Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Aber Parnell wird mehr als solche Zugeständnisse fordern, wenn die Tories Anders steht es mit Gladstone. Er weiß sicherlich, daß die Jrländer, die Grenzboten IV. 188S. 75
Aber Parnell wird mehr als solche Zugeständnisse fordern, wenn die Tories Anders steht es mit Gladstone. Er weiß sicherlich, daß die Jrländer, die Grenzboten IV. 188S. 75
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0601" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197335"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1972" prev="#ID_1971"> Aber Parnell wird mehr als solche Zugeständnisse fordern, wenn die Tories<lb/> ihn um seinen Beistand sür die ganze Session angehen, vielmehr, als sie ihm<lb/> bieten können. Die Homeruler sind eine demokratische, ja in gewissem Sinne<lb/> eine sozialistische Partei, die zunächst darnach strebt, daß England sein Recht,<lb/> die Landbesitzer in Irland zu schützen, aufgiebt. Wenn die britischen Neichs-<lb/> behörden einem Dubliner Parlamente die Befugnis zusprächen, Gesetze in Betreff<lb/> des Grundeigentums für Irland zu machen und die irische Polizei zu ma߬<lb/> regeln, so würden die Parnelliten den englischen Parteiführer unterstützen, der<lb/> ihnen das gewährt. Salisbury aber kann das nicht; denn wollte ers, so würde<lb/> ihn sofort die große Mehrzahl seiner Leute im Parlamente im Stiche lassen,<lb/> es würde eine Fahnenflucht geben wie 1846, als Peel unter die Freihändler<lb/> ging. Sodann würde er mit einem solchen Zugeständnis die Protestanten Ir¬<lb/> lands, die fast Mann für Mann zu den Konservativen gehören, auf Gnade<lb/> und Ungnade der irischen Volkspartei überantworten. So wäre es selbst vom<lb/> Standpunkte des reinen Parteimanncs betrachtet ein Mißgriff, ja ein Ver¬<lb/> brechen, wenn er sich zu etwas derartigem herbeilassen wollte. Es ist daher<lb/> fast undenkbar, daß die Konservativen ein Bündnis mit den Parnelliten auf<lb/> der Basis der Gewährung des Home Rule eingehen könnten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1973" next="#ID_1974"> Anders steht es mit Gladstone. Er weiß sicherlich, daß die Jrländer, die<lb/> 1880 für ihn stimmten, auch jetzt bei den Wahlen in manchem Bvrough seiner<lb/> Partei den Sieg verschafften. Jrländer gemäßigter Denkart in Se. Louis schrieben<lb/> ihm vor kurzem: „Wir schmeicheln nicht, wenn wir sagen, Sie sind seit Lord<lb/> Fitzwilliam der erste englische Staatsmann, welcher das Elend des irischen<lb/> Volkes zu lindern versucht hat, und wir zollen Ihnen Dank dafür." Er er¬<lb/> wiederte: „Von den schwereren Arbeiten eines langen politischen Lebens ist ein<lb/> großer Teil dem Dienste Irlands gewidmet gewesen, und der wichtigste der<lb/> Beweggründe, die mich in vorgerücktem Alter bestimmt haben, einer lange ersehnten<lb/> Ruhe zu entsagen, war und ist die Hoffnung, daß es mir vergönnt sein möchte,<lb/> ihm einen weitern Dienst zu erweisen." Mancherlei Dinge drängen ihn zur<lb/> Erfüllung des hierin liegenden Versprechens. 1868 brachte er seine Partei<lb/> wieder zur Herrschaft, indem er eine Politik der religiösen Gleichheit in Irland<lb/> verfolgte, und sein Einfluß ist in England so groß, daß er noch jetzt den Js¬<lb/> ländern sehr bedeutende Zugeständnisse bieten dürfte. In der That, die° Liberalen<lb/> sind dnrch ihre Grundsätze darauf hingewiesen, mich gegen Irland liberal zu<lb/> sein. Es will in seiner Mehrheit die Herrschaft Englands nicht, nach liberalen<lb/> und radikalen Maximen aber darf ein Volk, das frei zu werden strebt, nicht<lb/> mit Gewalt niedergehalten werden, und so würde es nur eine logische Entwicklung<lb/> liberaler Ideen sein, wenn Gladstone seine politische Laufbahn mit dem Ver¬<lb/> suche beschlösse, die Union Irlands und Englands nach dem Willen des Volkes<lb/> in jenem aufzulösen. Aber sollen englische Staatsmänner allein ihre liberale<lb/> Doktrin vor Augen haben? Gilt die Integrität und Sicherheit des Reiches</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 188S. 75</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0601]
Aber Parnell wird mehr als solche Zugeständnisse fordern, wenn die Tories
ihn um seinen Beistand sür die ganze Session angehen, vielmehr, als sie ihm
bieten können. Die Homeruler sind eine demokratische, ja in gewissem Sinne
eine sozialistische Partei, die zunächst darnach strebt, daß England sein Recht,
die Landbesitzer in Irland zu schützen, aufgiebt. Wenn die britischen Neichs-
behörden einem Dubliner Parlamente die Befugnis zusprächen, Gesetze in Betreff
des Grundeigentums für Irland zu machen und die irische Polizei zu ma߬
regeln, so würden die Parnelliten den englischen Parteiführer unterstützen, der
ihnen das gewährt. Salisbury aber kann das nicht; denn wollte ers, so würde
ihn sofort die große Mehrzahl seiner Leute im Parlamente im Stiche lassen,
es würde eine Fahnenflucht geben wie 1846, als Peel unter die Freihändler
ging. Sodann würde er mit einem solchen Zugeständnis die Protestanten Ir¬
lands, die fast Mann für Mann zu den Konservativen gehören, auf Gnade
und Ungnade der irischen Volkspartei überantworten. So wäre es selbst vom
Standpunkte des reinen Parteimanncs betrachtet ein Mißgriff, ja ein Ver¬
brechen, wenn er sich zu etwas derartigem herbeilassen wollte. Es ist daher
fast undenkbar, daß die Konservativen ein Bündnis mit den Parnelliten auf
der Basis der Gewährung des Home Rule eingehen könnten.
Anders steht es mit Gladstone. Er weiß sicherlich, daß die Jrländer, die
1880 für ihn stimmten, auch jetzt bei den Wahlen in manchem Bvrough seiner
Partei den Sieg verschafften. Jrländer gemäßigter Denkart in Se. Louis schrieben
ihm vor kurzem: „Wir schmeicheln nicht, wenn wir sagen, Sie sind seit Lord
Fitzwilliam der erste englische Staatsmann, welcher das Elend des irischen
Volkes zu lindern versucht hat, und wir zollen Ihnen Dank dafür." Er er¬
wiederte: „Von den schwereren Arbeiten eines langen politischen Lebens ist ein
großer Teil dem Dienste Irlands gewidmet gewesen, und der wichtigste der
Beweggründe, die mich in vorgerücktem Alter bestimmt haben, einer lange ersehnten
Ruhe zu entsagen, war und ist die Hoffnung, daß es mir vergönnt sein möchte,
ihm einen weitern Dienst zu erweisen." Mancherlei Dinge drängen ihn zur
Erfüllung des hierin liegenden Versprechens. 1868 brachte er seine Partei
wieder zur Herrschaft, indem er eine Politik der religiösen Gleichheit in Irland
verfolgte, und sein Einfluß ist in England so groß, daß er noch jetzt den Js¬
ländern sehr bedeutende Zugeständnisse bieten dürfte. In der That, die° Liberalen
sind dnrch ihre Grundsätze darauf hingewiesen, mich gegen Irland liberal zu
sein. Es will in seiner Mehrheit die Herrschaft Englands nicht, nach liberalen
und radikalen Maximen aber darf ein Volk, das frei zu werden strebt, nicht
mit Gewalt niedergehalten werden, und so würde es nur eine logische Entwicklung
liberaler Ideen sein, wenn Gladstone seine politische Laufbahn mit dem Ver¬
suche beschlösse, die Union Irlands und Englands nach dem Willen des Volkes
in jenem aufzulösen. Aber sollen englische Staatsmänner allein ihre liberale
Doktrin vor Augen haben? Gilt die Integrität und Sicherheit des Reiches
Grenzboten IV. 188S. 75
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |