Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Leopold von Ranke. Der universalhistorische Zug, welchen wir als die Haupteigenschaft von Gleichsam die Krönung der gesamten Thätigkeit Nantes schien es zu sein, Leopold von Ranke. Der universalhistorische Zug, welchen wir als die Haupteigenschaft von Gleichsam die Krönung der gesamten Thätigkeit Nantes schien es zu sein, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0584" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197318"/> <fw type="header" place="top"> Leopold von Ranke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1924"> Der universalhistorische Zug, welchen wir als die Haupteigenschaft von<lb/> Rankes Geschichtschreibung hervorgehoben haben, ist am deutlichsten ersichtlich<lb/> in seinem berühmten Werke: „Die römischen Päpste in den letzten vier Jahr¬<lb/> hunderten," von dem in diesem Jahre die nennte Auflage erschienen ist. Es<lb/> war ein Triumph der deutschen Wissenschaft, daß hier einmal quellenmäßig die<lb/> Geschichte der die gesamte Welt umstrickenden Macht des Papsttums dargelegt<lb/> wurde. Mit welcher Gründlichkeit Ranke vorgegangen war, davon liefert das<lb/> in dem Anhange unter dem Titel: „Das Verzeichnis der benutzten Hand¬<lb/> schriften, nachträgliche Auszüge und kritische Bemerkungen" zusammengefaßte<lb/> einen beredten Beweis. Allerdings empfand er es schmerzlich, daß es ihm<lb/> nicht vergönnt war, soweit zu dringen, als er gewünscht hatte. Dennoch zeichnet<lb/> er den Weg vor, welchen ein Späterer zu wandeln hätte. Aber er mußte zu¬<lb/> gleich eingestehen, daß es ein Unternehmen sei, zu welchem es schwerlich kommen<lb/> würde, da diejenigen, welche es allenfalls vollführen können, es nicht wollen,<lb/> und die, welche es wollen, es nicht vermögen. Die Charakterisirung der einzelnen<lb/> Papste und ihrer Tendenzen, die Darlegung ihrer Politik, die Schilderung der<lb/> verschiednen kirchlichen Institutionen und Orden, das gewaltige Eingreifen des<lb/> Jesuitenordens und die hohe Bedeutung des Tridcutiner Konzils — das alles<lb/> ist mit unübertroffener Virtuosität, auf Grund der vollkommensten Kenntnis und<lb/> unter Verwendung des originellsten Materials durchgeführt. Wenn frühere Dar¬<lb/> steller dieser Periode mit dem vollen Pathos sittlicher Entrüstung und patrio¬<lb/> tischen Zornes die von der katholischen Gegenreformation cmsgegaugncn Be¬<lb/> strebungen zu bekämpfen geglaubt hatten, so kämpfte Ranke mit feiner Ironie.</p><lb/> <p xml:id="ID_1925" next="#ID_1926"> Gleichsam die Krönung der gesamten Thätigkeit Nantes schien es zu sein,<lb/> als er noch am Abende seines Lebens sich entschloß, eine Weltgeschichte zu<lb/> schreiben. In der That machte sich das dringende Bedürfnis geltend, daß,<lb/> nachdem die historischen Studien sich zu solcher Blüte entfaltet hatten, auch<lb/> einmal die Geschicke, welche im Laufe der Jahrhunderte sich auf dem Weltall<lb/> abgespielt haben, von berufener Hand zur Darstellung gebracht würden. Wenn<lb/> aber dieses Verlangen herrschte, so konnte unter den lebenden Historikern nur<lb/> Leopold von Ranke für die Lösung dieser Aufgabe in Frage kommen. Die Art,<lb/> wie er sich die Aufgabe vorzeichnete, läßt die Hand des Meisters erkennen.<lb/> Nachdem in den letzten Jahrzehnten die sogenannten prähistorischen Studien eine<lb/> hohe Bedeutung gewonnen hatten, schien es für den Universalhistoriker erforder¬<lb/> lich, sich darüber auszulassen, inwiefern er jenen Studien eine Existenzberechti¬<lb/> gung für die allgemeine Geschichte zuerteile. Nach Ranke beginnt die Geschichte<lb/> erst, wo die Monumente verständlich werden und glaubwürdige schriftliche Auf¬<lb/> zeichnungen vorliegen. Dann aber ist ihr Gebiet unermeßlich. Die Aufgabe<lb/> der welthistorische» Wissenschaft aber war für ihn, den Zusammenhang zwischen<lb/> den einzelnen Völkerschaften zu erkennen, den Gang der großen Begebenheiten,<lb/> welcher alle Völker verbindet und beherrscht, nachzuweisen. In dem Kampfe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0584]
Leopold von Ranke.
Der universalhistorische Zug, welchen wir als die Haupteigenschaft von
Rankes Geschichtschreibung hervorgehoben haben, ist am deutlichsten ersichtlich
in seinem berühmten Werke: „Die römischen Päpste in den letzten vier Jahr¬
hunderten," von dem in diesem Jahre die nennte Auflage erschienen ist. Es
war ein Triumph der deutschen Wissenschaft, daß hier einmal quellenmäßig die
Geschichte der die gesamte Welt umstrickenden Macht des Papsttums dargelegt
wurde. Mit welcher Gründlichkeit Ranke vorgegangen war, davon liefert das
in dem Anhange unter dem Titel: „Das Verzeichnis der benutzten Hand¬
schriften, nachträgliche Auszüge und kritische Bemerkungen" zusammengefaßte
einen beredten Beweis. Allerdings empfand er es schmerzlich, daß es ihm
nicht vergönnt war, soweit zu dringen, als er gewünscht hatte. Dennoch zeichnet
er den Weg vor, welchen ein Späterer zu wandeln hätte. Aber er mußte zu¬
gleich eingestehen, daß es ein Unternehmen sei, zu welchem es schwerlich kommen
würde, da diejenigen, welche es allenfalls vollführen können, es nicht wollen,
und die, welche es wollen, es nicht vermögen. Die Charakterisirung der einzelnen
Papste und ihrer Tendenzen, die Darlegung ihrer Politik, die Schilderung der
verschiednen kirchlichen Institutionen und Orden, das gewaltige Eingreifen des
Jesuitenordens und die hohe Bedeutung des Tridcutiner Konzils — das alles
ist mit unübertroffener Virtuosität, auf Grund der vollkommensten Kenntnis und
unter Verwendung des originellsten Materials durchgeführt. Wenn frühere Dar¬
steller dieser Periode mit dem vollen Pathos sittlicher Entrüstung und patrio¬
tischen Zornes die von der katholischen Gegenreformation cmsgegaugncn Be¬
strebungen zu bekämpfen geglaubt hatten, so kämpfte Ranke mit feiner Ironie.
Gleichsam die Krönung der gesamten Thätigkeit Nantes schien es zu sein,
als er noch am Abende seines Lebens sich entschloß, eine Weltgeschichte zu
schreiben. In der That machte sich das dringende Bedürfnis geltend, daß,
nachdem die historischen Studien sich zu solcher Blüte entfaltet hatten, auch
einmal die Geschicke, welche im Laufe der Jahrhunderte sich auf dem Weltall
abgespielt haben, von berufener Hand zur Darstellung gebracht würden. Wenn
aber dieses Verlangen herrschte, so konnte unter den lebenden Historikern nur
Leopold von Ranke für die Lösung dieser Aufgabe in Frage kommen. Die Art,
wie er sich die Aufgabe vorzeichnete, läßt die Hand des Meisters erkennen.
Nachdem in den letzten Jahrzehnten die sogenannten prähistorischen Studien eine
hohe Bedeutung gewonnen hatten, schien es für den Universalhistoriker erforder¬
lich, sich darüber auszulassen, inwiefern er jenen Studien eine Existenzberechti¬
gung für die allgemeine Geschichte zuerteile. Nach Ranke beginnt die Geschichte
erst, wo die Monumente verständlich werden und glaubwürdige schriftliche Auf¬
zeichnungen vorliegen. Dann aber ist ihr Gebiet unermeßlich. Die Aufgabe
der welthistorische» Wissenschaft aber war für ihn, den Zusammenhang zwischen
den einzelnen Völkerschaften zu erkennen, den Gang der großen Begebenheiten,
welcher alle Völker verbindet und beherrscht, nachzuweisen. In dem Kampfe
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