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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Leopold von Ranke,

An dieser Stelle wird eine beiläufige Bemerkung nicht unangemessen sein.
Es ist vielen aufgefallen, daß Ranke in den zahlreichen Auflagen seiner ältern
Schriften so wenig umzuändern sich veranlaßt gesehen hat. Um dies zu be¬
greifen, muß man sich vergegenwärtige", daß Ranke niemals die Frucht auf
dem Halme verkaufte, sondern alle seine Ernten erst in jedem Sinne vollendet
zu Markte brachte. Zudem hat er sich selbst einmal darüber geäußert, daß
es ihm auch darauf ankomme, erkennbar sein zu lassen, wie er gerade zur Zeit
der Abfassung des Werkes sich die Sache vorgestellt habe. Die Hauptsache
liegt aber allerdings auch hierfür in jenem Grundzüge seiner Historie, sich frei¬
zuhalten von allem Wiedersehen, der Gegenwart, sogar, soweit das menschen¬
möglich ist, von der eignen subjektiven Meinung in den Fragen des Staates,
der Kirche und der Gesellschaft. Den glänzendsten Beweis hierfür liefert seine
Geschichte Wallensteins. Bei der Abfassung derselben erklärte er einfach, daß
es nicht seine Absicht sein könnte, in die Debatten des Für und Wider ein¬
zutreten, sondern daß er den Plan hege, "ans dem Kreise der Anklage und
Verteidigung herauszutreten und eine historische Anschauung des Friedländers
zu begründen." Eine Zeit lang hatte es den Anschein, als ob man von seiner
Darstellung werde abweichen und Wallenstein von jeglichem Verrat an Kaiser
und Reich freisprechen müssen. Die neueste Publikation aus dem Stockholmer
Archiv hat aber im vollsten Maße die Richtigkeit der Rankischen Auffassung
bestätigt.

Noch auf ein bedeutsames weiteres Wirken Rankes hinzuweisen ist hier
der Ort. Als König Max II. auf die Förderung der Geschichtsstudicn bedacht
war, da konnte er bei der Begründung einer historischen Kommission an Leopold
von Ranke nicht vorübergehen. Mit ihm erwog der König den Plan der
Grttnduug. Der Altmeister hat dann, was der Freund auf dem Throne groß
und frei gedacht, mit Umsicht ins Leben geführt. Nur ihm konnte der Vorsitz
übertragen werden, den er auch bis auf den heutigen Tag geführt hat, wenn
es ihm sein Gesundheitszustand gestattete. Auf Rankes Anregung wurde eine
Veröffentlichung der Reichstagsakten, eine Ausgabe der deutschen Städtcchrvnilen
veranlaßt. So ist denn die Geschichte der Kommission, aufs innigste mit Leopold
von Rankes Namen verknüpft. Wie er den Gedanken einer solchen Institution
zuerst erfaßte, so ist er es auch gewesen, der ihr frisches Leben zu geben und
zu bewahren gewußt hat. Niemand hat mehr als er darauf gewirkt, daß das
große nationale und wissenschaftliche Interesse, welches die Kommission ins
Dasein rief, auch bei ihren Arbeiten stets im Auge behalten wurde. Gerade
er war es, der das Augenmerk der Mitarbeitendem stets auf große Unter¬
nehmungen, welche über die Kreise der Fachgenossen hinaus Teilnahme zu er¬
wecken versprachen, wie die Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, die
Jahrbücher der deutschen Geschichte und die allgemeine deutsche Biographie, hin¬
lenkte und dem einmal gefaßten Plane gleich konkrete Gestalt gab.


Leopold von Ranke,

An dieser Stelle wird eine beiläufige Bemerkung nicht unangemessen sein.
Es ist vielen aufgefallen, daß Ranke in den zahlreichen Auflagen seiner ältern
Schriften so wenig umzuändern sich veranlaßt gesehen hat. Um dies zu be¬
greifen, muß man sich vergegenwärtige», daß Ranke niemals die Frucht auf
dem Halme verkaufte, sondern alle seine Ernten erst in jedem Sinne vollendet
zu Markte brachte. Zudem hat er sich selbst einmal darüber geäußert, daß
es ihm auch darauf ankomme, erkennbar sein zu lassen, wie er gerade zur Zeit
der Abfassung des Werkes sich die Sache vorgestellt habe. Die Hauptsache
liegt aber allerdings auch hierfür in jenem Grundzüge seiner Historie, sich frei¬
zuhalten von allem Wiedersehen, der Gegenwart, sogar, soweit das menschen¬
möglich ist, von der eignen subjektiven Meinung in den Fragen des Staates,
der Kirche und der Gesellschaft. Den glänzendsten Beweis hierfür liefert seine
Geschichte Wallensteins. Bei der Abfassung derselben erklärte er einfach, daß
es nicht seine Absicht sein könnte, in die Debatten des Für und Wider ein¬
zutreten, sondern daß er den Plan hege, „ans dem Kreise der Anklage und
Verteidigung herauszutreten und eine historische Anschauung des Friedländers
zu begründen." Eine Zeit lang hatte es den Anschein, als ob man von seiner
Darstellung werde abweichen und Wallenstein von jeglichem Verrat an Kaiser
und Reich freisprechen müssen. Die neueste Publikation aus dem Stockholmer
Archiv hat aber im vollsten Maße die Richtigkeit der Rankischen Auffassung
bestätigt.

Noch auf ein bedeutsames weiteres Wirken Rankes hinzuweisen ist hier
der Ort. Als König Max II. auf die Förderung der Geschichtsstudicn bedacht
war, da konnte er bei der Begründung einer historischen Kommission an Leopold
von Ranke nicht vorübergehen. Mit ihm erwog der König den Plan der
Grttnduug. Der Altmeister hat dann, was der Freund auf dem Throne groß
und frei gedacht, mit Umsicht ins Leben geführt. Nur ihm konnte der Vorsitz
übertragen werden, den er auch bis auf den heutigen Tag geführt hat, wenn
es ihm sein Gesundheitszustand gestattete. Auf Rankes Anregung wurde eine
Veröffentlichung der Reichstagsakten, eine Ausgabe der deutschen Städtcchrvnilen
veranlaßt. So ist denn die Geschichte der Kommission, aufs innigste mit Leopold
von Rankes Namen verknüpft. Wie er den Gedanken einer solchen Institution
zuerst erfaßte, so ist er es auch gewesen, der ihr frisches Leben zu geben und
zu bewahren gewußt hat. Niemand hat mehr als er darauf gewirkt, daß das
große nationale und wissenschaftliche Interesse, welches die Kommission ins
Dasein rief, auch bei ihren Arbeiten stets im Auge behalten wurde. Gerade
er war es, der das Augenmerk der Mitarbeitendem stets auf große Unter¬
nehmungen, welche über die Kreise der Fachgenossen hinaus Teilnahme zu er¬
wecken versprachen, wie die Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, die
Jahrbücher der deutschen Geschichte und die allgemeine deutsche Biographie, hin¬
lenkte und dem einmal gefaßten Plane gleich konkrete Gestalt gab.


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[0583] Leopold von Ranke, An dieser Stelle wird eine beiläufige Bemerkung nicht unangemessen sein. Es ist vielen aufgefallen, daß Ranke in den zahlreichen Auflagen seiner ältern Schriften so wenig umzuändern sich veranlaßt gesehen hat. Um dies zu be¬ greifen, muß man sich vergegenwärtige», daß Ranke niemals die Frucht auf dem Halme verkaufte, sondern alle seine Ernten erst in jedem Sinne vollendet zu Markte brachte. Zudem hat er sich selbst einmal darüber geäußert, daß es ihm auch darauf ankomme, erkennbar sein zu lassen, wie er gerade zur Zeit der Abfassung des Werkes sich die Sache vorgestellt habe. Die Hauptsache liegt aber allerdings auch hierfür in jenem Grundzüge seiner Historie, sich frei¬ zuhalten von allem Wiedersehen, der Gegenwart, sogar, soweit das menschen¬ möglich ist, von der eignen subjektiven Meinung in den Fragen des Staates, der Kirche und der Gesellschaft. Den glänzendsten Beweis hierfür liefert seine Geschichte Wallensteins. Bei der Abfassung derselben erklärte er einfach, daß es nicht seine Absicht sein könnte, in die Debatten des Für und Wider ein¬ zutreten, sondern daß er den Plan hege, „ans dem Kreise der Anklage und Verteidigung herauszutreten und eine historische Anschauung des Friedländers zu begründen." Eine Zeit lang hatte es den Anschein, als ob man von seiner Darstellung werde abweichen und Wallenstein von jeglichem Verrat an Kaiser und Reich freisprechen müssen. Die neueste Publikation aus dem Stockholmer Archiv hat aber im vollsten Maße die Richtigkeit der Rankischen Auffassung bestätigt. Noch auf ein bedeutsames weiteres Wirken Rankes hinzuweisen ist hier der Ort. Als König Max II. auf die Förderung der Geschichtsstudicn bedacht war, da konnte er bei der Begründung einer historischen Kommission an Leopold von Ranke nicht vorübergehen. Mit ihm erwog der König den Plan der Grttnduug. Der Altmeister hat dann, was der Freund auf dem Throne groß und frei gedacht, mit Umsicht ins Leben geführt. Nur ihm konnte der Vorsitz übertragen werden, den er auch bis auf den heutigen Tag geführt hat, wenn es ihm sein Gesundheitszustand gestattete. Auf Rankes Anregung wurde eine Veröffentlichung der Reichstagsakten, eine Ausgabe der deutschen Städtcchrvnilen veranlaßt. So ist denn die Geschichte der Kommission, aufs innigste mit Leopold von Rankes Namen verknüpft. Wie er den Gedanken einer solchen Institution zuerst erfaßte, so ist er es auch gewesen, der ihr frisches Leben zu geben und zu bewahren gewußt hat. Niemand hat mehr als er darauf gewirkt, daß das große nationale und wissenschaftliche Interesse, welches die Kommission ins Dasein rief, auch bei ihren Arbeiten stets im Auge behalten wurde. Gerade er war es, der das Augenmerk der Mitarbeitendem stets auf große Unter¬ nehmungen, welche über die Kreise der Fachgenossen hinaus Teilnahme zu er¬ wecken versprachen, wie die Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, die Jahrbücher der deutschen Geschichte und die allgemeine deutsche Biographie, hin¬ lenkte und dem einmal gefaßten Plane gleich konkrete Gestalt gab.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/583>, abgerufen am 15.01.2025.