Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Auf dein Stilfser Joch. ächtlich die Arbeiten eines Neulings von sich, auch wenn sie von den: größten So kam es denn, daß Harald in den ersten Wochen von einem Kunst- Harald mußte es deshalb als eine Befreiung von seinem Drucke begrüßen, In acht Tagen sollte der Schulunterricht beginnen, mithin mich Tante Auf dein Stilfser Joch. ächtlich die Arbeiten eines Neulings von sich, auch wenn sie von den: größten So kam es denn, daß Harald in den ersten Wochen von einem Kunst- Harald mußte es deshalb als eine Befreiung von seinem Drucke begrüßen, In acht Tagen sollte der Schulunterricht beginnen, mithin mich Tante <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196797"/> <fw type="header" place="top"> Auf dein Stilfser Joch.</fw><lb/> <p xml:id="ID_150" prev="#ID_149"> ächtlich die Arbeiten eines Neulings von sich, auch wenn sie von den: größten<lb/> Werte sind. Sie werden ohne jede Prüfung abgelehnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_151"> So kam es denn, daß Harald in den ersten Wochen von einem Kunst-<lb/> händler zum andern mit seinen Skizzen lief, bald diesem bald jenein sogenannten<lb/> Kunstfreunde vorgestellt wurde, ohne daß er auch nur eine Bestellung erhielt.<lb/> Er wurde immer damit vertröstet, daß er sich selbst mit einem größeren<lb/> Bilde bei der nächsten Kunstausstellung beteiligen müsse, und daß, wenn er<lb/> dort Erfolg hätte, die Bestellungen nicht ausbleiben würden. Auch die Ar¬<lb/> beiten, welche der Staat zu vergeben hatte, waren in den festen Händen der<lb/> bereits anerkannten Kräfte, und so sah sich Harald schon in wenigen Wochen<lb/> müde und abgehetzt einer unsichern Zukunft preisgegeben. .Hätte es sich nur<lb/> um seine eigne Person gehandelt, so würde er es gewagt haben, sich noch ein<lb/> Jahr mit Kummer und Not durchzuschlagen, um ein Bild zu vollenden, das<lb/> er schon längst fertig in seinen Gedanken trug und bei dem er des Erfolges<lb/> sicher sein konnte. Aber er sollte seine Geschwister mit dem Anfange des<lb/> Herbstes zu sich nehmen, er hatte für einen ganzen Hausstand zu sorgen, und<lb/> je näher der Termin heranrückte, desto verzweifelter wurde seine Lage und seine<lb/> Stimmung.</p><lb/> <p xml:id="ID_152"> Harald mußte es deshalb als eine Befreiung von seinem Drucke begrüßen,<lb/> daß es den Bemühungen seines väterlichen Freundes Pauli gelungen war, ihm<lb/> an verschiednen Töchterschulen und an einem Gymnasium den. Zeichenunterricht<lb/> zu verschaffen, sodaß wenigstens für das nächste Jahr die größte Sorge um<lb/> das Leben gebannt werden konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_153" next="#ID_154"> In acht Tagen sollte der Schulunterricht beginnen, mithin mich Tante<lb/> Atome, welche die Wirtschaft führen sollte, mit den Geschwistern eintreffen.<lb/> Alles war jetzt in Wohnung und Atelier hergerichtet und zum Empfange<lb/> bereit. Aber die Seele unsers Freundes blieb schwer belastet, und der bleierne<lb/> Himmel, die kahlen Bäume und die eisige Herbstluft waren nicht angethan, seiner<lb/> Stimmung einen leichtern Lauf zu geben; nach den trüben Erfahrungen seines<lb/> erste» Eintrittes in die Selbständigkeit dachte er nicht ohne Kümmernis an das,<lb/> was das neue Leben ihm bringen sollte. War dies das Ziel seines hohen<lb/> Fluges, daß er, statt sich ganz seiner Kunst zu widmen, nnn in kleinlichen Unter¬<lb/> richt bei Anfängern Zeit und Kräfte verwenden mußte? Hatte die Mutter auch<lb/> wirtlich weise gehandelt, daß sie ihn, unbesorgt um die Existenz, so Hohes er¬<lb/> streben ließ? Ist es wirklich ein Vorzug unsrer staatlichen und gesellschaft¬<lb/> liche» Ordnung, daß sich auch ein Geringer aus den kleinlichen Verhältnissen<lb/> des elterlichen Hauses herausreißen, die Fesseln des gemeinen Lebens abstreifen<lb/> kann, aber nur, um ein zweiter Moses in seinem, tragischen Ausgange von dem Gipfel<lb/> des Berges in das gelobte Land zu schauen, ohne es mit seinen Füßen betreten zu<lb/> dttrseu? Glücklich derjenige, welchem die Erkenntnis des Höhern versagt ist, wer in<lb/> Blindheit einem Lasttiere gleich den betretenen Weg der Landstraße wandelt und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0063]
Auf dein Stilfser Joch.
ächtlich die Arbeiten eines Neulings von sich, auch wenn sie von den: größten
Werte sind. Sie werden ohne jede Prüfung abgelehnt.
So kam es denn, daß Harald in den ersten Wochen von einem Kunst-
händler zum andern mit seinen Skizzen lief, bald diesem bald jenein sogenannten
Kunstfreunde vorgestellt wurde, ohne daß er auch nur eine Bestellung erhielt.
Er wurde immer damit vertröstet, daß er sich selbst mit einem größeren
Bilde bei der nächsten Kunstausstellung beteiligen müsse, und daß, wenn er
dort Erfolg hätte, die Bestellungen nicht ausbleiben würden. Auch die Ar¬
beiten, welche der Staat zu vergeben hatte, waren in den festen Händen der
bereits anerkannten Kräfte, und so sah sich Harald schon in wenigen Wochen
müde und abgehetzt einer unsichern Zukunft preisgegeben. .Hätte es sich nur
um seine eigne Person gehandelt, so würde er es gewagt haben, sich noch ein
Jahr mit Kummer und Not durchzuschlagen, um ein Bild zu vollenden, das
er schon längst fertig in seinen Gedanken trug und bei dem er des Erfolges
sicher sein konnte. Aber er sollte seine Geschwister mit dem Anfange des
Herbstes zu sich nehmen, er hatte für einen ganzen Hausstand zu sorgen, und
je näher der Termin heranrückte, desto verzweifelter wurde seine Lage und seine
Stimmung.
Harald mußte es deshalb als eine Befreiung von seinem Drucke begrüßen,
daß es den Bemühungen seines väterlichen Freundes Pauli gelungen war, ihm
an verschiednen Töchterschulen und an einem Gymnasium den. Zeichenunterricht
zu verschaffen, sodaß wenigstens für das nächste Jahr die größte Sorge um
das Leben gebannt werden konnte.
In acht Tagen sollte der Schulunterricht beginnen, mithin mich Tante
Atome, welche die Wirtschaft führen sollte, mit den Geschwistern eintreffen.
Alles war jetzt in Wohnung und Atelier hergerichtet und zum Empfange
bereit. Aber die Seele unsers Freundes blieb schwer belastet, und der bleierne
Himmel, die kahlen Bäume und die eisige Herbstluft waren nicht angethan, seiner
Stimmung einen leichtern Lauf zu geben; nach den trüben Erfahrungen seines
erste» Eintrittes in die Selbständigkeit dachte er nicht ohne Kümmernis an das,
was das neue Leben ihm bringen sollte. War dies das Ziel seines hohen
Fluges, daß er, statt sich ganz seiner Kunst zu widmen, nnn in kleinlichen Unter¬
richt bei Anfängern Zeit und Kräfte verwenden mußte? Hatte die Mutter auch
wirtlich weise gehandelt, daß sie ihn, unbesorgt um die Existenz, so Hohes er¬
streben ließ? Ist es wirklich ein Vorzug unsrer staatlichen und gesellschaft¬
liche» Ordnung, daß sich auch ein Geringer aus den kleinlichen Verhältnissen
des elterlichen Hauses herausreißen, die Fesseln des gemeinen Lebens abstreifen
kann, aber nur, um ein zweiter Moses in seinem, tragischen Ausgange von dem Gipfel
des Berges in das gelobte Land zu schauen, ohne es mit seinen Füßen betreten zu
dttrseu? Glücklich derjenige, welchem die Erkenntnis des Höhern versagt ist, wer in
Blindheit einem Lasttiere gleich den betretenen Weg der Landstraße wandelt und
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