friede müsse ohne den Kaiser, der in der Hand der Pfaffen



-) Giideke, Ur. 2, undatirt. etwa vom Oktober 1631. -- °) Gädeke, Ur. 9. 10. - -) Hilde-
brand, Ur. 4. - Vom 17. September 1632. Hildebrand, Ur. 9. - Hildebrand. Ur. 16.
Vergl. Oxeustjernas Brief an Bnbna 23. Mai/7. Juni 1633, Ur. 16, und Thurms Instruk¬
tion für ihn 11./21. Mai, Ur. 12.
Wallensteins Verrat,

eben dieses Inhalts. >) Dann erstattet Naschin an Graf Thurm Bericht an
Gustav Adolf über Äußerungen Wallensteins, 2) die auf dasselbe hindeuten (etwa
vom Juli), und über jene Unterredung im November giebt der schwedische
Resident in Dresden, Laurenz Nikolaus Tungel, in einer Relation vom 30. De¬
zember genauen Aufschluß, wobei er namentlich hervorhebt, Wallenstein habe
den König seiner unveränderten Devotion versichert.^)

Wie Naschin dann weiter berichtet, wollte Gustav Adolf nach der Schlacht
bei Nürnberg (August 1632) nochmals mit Wallenstein dnrch einen böhmischen
Emigranten, den frühern Generalwachtmcister Bubna anknüpfen, indem er ihm
die böhmische Krone anbieten ließ. Doch lehnte Bubna den Auftrag ab, obwohl
er ein geschworner Gegner der Habsburger und für die Selbständigkeit Böhmens
begeistert war. Ju der That hat um diese Zeit Thurm dem König von Rothen-
burg a. T. aus diesen Schritt empfohlen. ^) Wieder aufgenommen wurden indes
die alten Pläne erst nach Gustav Adolfs Tode. Von Wallenstein in Prag
Ende April 1633 ausführlich instruirt, und zwar im Beisein des Generals
Holle, ging Naschin zunächst nach Liegnitz zu Thurm, von dem er wieder nach
Gitschin zu Wallenstein kam, und reiste dann mit Bnbna wieder zu Thurn.
Bubua selbst verhandelte darauf in Frankfurt am Main mit Oxenstjerna über
die böhmische Krone, während Wallenstein in Schlesien gemäß der kaiserlichen
Vollmacht mit Arnim und Thurm über den Waffenstillstand, auf eigne Faust
über ganz andre Dinge unterhandelte, von denen indes Naschin wenig erfuhr.
Als nun Bubua Mitte Juni wieder bei Wallenstein eintraf und einen Brief
überbrachte, in dem Oxenstjerna seine Bereitwilligkeit erklärte, erwiederte der
Friedländer, es sei noch nicht an der Zeit. Bubna war über diese Zögerung
sehr verstimmt, und auch Thurn wollte mit der Sache nichts weiter zu thun
haben; TrAa schob die Schuld bezeichnenderweise auf die „Sterngucker." Trotzdem
begannen — übrigens ohne Naschin — die Verhandlungen bald wieder, sodaß
Arnim Anfang September selbst zu Oxenstjerna reiste, und Naschin fand
Wallen stein in Schweidnitz ganz erfüllt von seinen alten Plänen. Als nun
Arnim wieder zurückkehrte, mutete ihm Wallenstein plötzlich zu, sich mit ihm
gegen die Schweden zu wenden. Das lehnte dieser zornig als ein „Schelmstück"
ab, und was nun weiter folgte, der verheerende Einfall Holkes in Sachsen,
Wallensteins Sieg bei steinalt (20. Oktober) und sein Einbruch in die Lausitz,
schien jede Brücke abzubrechen.

Eine höchst interessante Bestätigung dieser Angaben bietet vor allem Bubnas
eingehende Relation über die nächtliche Unterredung in Gitschin/') Darnach erklärte
Wallenstein, der Friede müsse ohne den Kaiser, der in der Hand der Pfaffen



-) Giideke, Ur. 2, undatirt. etwa vom Oktober 1631. — °) Gädeke, Ur. 9. 10. - -) Hilde-
brand, Ur. 4. - Vom 17. September 1632. Hildebrand, Ur. 9. - Hildebrand. Ur. 16.
Vergl. Oxeustjernas Brief an Bnbna 23. Mai/7. Juni 1633, Ur. 16, und Thurms Instruk¬
tion für ihn 11./21. Mai, Ur. 12.
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[0637] Wallensteins Verrat, eben dieses Inhalts. >) Dann erstattet Naschin an Graf Thurm Bericht an Gustav Adolf über Äußerungen Wallensteins, 2) die auf dasselbe hindeuten (etwa vom Juli), und über jene Unterredung im November giebt der schwedische Resident in Dresden, Laurenz Nikolaus Tungel, in einer Relation vom 30. De¬ zember genauen Aufschluß, wobei er namentlich hervorhebt, Wallenstein habe den König seiner unveränderten Devotion versichert.^) Wie Naschin dann weiter berichtet, wollte Gustav Adolf nach der Schlacht bei Nürnberg (August 1632) nochmals mit Wallenstein dnrch einen böhmischen Emigranten, den frühern Generalwachtmcister Bubna anknüpfen, indem er ihm die böhmische Krone anbieten ließ. Doch lehnte Bubna den Auftrag ab, obwohl er ein geschworner Gegner der Habsburger und für die Selbständigkeit Böhmens begeistert war. Ju der That hat um diese Zeit Thurm dem König von Rothen- burg a. T. aus diesen Schritt empfohlen. ^) Wieder aufgenommen wurden indes die alten Pläne erst nach Gustav Adolfs Tode. Von Wallenstein in Prag Ende April 1633 ausführlich instruirt, und zwar im Beisein des Generals Holle, ging Naschin zunächst nach Liegnitz zu Thurm, von dem er wieder nach Gitschin zu Wallenstein kam, und reiste dann mit Bnbna wieder zu Thurn. Bubua selbst verhandelte darauf in Frankfurt am Main mit Oxenstjerna über die böhmische Krone, während Wallenstein in Schlesien gemäß der kaiserlichen Vollmacht mit Arnim und Thurm über den Waffenstillstand, auf eigne Faust über ganz andre Dinge unterhandelte, von denen indes Naschin wenig erfuhr. Als nun Bubua Mitte Juni wieder bei Wallenstein eintraf und einen Brief überbrachte, in dem Oxenstjerna seine Bereitwilligkeit erklärte, erwiederte der Friedländer, es sei noch nicht an der Zeit. Bubna war über diese Zögerung sehr verstimmt, und auch Thurn wollte mit der Sache nichts weiter zu thun haben; TrAa schob die Schuld bezeichnenderweise auf die „Sterngucker." Trotzdem begannen — übrigens ohne Naschin — die Verhandlungen bald wieder, sodaß Arnim Anfang September selbst zu Oxenstjerna reiste, und Naschin fand Wallen stein in Schweidnitz ganz erfüllt von seinen alten Plänen. Als nun Arnim wieder zurückkehrte, mutete ihm Wallenstein plötzlich zu, sich mit ihm gegen die Schweden zu wenden. Das lehnte dieser zornig als ein „Schelmstück" ab, und was nun weiter folgte, der verheerende Einfall Holkes in Sachsen, Wallensteins Sieg bei steinalt (20. Oktober) und sein Einbruch in die Lausitz, schien jede Brücke abzubrechen. Eine höchst interessante Bestätigung dieser Angaben bietet vor allem Bubnas eingehende Relation über die nächtliche Unterredung in Gitschin/') Darnach erklärte Wallenstein, der Friede müsse ohne den Kaiser, der in der Hand der Pfaffen -) Giideke, Ur. 2, undatirt. etwa vom Oktober 1631. — °) Gädeke, Ur. 9. 10. - -) Hilde- brand, Ur. 4. - Vom 17. September 1632. Hildebrand, Ur. 9. - Hildebrand. Ur. 16. Vergl. Oxeustjernas Brief an Bnbna 23. Mai/7. Juni 1633, Ur. 16, und Thurms Instruk¬ tion für ihn 11./21. Mai, Ur. 12.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/637>, abgerufen am 15.01.2025.