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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Auf dem ^tilfser Joch.
von Adam von Festenberg. Erstes Aapitel.

arald Stolberg hatte, nachdem seinem Freunde Hertel und dessen
edler Gattin in Brüssel das Grabdeukiual gesetzt worden war,
seinen Heimweg angetreten und war nach Berlin zurückgekehrt.
Die Erlebnisse der letzten zwei Jahre, das jäh geendete Schicksal
Oswalds, das grausame Geschick, von welchen" schuldlos die edle Fran-
cesca betroffen worden war -- das alles hatte aus dem fröhlichen und harmlosen
Idealisten einen ernsten Mann, ans dem lachenden Philosophen einen grübelnden
Pessimisten gemacht. Für seinen innern Menschen waren die Wanderjahre zu¬
gleich die Lehrjahre gewesen. Was hatten doch die Freunde gerade von der
Entwicklung seines humoristischen Talents gehofft, als ihm die Akademie die
Medaille und aus der Beerschen Stiftung die Unterstützung zu einen, Jcchres-
anfenlhalt in Italien zuerkannt hatte: wie würde sich dann die Heiterkeit
seines Gemüts unter dem lachenden Himmel im Lande der Schönheit zu voller
Reife cuifalten; ja man hatte gefürchtet, daß Lust und Frohsinn sich in kecken
Übermut umwandeln und dieser in den vulkanischen Ausbrüchen einer kräftigen
Künstlerlaune das Maß verlieren würde, an dessen Grenzen, wie wohlwollende
Gönner meinten, Haralds Phantasie bereits augelangt war.

Heute saß Harald an dem Fenster vor sich hinbrntend in seinem Atelier, das
er sich vor einigen Tagen in der Corueliusstraße gemietet halte und dessen
Einrichtung mit einer dazu passenden Wohnung in Hast und Eile hergestellt war.

Damals war die Corncliusstrnße noch nicht mit den reiche" Bauten be¬
setzt, welche zurückgezogene Börsengrößen, ihre reichen Schwiegervater beerbende
Geheimrüte und die Kunst als blühendes Geschäft betreibende Porträtmaler in den
letzten Jahren errichtet hatten. Damals lagen noch weite Gartcuflächeu zwischen
und gegenüber den einzelnen Häusern, und in diesen hatten sich zum Teil Rentiers
ein stilles Luvn rMro, zum Teil Spekulanten einen Wechsel auf die Zukunft




Auf dem ^tilfser Joch.
von Adam von Festenberg. Erstes Aapitel.

arald Stolberg hatte, nachdem seinem Freunde Hertel und dessen
edler Gattin in Brüssel das Grabdeukiual gesetzt worden war,
seinen Heimweg angetreten und war nach Berlin zurückgekehrt.
Die Erlebnisse der letzten zwei Jahre, das jäh geendete Schicksal
Oswalds, das grausame Geschick, von welchen» schuldlos die edle Fran-
cesca betroffen worden war — das alles hatte aus dem fröhlichen und harmlosen
Idealisten einen ernsten Mann, ans dem lachenden Philosophen einen grübelnden
Pessimisten gemacht. Für seinen innern Menschen waren die Wanderjahre zu¬
gleich die Lehrjahre gewesen. Was hatten doch die Freunde gerade von der
Entwicklung seines humoristischen Talents gehofft, als ihm die Akademie die
Medaille und aus der Beerschen Stiftung die Unterstützung zu einen, Jcchres-
anfenlhalt in Italien zuerkannt hatte: wie würde sich dann die Heiterkeit
seines Gemüts unter dem lachenden Himmel im Lande der Schönheit zu voller
Reife cuifalten; ja man hatte gefürchtet, daß Lust und Frohsinn sich in kecken
Übermut umwandeln und dieser in den vulkanischen Ausbrüchen einer kräftigen
Künstlerlaune das Maß verlieren würde, an dessen Grenzen, wie wohlwollende
Gönner meinten, Haralds Phantasie bereits augelangt war.

Heute saß Harald an dem Fenster vor sich hinbrntend in seinem Atelier, das
er sich vor einigen Tagen in der Corueliusstraße gemietet halte und dessen
Einrichtung mit einer dazu passenden Wohnung in Hast und Eile hergestellt war.

Damals war die Corncliusstrnße noch nicht mit den reiche» Bauten be¬
setzt, welche zurückgezogene Börsengrößen, ihre reichen Schwiegervater beerbende
Geheimrüte und die Kunst als blühendes Geschäft betreibende Porträtmaler in den
letzten Jahren errichtet hatten. Damals lagen noch weite Gartcuflächeu zwischen
und gegenüber den einzelnen Häusern, und in diesen hatten sich zum Teil Rentiers
ein stilles Luvn rMro, zum Teil Spekulanten einen Wechsel auf die Zukunft


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[0058] [Abbildung] Auf dem ^tilfser Joch. von Adam von Festenberg. Erstes Aapitel. arald Stolberg hatte, nachdem seinem Freunde Hertel und dessen edler Gattin in Brüssel das Grabdeukiual gesetzt worden war, seinen Heimweg angetreten und war nach Berlin zurückgekehrt. Die Erlebnisse der letzten zwei Jahre, das jäh geendete Schicksal Oswalds, das grausame Geschick, von welchen» schuldlos die edle Fran- cesca betroffen worden war — das alles hatte aus dem fröhlichen und harmlosen Idealisten einen ernsten Mann, ans dem lachenden Philosophen einen grübelnden Pessimisten gemacht. Für seinen innern Menschen waren die Wanderjahre zu¬ gleich die Lehrjahre gewesen. Was hatten doch die Freunde gerade von der Entwicklung seines humoristischen Talents gehofft, als ihm die Akademie die Medaille und aus der Beerschen Stiftung die Unterstützung zu einen, Jcchres- anfenlhalt in Italien zuerkannt hatte: wie würde sich dann die Heiterkeit seines Gemüts unter dem lachenden Himmel im Lande der Schönheit zu voller Reife cuifalten; ja man hatte gefürchtet, daß Lust und Frohsinn sich in kecken Übermut umwandeln und dieser in den vulkanischen Ausbrüchen einer kräftigen Künstlerlaune das Maß verlieren würde, an dessen Grenzen, wie wohlwollende Gönner meinten, Haralds Phantasie bereits augelangt war. Heute saß Harald an dem Fenster vor sich hinbrntend in seinem Atelier, das er sich vor einigen Tagen in der Corueliusstraße gemietet halte und dessen Einrichtung mit einer dazu passenden Wohnung in Hast und Eile hergestellt war. Damals war die Corncliusstrnße noch nicht mit den reiche» Bauten be¬ setzt, welche zurückgezogene Börsengrößen, ihre reichen Schwiegervater beerbende Geheimrüte und die Kunst als blühendes Geschäft betreibende Porträtmaler in den letzten Jahren errichtet hatten. Damals lagen noch weite Gartcuflächeu zwischen und gegenüber den einzelnen Häusern, und in diesen hatten sich zum Teil Rentiers ein stilles Luvn rMro, zum Teil Spekulanten einen Wechsel auf die Zukunft

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/58>, abgerufen am 15.01.2025.