Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Werders Macbeth - Vorlesungen. leichten Unterrichts- darum so erlisthaft und so wenig leicht, weil er auf den Man muß indes zugestehen, daß Werber anßer seiner Begeisterung auch Auch die Bemerkungen, welche Werber vom Standpunkte des Spieles macht, Werders Macbeth - Vorlesungen. leichten Unterrichts- darum so erlisthaft und so wenig leicht, weil er auf den Man muß indes zugestehen, daß Werber anßer seiner Begeisterung auch Auch die Bemerkungen, welche Werber vom Standpunkte des Spieles macht, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0587" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197321"/> <fw type="header" place="top"> Werders Macbeth - Vorlesungen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1932" prev="#ID_1931"> leichten Unterrichts- darum so erlisthaft und so wenig leicht, weil er auf den<lb/> Einblick geht in die Werkstätte schöpferischer Geisteskraft, auf den Einblick in<lb/> die Wege des Genies und — wenn von Shakespeare handelnd — auf das<lb/> Verständnis des Gipfelpunktes menschlicher Jntellektualitcit in Begabung und<lb/> Leistung." Bei einer so rückhaltlosen Begeisterung für Shakespeare begreift es<lb/> sich, das; Werber keinem Vorgänger in der Kritik desselben entgegengesetzter ist<lb/> als Rümelin, der das wahrhaft wissenschaftliche Bestreben hatte, den großen<lb/> Dichter als historisch bedingten Menschen und Künstler zu erfassen. Werber<lb/> gerät auch über nichts so sehr in Erregung, als wenn irgend jemand Shakespeare<lb/> zu tadeln wagt: schlechtweg alles, was Shakespeare geschrieben und geordnet<lb/> hat. ist ihm die That des Genius.</p><lb/> <p xml:id="ID_1933"> Man muß indes zugestehen, daß Werber anßer seiner Begeisterung auch<lb/> vielen künstlerischen Sinn zur Erklärung der Tragödie mitbringt. So ist gleich<lb/> seine Grundforderung für die Art und Weise, in der Shakespeare aufgefaßt<lb/> werden müsse, durchaus gerechtfertigt. „Shakespeares Sachen, sagt er, sind<lb/> Darstellung, nicht bloße Schilderung. Wer sich von ihm mir erzählen lassen<lb/> will, der mißversteht ihn. Wer ihn nur hört, indem er ihn liest, liest ihn nur<lb/> halb und mißhört ihn darum. Gespiele will er sein: weil dann das angehört<lb/> und angesehn wird, was er nicht sagt und nicht sagen darf — wenn er so<lb/> echt und groß sein will, wie er ist. Wollte er sagen, was sür jene Unproduktive«<lb/> nötig wäre, um ihn, ohne daß er ihnen vorgespielt würde, zu versteh»; wollte<lb/> ers so plump und in solcher Breite, daß auch sie ohne weiteres ihn weghätten,<lb/> so müßte er aufhören, Shakespeare zu sei». Er wäre dann eben nicht der<lb/> Dramatiker, der er ist, sondern ein geringerer. Daß er darum jenen verschlossen<lb/> bleibt, ist sein Verdienst" (S. 236). Ganz recht: gespielt muß Shakespeare<lb/> werden; aber um richtig gespielt zu werdeu, muß er vorher richtig aufge¬<lb/> faßt sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1934" next="#ID_1935"> Auch die Bemerkungen, welche Werber vom Standpunkte des Spieles macht,<lb/> sind vorzüglich, seine-Winke für die szenische Aufführung, für die schauspielerische<lb/> Interpretation sind sehr beherzigenswert. So z. B. gleich die Anweisung für<lb/> die Darstellerin der Lady Maebeth. Sie müsse auf der Bühne relativ fein und<lb/> zart aussehen; „die Stimme darf von Natur nicht heroisch klingen. Und doch<lb/> muß Stimme und Miene alles bei ihr machen, ganz allein das Entsetzliche ver¬<lb/> körpern; — aber jene vermittelst der Accente und der Modulation, nicht durch<lb/> die Gewalt des Organs. Kein gellender Laut darf fallen. Der größte Teil<lb/> der Rolle muß nnr mit halber Stimme gesprochen werden; vieles nur flüsternd,<lb/> von der Heimlichkeit des mörderischen Werkes gedämpft, — aber alles haarscharf,<lb/> Tempo und Ton wie die eines angefachten Feuers; wie feingeschliffene, blitzende<lb/> Schneide» fahren ihr die Worte ans dem Munde. Im dritten Akte die Stelle:<lb/> »Dir fehlt das Labsal aller Wesen, Schlaf« — spricht sie tief traurig,, mit<lb/> zärtlicher Sorgfalt, dicht an ihn geschmiegt. Und in der Szene im fünften Akte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0587]
Werders Macbeth - Vorlesungen.
leichten Unterrichts- darum so erlisthaft und so wenig leicht, weil er auf den
Einblick geht in die Werkstätte schöpferischer Geisteskraft, auf den Einblick in
die Wege des Genies und — wenn von Shakespeare handelnd — auf das
Verständnis des Gipfelpunktes menschlicher Jntellektualitcit in Begabung und
Leistung." Bei einer so rückhaltlosen Begeisterung für Shakespeare begreift es
sich, das; Werber keinem Vorgänger in der Kritik desselben entgegengesetzter ist
als Rümelin, der das wahrhaft wissenschaftliche Bestreben hatte, den großen
Dichter als historisch bedingten Menschen und Künstler zu erfassen. Werber
gerät auch über nichts so sehr in Erregung, als wenn irgend jemand Shakespeare
zu tadeln wagt: schlechtweg alles, was Shakespeare geschrieben und geordnet
hat. ist ihm die That des Genius.
Man muß indes zugestehen, daß Werber anßer seiner Begeisterung auch
vielen künstlerischen Sinn zur Erklärung der Tragödie mitbringt. So ist gleich
seine Grundforderung für die Art und Weise, in der Shakespeare aufgefaßt
werden müsse, durchaus gerechtfertigt. „Shakespeares Sachen, sagt er, sind
Darstellung, nicht bloße Schilderung. Wer sich von ihm mir erzählen lassen
will, der mißversteht ihn. Wer ihn nur hört, indem er ihn liest, liest ihn nur
halb und mißhört ihn darum. Gespiele will er sein: weil dann das angehört
und angesehn wird, was er nicht sagt und nicht sagen darf — wenn er so
echt und groß sein will, wie er ist. Wollte er sagen, was sür jene Unproduktive«
nötig wäre, um ihn, ohne daß er ihnen vorgespielt würde, zu versteh»; wollte
ers so plump und in solcher Breite, daß auch sie ohne weiteres ihn weghätten,
so müßte er aufhören, Shakespeare zu sei». Er wäre dann eben nicht der
Dramatiker, der er ist, sondern ein geringerer. Daß er darum jenen verschlossen
bleibt, ist sein Verdienst" (S. 236). Ganz recht: gespielt muß Shakespeare
werden; aber um richtig gespielt zu werdeu, muß er vorher richtig aufge¬
faßt sein.
Auch die Bemerkungen, welche Werber vom Standpunkte des Spieles macht,
sind vorzüglich, seine-Winke für die szenische Aufführung, für die schauspielerische
Interpretation sind sehr beherzigenswert. So z. B. gleich die Anweisung für
die Darstellerin der Lady Maebeth. Sie müsse auf der Bühne relativ fein und
zart aussehen; „die Stimme darf von Natur nicht heroisch klingen. Und doch
muß Stimme und Miene alles bei ihr machen, ganz allein das Entsetzliche ver¬
körpern; — aber jene vermittelst der Accente und der Modulation, nicht durch
die Gewalt des Organs. Kein gellender Laut darf fallen. Der größte Teil
der Rolle muß nnr mit halber Stimme gesprochen werden; vieles nur flüsternd,
von der Heimlichkeit des mörderischen Werkes gedämpft, — aber alles haarscharf,
Tempo und Ton wie die eines angefachten Feuers; wie feingeschliffene, blitzende
Schneide» fahren ihr die Worte ans dem Munde. Im dritten Akte die Stelle:
»Dir fehlt das Labsal aller Wesen, Schlaf« — spricht sie tief traurig,, mit
zärtlicher Sorgfalt, dicht an ihn geschmiegt. Und in der Szene im fünften Akte
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