Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Wahrheitsliebe, das war das Ziel, welches ihr gesteckt war. Allerdings war In dieser Periode beschäftigte sich Ranke mehr als einmal mit der Frage Den stürmischen Zeiten, welche die vierziger Jahre über Preußen und das Grmzbvwl IV. I885>. 72
Wahrheitsliebe, das war das Ziel, welches ihr gesteckt war. Allerdings war In dieser Periode beschäftigte sich Ranke mehr als einmal mit der Frage Den stürmischen Zeiten, welche die vierziger Jahre über Preußen und das Grmzbvwl IV. I885>. 72
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Wahrheitsliebe, das war das Ziel, welches ihr gesteckt war. Allerdings war
die damalige Zeit nicht für derartige Bestrebungen empfänglich. Schon im
Jahre 1836 ging die Zeitschrift wieder ein.
In dieser Periode beschäftigte sich Ranke mehr als einmal mit der Frage
über die Verwandtschaft und den Unterschied der Historie und der Politik. Ein
Niederschlag derartiger Erwägungen ist die Rede, welche er zum Antritt der
ordentlichen Professur an der Universität Berlin im Jahre 1836 hielt. Es ist un¬
verkennbar, daß die Zeitereignisse selbst auf jene Erörterungen eingewirkt haben.
Wenn gerade damals des öftern die Verwandtschaft der Historie und Politik
erörtert wurde, so kann es nicht Wunder nehmen, daß der, welcher ein Hüter
der erster» war, es unternahm, darzulegen, welches die Grenzen dieser Wissen¬
schaft sind, wo die eine die andre berührt, wo sie sich zu trennen beginnen,
welcher Unterschied zwischen ihnen obwaltet. Die Aufgabe der Historie prä-
zisirte er dahin, das Wesen des Staates aus der Reihe der frühern Begeben¬
heiten darzuthun und zum Verständnis zu bringen; Sache der Politik aber sei es,
nach erfolgtem Verständnis und gewonnener Erkenntnis das Staatswesen weiter zu
entwickeln und zu vollenden. Die Kenntnis der Vergangenheit ohne Bekanntschaft
mit der Gegenwart erschien ihm unvollkommen, und ein Verständnis der Gegenwart
galt ihm für unmöglich ohne Kenntnis der frühern Zeiten. Die eine reicht der andern
die Hände: eine kann ohne die andre entweder garnicht bestehen oder doch
nicht vollkommen sein. Dennoch herrscht zwischen beiden ein Unterschied, den
Ranke mit theoretischer und praktischer Philosophie vergleicht. „Die eine be¬
zieht sich auf die Schule und geschäftlose Menschen, die andre mehr auf den
Markt, auf Zwiespalt und öffentliche Streitigkeiten; die eine wird im Schatten,
die andre mehr im Lichte des Tages geübt; für die eine genügt es zu erhalten,
die andre erhält nicht mir, sondern schafft auch Neues." Die Geschichte schien
ihm dazu bestimmt zu sein, daß sie einer gesunden Politik den Weg bahne und
auch solche Dunkelheiten und Täuschungen abwehre, wie sie gerade damals selbst
den besten Männern vor den Augen zu tanzen pflegten. Unter der Leitung
Historie sollte man lernen, daß jedem Zeitalter seine eigne Fehlerhaftigkeit
"»haftet, aber auch die eigentümliche Fähigkeit zur Tugend innewohnt.
Den stürmischen Zeiten, welche die vierziger Jahre über Preußen und das
königliche Haus brachte», hat Ranke nur mit Gram zugesehen. Als im Jahre
1848 vom Frankfurter Parlament dem preußischen Könige die deutsche Kaiser¬
krone angeboten wurde, da gehörte er zu denen, welche die Annahme derselben
rundweg aufgeschlagen wissen wollten. Infolge dieser Haltung zählte er
dann zu den im liberalen Lager bestgehaßten. Was ihm als Politiker vorge¬
worfen wurde, das übertrug mau auch auf den Historiker. In jenen aufge¬
regten Tagen, wo auch die Jugend an den politischen Vorgängen eifrigsten
Anteil nahm, entschloß sich Ranke, an der Hand der Wissenschaft ihr den rich¬
tigen Weg zu weisen. Als nämlich von einem jener Kämpfer der Paulskirche
Grmzbvwl IV. I885>. 72
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