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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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vollem Rechte. Gleich bei seinen, ersten Auftreten als akademischer Lehrer hat
er seine Vorlesungen vom universalhistorischen Gesichtspunkte gehalten. Als er
zum erstenmale im Wintersemester 1825/26, also vor nunmehr sechzig Jahren,
das Katheder bestieg, trug er der Universalgeschichte ersten Teil vor. Seine
Vorträge haben bis zum Sommersemester 1871 (seitdem hat er kein Kolleg mehr
angekündigt) den Zeitraum der gesamten Geschichte von den ältesten Zeiten bis
auf die Gegenwart umfaßt. Er trachtete nicht darnach, durch elegant abge¬
rundete Essays die Ohren seiner Zuhörer zu bestricken, sondern es kam ihm
immer darauf an, seinen Schüler" die Methode der Forschung, vor allem die
Kritik klar vor Augen zu führen. Zu diesem Zwecke veranstaltete er auch gleich
im ersten Semester seiner akademischen Thätigkeit historische Übungen, um im
Wechselgespräche noch mehr die Fragen präzisiren zu können, auf deren Lösung
es ihm hauptsächlich ankam. Dies Bestreben zeigen auch deutlich seine Werke.
Wen, es daher uicht vergönnt war, selbst zu den Füßen des Meisters zu sitzen,
dem boten seine auf gediegnem Forschen aufgebauten Schriften reiche Gelegenheit,
sich in seine Art und Weise zu vertiefen. Nicht mir die Darstellung selbst, die
durch ihre klar und rein fließende Form anlockte, sondern in noch höherm Maße
die fast jedem Werke beigefügte" Analekten führten in die geistige Werkstätte
des Meisters el". So ist es denn gekommen, daß nnter den gegenwärtig lebenden
Historikern sich mir wenige befinden dürften, die Ranke nicht als ihren Lehr¬
meister anerkennen werden. Fast alle Universitäten haben darnach getrachtet,
gerade nautische Schüler als Lehrer zu gewinnen, und um diese haben sich
dann wieder neue Jünger geschaart. Von Rankes direkten Schülern sind vor
allem Georg Waitz, H.' von Sybel. W. Wattenbach. E. Dümmler zu nennen,
und an die beiden erster" namentlich hat sich dann wieder ein Kreis ange¬
schlossen, von Männern, die heute auch schon wieder als akademische Lehrer
Wirten. So sind von den Schülern H. von Sybels der leider früh verstorbene
K. von Nvvrden und Will). Maurenbrecher zu nennen.

Es liegt die Frage nahe, bei wem denn der Altmeister selbst in die Schule
gegangen. Als er im Jahre 1814 die Universität Leipzig bezog, hegte er nach
dem Brauch der damaligen Zeit den Plan, die theologischen Studien mit den
philologischen zu verbinde". Gerade damals wurden die Altertumsstudien mit
erneutem Eifer getrieben, und in Leipzig lehrte als bedeutendster Meister derselben
Gottfried Hermann. Die historischen Forscher der Gegenwart sollten nie vergessen,
daß sämtliche Begründer der jüngsten unter de" Wissenschaften bei der Philo¬
logie in die Lehre gegauge" sind. Gerade nnter ihrer Führung wurde die
Handbildung der Methode erlernt. Von Gottfried Hermann hat Ranke vor
allem die kritische Methode, dnrch die sich seine spätern Werke auszeichneten.
Freilich hat er sich in seinem spätern Leben auf diesen Meister uicht berufen.
Als er bei der Feier seines funfzigjährigen Dvktvrjnbilaums seinen gratuliren-
dcn Schülern in längerer Rede seinen Dank aussprach. gedachte er vor allem


vollem Rechte. Gleich bei seinen, ersten Auftreten als akademischer Lehrer hat
er seine Vorlesungen vom universalhistorischen Gesichtspunkte gehalten. Als er
zum erstenmale im Wintersemester 1825/26, also vor nunmehr sechzig Jahren,
das Katheder bestieg, trug er der Universalgeschichte ersten Teil vor. Seine
Vorträge haben bis zum Sommersemester 1871 (seitdem hat er kein Kolleg mehr
angekündigt) den Zeitraum der gesamten Geschichte von den ältesten Zeiten bis
auf die Gegenwart umfaßt. Er trachtete nicht darnach, durch elegant abge¬
rundete Essays die Ohren seiner Zuhörer zu bestricken, sondern es kam ihm
immer darauf an, seinen Schüler» die Methode der Forschung, vor allem die
Kritik klar vor Augen zu führen. Zu diesem Zwecke veranstaltete er auch gleich
im ersten Semester seiner akademischen Thätigkeit historische Übungen, um im
Wechselgespräche noch mehr die Fragen präzisiren zu können, auf deren Lösung
es ihm hauptsächlich ankam. Dies Bestreben zeigen auch deutlich seine Werke.
Wen, es daher uicht vergönnt war, selbst zu den Füßen des Meisters zu sitzen,
dem boten seine auf gediegnem Forschen aufgebauten Schriften reiche Gelegenheit,
sich in seine Art und Weise zu vertiefen. Nicht mir die Darstellung selbst, die
durch ihre klar und rein fließende Form anlockte, sondern in noch höherm Maße
die fast jedem Werke beigefügte» Analekten führten in die geistige Werkstätte
des Meisters el». So ist es denn gekommen, daß nnter den gegenwärtig lebenden
Historikern sich mir wenige befinden dürften, die Ranke nicht als ihren Lehr¬
meister anerkennen werden. Fast alle Universitäten haben darnach getrachtet,
gerade nautische Schüler als Lehrer zu gewinnen, und um diese haben sich
dann wieder neue Jünger geschaart. Von Rankes direkten Schülern sind vor
allem Georg Waitz, H.' von Sybel. W. Wattenbach. E. Dümmler zu nennen,
und an die beiden erster» namentlich hat sich dann wieder ein Kreis ange¬
schlossen, von Männern, die heute auch schon wieder als akademische Lehrer
Wirten. So sind von den Schülern H. von Sybels der leider früh verstorbene
K. von Nvvrden und Will). Maurenbrecher zu nennen.

Es liegt die Frage nahe, bei wem denn der Altmeister selbst in die Schule
gegangen. Als er im Jahre 1814 die Universität Leipzig bezog, hegte er nach
dem Brauch der damaligen Zeit den Plan, die theologischen Studien mit den
philologischen zu verbinde». Gerade damals wurden die Altertumsstudien mit
erneutem Eifer getrieben, und in Leipzig lehrte als bedeutendster Meister derselben
Gottfried Hermann. Die historischen Forscher der Gegenwart sollten nie vergessen,
daß sämtliche Begründer der jüngsten unter de» Wissenschaften bei der Philo¬
logie in die Lehre gegauge» sind. Gerade nnter ihrer Führung wurde die
Handbildung der Methode erlernt. Von Gottfried Hermann hat Ranke vor
allem die kritische Methode, dnrch die sich seine spätern Werke auszeichneten.
Freilich hat er sich in seinem spätern Leben auf diesen Meister uicht berufen.
Als er bei der Feier seines funfzigjährigen Dvktvrjnbilaums seinen gratuliren-
dcn Schülern in längerer Rede seinen Dank aussprach. gedachte er vor allem


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[0579] vollem Rechte. Gleich bei seinen, ersten Auftreten als akademischer Lehrer hat er seine Vorlesungen vom universalhistorischen Gesichtspunkte gehalten. Als er zum erstenmale im Wintersemester 1825/26, also vor nunmehr sechzig Jahren, das Katheder bestieg, trug er der Universalgeschichte ersten Teil vor. Seine Vorträge haben bis zum Sommersemester 1871 (seitdem hat er kein Kolleg mehr angekündigt) den Zeitraum der gesamten Geschichte von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart umfaßt. Er trachtete nicht darnach, durch elegant abge¬ rundete Essays die Ohren seiner Zuhörer zu bestricken, sondern es kam ihm immer darauf an, seinen Schüler» die Methode der Forschung, vor allem die Kritik klar vor Augen zu führen. Zu diesem Zwecke veranstaltete er auch gleich im ersten Semester seiner akademischen Thätigkeit historische Übungen, um im Wechselgespräche noch mehr die Fragen präzisiren zu können, auf deren Lösung es ihm hauptsächlich ankam. Dies Bestreben zeigen auch deutlich seine Werke. Wen, es daher uicht vergönnt war, selbst zu den Füßen des Meisters zu sitzen, dem boten seine auf gediegnem Forschen aufgebauten Schriften reiche Gelegenheit, sich in seine Art und Weise zu vertiefen. Nicht mir die Darstellung selbst, die durch ihre klar und rein fließende Form anlockte, sondern in noch höherm Maße die fast jedem Werke beigefügte» Analekten führten in die geistige Werkstätte des Meisters el». So ist es denn gekommen, daß nnter den gegenwärtig lebenden Historikern sich mir wenige befinden dürften, die Ranke nicht als ihren Lehr¬ meister anerkennen werden. Fast alle Universitäten haben darnach getrachtet, gerade nautische Schüler als Lehrer zu gewinnen, und um diese haben sich dann wieder neue Jünger geschaart. Von Rankes direkten Schülern sind vor allem Georg Waitz, H.' von Sybel. W. Wattenbach. E. Dümmler zu nennen, und an die beiden erster» namentlich hat sich dann wieder ein Kreis ange¬ schlossen, von Männern, die heute auch schon wieder als akademische Lehrer Wirten. So sind von den Schülern H. von Sybels der leider früh verstorbene K. von Nvvrden und Will). Maurenbrecher zu nennen. Es liegt die Frage nahe, bei wem denn der Altmeister selbst in die Schule gegangen. Als er im Jahre 1814 die Universität Leipzig bezog, hegte er nach dem Brauch der damaligen Zeit den Plan, die theologischen Studien mit den philologischen zu verbinde». Gerade damals wurden die Altertumsstudien mit erneutem Eifer getrieben, und in Leipzig lehrte als bedeutendster Meister derselben Gottfried Hermann. Die historischen Forscher der Gegenwart sollten nie vergessen, daß sämtliche Begründer der jüngsten unter de» Wissenschaften bei der Philo¬ logie in die Lehre gegauge» sind. Gerade nnter ihrer Führung wurde die Handbildung der Methode erlernt. Von Gottfried Hermann hat Ranke vor allem die kritische Methode, dnrch die sich seine spätern Werke auszeichneten. Freilich hat er sich in seinem spätern Leben auf diesen Meister uicht berufen. Als er bei der Feier seines funfzigjährigen Dvktvrjnbilaums seinen gratuliren- dcn Schülern in längerer Rede seinen Dank aussprach. gedachte er vor allem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/579>, abgerufen am 15.01.2025.