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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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selbst wenn sie Aussicht auf Annahme hätten, da diese Annahme doch nur mit
stillem Vorbehalt und Hintergedanken erfolgen würde, lediglich All weiterer Erbitte¬
rung, weiterer Mißstimmung und schließlichen gewaltsamen Bruche fuhren konnte,
kein Abschluß wären. Irgendwelcher Nest von Angliederung an England würde
die Jrlünder jederzeit klagen und gegen sich ausbäumen sehen, jederzeit mit
Rebellion, Bürgerkrieg und den Kosten und Verlusten einer Wiedereroberung
drohen. Ganz abgeworfen dagegen würden die Jrlünder, so hoffen jene Poli¬
tiker, vielleicht politische Tugenden entwickeln, welche ihnen jetzt zu mangeln
scheinen, wogegen sich freilich einwerfen läßt, daß von einem Staate nicht viel
Gutes zu erwarten ist, von dem man mit Bestimmtheit zu fürchten hat, seine
Volksvertretung werde ihre Thätigkeit mit einer Beschlagnahme von Privat¬
eigentum eröffnen. Auf alle Fälle steht England vor der Schwierigkeit, daß
es, wenn es Irland das unbeschränkte Recht verleiht, sich Gesetze zu geben und
die Polizei zu üben, den irischen Bauern fast anderthalb Millionen Jrlünder, die
nicht zu Parnells Fahne geschworen haben, preisgiebt und deren Beraubung
und Unterdrückung zu Gunsten dieser Bauern ermöglicht, während anderseits
nichts als das vollkommen unbegrenzte Recht Irlands, sich selbst seine Gesetze
zu machen und sie auszuführen, die irischen Patrioten befriedigen lind Parnell
versöhnen kann. Die Lage ist hiernach sehr ernst. Sie ist vielleicht die
bedenklichste und gefährlichste, vor die je ein englisches Parlament gestellt war,
wichtiger und schwieriger als manche Kriegsgefahr, weil sie einen gordischen
Knoten darstellt, der sich nicht mit dem Schwerte zerhauen läßt. Wer aber
hat es dahin gebracht? Der Parlamentarismus in erster Linie. Die Neben¬
buhlerschaft, der Ehrgeiz der Parteien hat das Reich vor dieses Dilemma
gestellt, und ihre Vereinigung allein kann es, da die Krone in England nicht die
Macht hat, hier Wandel zu schaffen, vor Zerspaltung bewahren.




Unsere kleinste Münze.

>in Reichstage ist jüngst ein Gegenstand berührt worden, den wir
Ilhicr nochmals der Aufmerksamkeit empfehlen möchten. In der
Sitzung vom 3. Dezember d. I. wies der Abgeordnete v. Schalscha
darauf hin, wie sehr es für unsern Kleinverkehr wünschenswert
sei, daß neben den Einpfennigstücken auch 2^/"-Pfennigstücke ge¬
prägt würden, wodurch also wieder eine Vierteilung des Zehnpfennigstückes
-- des frühern Silbergrvschens -- möglich werden würde.


selbst wenn sie Aussicht auf Annahme hätten, da diese Annahme doch nur mit
stillem Vorbehalt und Hintergedanken erfolgen würde, lediglich All weiterer Erbitte¬
rung, weiterer Mißstimmung und schließlichen gewaltsamen Bruche fuhren konnte,
kein Abschluß wären. Irgendwelcher Nest von Angliederung an England würde
die Jrlünder jederzeit klagen und gegen sich ausbäumen sehen, jederzeit mit
Rebellion, Bürgerkrieg und den Kosten und Verlusten einer Wiedereroberung
drohen. Ganz abgeworfen dagegen würden die Jrlünder, so hoffen jene Poli¬
tiker, vielleicht politische Tugenden entwickeln, welche ihnen jetzt zu mangeln
scheinen, wogegen sich freilich einwerfen läßt, daß von einem Staate nicht viel
Gutes zu erwarten ist, von dem man mit Bestimmtheit zu fürchten hat, seine
Volksvertretung werde ihre Thätigkeit mit einer Beschlagnahme von Privat¬
eigentum eröffnen. Auf alle Fälle steht England vor der Schwierigkeit, daß
es, wenn es Irland das unbeschränkte Recht verleiht, sich Gesetze zu geben und
die Polizei zu üben, den irischen Bauern fast anderthalb Millionen Jrlünder, die
nicht zu Parnells Fahne geschworen haben, preisgiebt und deren Beraubung
und Unterdrückung zu Gunsten dieser Bauern ermöglicht, während anderseits
nichts als das vollkommen unbegrenzte Recht Irlands, sich selbst seine Gesetze
zu machen und sie auszuführen, die irischen Patrioten befriedigen lind Parnell
versöhnen kann. Die Lage ist hiernach sehr ernst. Sie ist vielleicht die
bedenklichste und gefährlichste, vor die je ein englisches Parlament gestellt war,
wichtiger und schwieriger als manche Kriegsgefahr, weil sie einen gordischen
Knoten darstellt, der sich nicht mit dem Schwerte zerhauen läßt. Wer aber
hat es dahin gebracht? Der Parlamentarismus in erster Linie. Die Neben¬
buhlerschaft, der Ehrgeiz der Parteien hat das Reich vor dieses Dilemma
gestellt, und ihre Vereinigung allein kann es, da die Krone in England nicht die
Macht hat, hier Wandel zu schaffen, vor Zerspaltung bewahren.




Unsere kleinste Münze.

>in Reichstage ist jüngst ein Gegenstand berührt worden, den wir
Ilhicr nochmals der Aufmerksamkeit empfehlen möchten. In der
Sitzung vom 3. Dezember d. I. wies der Abgeordnete v. Schalscha
darauf hin, wie sehr es für unsern Kleinverkehr wünschenswert
sei, daß neben den Einpfennigstücken auch 2^/»-Pfennigstücke ge¬
prägt würden, wodurch also wieder eine Vierteilung des Zehnpfennigstückes
— des frühern Silbergrvschens — möglich werden würde.


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[0632] selbst wenn sie Aussicht auf Annahme hätten, da diese Annahme doch nur mit stillem Vorbehalt und Hintergedanken erfolgen würde, lediglich All weiterer Erbitte¬ rung, weiterer Mißstimmung und schließlichen gewaltsamen Bruche fuhren konnte, kein Abschluß wären. Irgendwelcher Nest von Angliederung an England würde die Jrlünder jederzeit klagen und gegen sich ausbäumen sehen, jederzeit mit Rebellion, Bürgerkrieg und den Kosten und Verlusten einer Wiedereroberung drohen. Ganz abgeworfen dagegen würden die Jrlünder, so hoffen jene Poli¬ tiker, vielleicht politische Tugenden entwickeln, welche ihnen jetzt zu mangeln scheinen, wogegen sich freilich einwerfen läßt, daß von einem Staate nicht viel Gutes zu erwarten ist, von dem man mit Bestimmtheit zu fürchten hat, seine Volksvertretung werde ihre Thätigkeit mit einer Beschlagnahme von Privat¬ eigentum eröffnen. Auf alle Fälle steht England vor der Schwierigkeit, daß es, wenn es Irland das unbeschränkte Recht verleiht, sich Gesetze zu geben und die Polizei zu üben, den irischen Bauern fast anderthalb Millionen Jrlünder, die nicht zu Parnells Fahne geschworen haben, preisgiebt und deren Beraubung und Unterdrückung zu Gunsten dieser Bauern ermöglicht, während anderseits nichts als das vollkommen unbegrenzte Recht Irlands, sich selbst seine Gesetze zu machen und sie auszuführen, die irischen Patrioten befriedigen lind Parnell versöhnen kann. Die Lage ist hiernach sehr ernst. Sie ist vielleicht die bedenklichste und gefährlichste, vor die je ein englisches Parlament gestellt war, wichtiger und schwieriger als manche Kriegsgefahr, weil sie einen gordischen Knoten darstellt, der sich nicht mit dem Schwerte zerhauen läßt. Wer aber hat es dahin gebracht? Der Parlamentarismus in erster Linie. Die Neben¬ buhlerschaft, der Ehrgeiz der Parteien hat das Reich vor dieses Dilemma gestellt, und ihre Vereinigung allein kann es, da die Krone in England nicht die Macht hat, hier Wandel zu schaffen, vor Zerspaltung bewahren. Unsere kleinste Münze. >in Reichstage ist jüngst ein Gegenstand berührt worden, den wir Ilhicr nochmals der Aufmerksamkeit empfehlen möchten. In der Sitzung vom 3. Dezember d. I. wies der Abgeordnete v. Schalscha darauf hin, wie sehr es für unsern Kleinverkehr wünschenswert sei, daß neben den Einpfennigstücken auch 2^/»-Pfennigstücke ge¬ prägt würden, wodurch also wieder eine Vierteilung des Zehnpfennigstückes — des frühern Silbergrvschens — möglich werden würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/632>, abgerufen am 15.01.2025.