Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Leopold von Ranke. Bestrebungen. So konnte es denn nicht ausbleiben, daß die Brüder in ihren Ge¬ Die Wiener Friedensakte hatte Sachsen, welches erst in letzter Stunde, Leopold von Ranke. Bestrebungen. So konnte es denn nicht ausbleiben, daß die Brüder in ihren Ge¬ Die Wiener Friedensakte hatte Sachsen, welches erst in letzter Stunde, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0576" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197310"/> <fw type="header" place="top"> Leopold von Ranke.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1905" prev="#ID_1904"> Bestrebungen. So konnte es denn nicht ausbleiben, daß die Brüder in ihren Ge¬<lb/> sprächen mich auf jene That Sands zu sprechen kamen. Als nnn der Jüngere eines<lb/> Tages der Verteidigung Sands sich unterzog, da erhob sich Leopold, in dessen<lb/> Zügen der tiefste Ernst zu lesen war, und sprach, ohne ein Weiteres hinzuzufügen,<lb/> die Worte: „Du sollst nicht töte»! Das ist Gottes Gebot." Dawider ließ sich<lb/> nichts einwenden, und dadurch war ein für allemal die Sache endgiltig ent¬<lb/> schieden. Mit jenem verirrten Jüngling, der die Morgenröte des Vater¬<lb/> landes heraufzuführen, gleichsam zu wecken wähnte, indem er den Dolch er¬<lb/> griff, konnte Leopold nun und nimmer sympathistren. Sein rechtlicher Sinn<lb/> verhinderte ihn eben daran. Aus demselben streng rechtlichen Wollen und<lb/> Fühlen ergab sich dann auch ein Weiteres.</p><lb/> <p xml:id="ID_1906" next="#ID_1907"> Die Wiener Friedensakte hatte Sachsen, welches erst in letzter Stunde,<lb/> als die Entscheidung auf dem Schlachtfelde schon getroffen war, die Sache der<lb/> Verbündeten zu der seinigen gemacht hatte, auf die Hälfte seines frühern Besitz¬<lb/> standes reduzirt. Dadurch war das Vaterhaus in Wiese dem preußischen<lb/> Staate zugewiesen worden. Dieser auf legalem Wege vollzogene Rechtsakt ist<lb/> dann für Ranke stets maßgebend gewesen. Dem preußischen Staate hat er nicht<lb/> allein deshalb, weil er in demselben als Beamter eine Stellung gefunden hatte,<lb/> seine Sympathien geschenkt, sondern auch die konservativen Ideen, mit deren<lb/> Hilfe in jenen Zeiten der Restauration das Preußentum sich zusammeuraffte,<lb/> fanden in Rankes Herzen lebhaften Wiederhall. Für sie ist er in den dreißiger<lb/> Jahren der öffentlichen Meinung zum Trotz gegen den französisch-modernen Libe¬<lb/> ralismus auch als politischer Schriftsteller aufgetreten. Aus diesem Ideenkreise ging<lb/> der Gedanke hervor, für die Verbreitung derartiger Gesinnungen ein festes Organ<lb/> zu schaffen. Mit einer Anzahl gleichgesinnter Männer vereinigte er sich im<lb/> Jahre 1832, um die Historisch-politische Zeitschrift zu gründen. Denn mit Be¬<lb/> trüben sah er, daß Deutschland, nachdem es von so vielen Entzweiungen heim¬<lb/> gesucht worden war, einer neuen gefährlichen Krisis entgegenging, welche doch<lb/> nur uni politischer Ansichten willen heraufbeschworen wurde. Seiner Meinung<lb/> nach mußte man den Zweck des Staates von den Mitteln, ihn zu erreichen,<lb/> sehr wohl unterscheiden. An wen sich die neue Schöpfung wenden wollte, sagte<lb/> die Vorrede des ersten Heftes mit klaren Worten: „Es giebt in Deutschland<lb/> so viele wohlgesinnte, ruhige, verständige Männer, welche Fähigkeiten und<lb/> Neigung haben, das Wesen von dem Scheine zu unterscheiden. Sie sind das<lb/> Publikum, an das wir uns werden. Ihrer Überzeugung einen Mittelpunkt zu<lb/> biete» und sie, so viel an uns liegt, zum öffentlichen Bewußtsein zu bringen,<lb/> würde unser Ehrgeiz sein." Die neue Zeitschrift sollte sich die Aufgabe stellen,<lb/> „nach und nach das Wichtigste zu umfassen, was ein denkender Zeitgenosse zu<lb/> erfahren wünsche» kan», um seine Zeit nicht nach irgend einem Begriff, sondern<lb/> in ihrer Realität zu verstehen und völlig mitzuleben." Dies in dem Geiste<lb/> eingehender Erforschung zu versuchen, in dem Geiste reiner und unparteiischer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0576]
Leopold von Ranke.
Bestrebungen. So konnte es denn nicht ausbleiben, daß die Brüder in ihren Ge¬
sprächen mich auf jene That Sands zu sprechen kamen. Als nnn der Jüngere eines
Tages der Verteidigung Sands sich unterzog, da erhob sich Leopold, in dessen
Zügen der tiefste Ernst zu lesen war, und sprach, ohne ein Weiteres hinzuzufügen,
die Worte: „Du sollst nicht töte»! Das ist Gottes Gebot." Dawider ließ sich
nichts einwenden, und dadurch war ein für allemal die Sache endgiltig ent¬
schieden. Mit jenem verirrten Jüngling, der die Morgenröte des Vater¬
landes heraufzuführen, gleichsam zu wecken wähnte, indem er den Dolch er¬
griff, konnte Leopold nun und nimmer sympathistren. Sein rechtlicher Sinn
verhinderte ihn eben daran. Aus demselben streng rechtlichen Wollen und
Fühlen ergab sich dann auch ein Weiteres.
Die Wiener Friedensakte hatte Sachsen, welches erst in letzter Stunde,
als die Entscheidung auf dem Schlachtfelde schon getroffen war, die Sache der
Verbündeten zu der seinigen gemacht hatte, auf die Hälfte seines frühern Besitz¬
standes reduzirt. Dadurch war das Vaterhaus in Wiese dem preußischen
Staate zugewiesen worden. Dieser auf legalem Wege vollzogene Rechtsakt ist
dann für Ranke stets maßgebend gewesen. Dem preußischen Staate hat er nicht
allein deshalb, weil er in demselben als Beamter eine Stellung gefunden hatte,
seine Sympathien geschenkt, sondern auch die konservativen Ideen, mit deren
Hilfe in jenen Zeiten der Restauration das Preußentum sich zusammeuraffte,
fanden in Rankes Herzen lebhaften Wiederhall. Für sie ist er in den dreißiger
Jahren der öffentlichen Meinung zum Trotz gegen den französisch-modernen Libe¬
ralismus auch als politischer Schriftsteller aufgetreten. Aus diesem Ideenkreise ging
der Gedanke hervor, für die Verbreitung derartiger Gesinnungen ein festes Organ
zu schaffen. Mit einer Anzahl gleichgesinnter Männer vereinigte er sich im
Jahre 1832, um die Historisch-politische Zeitschrift zu gründen. Denn mit Be¬
trüben sah er, daß Deutschland, nachdem es von so vielen Entzweiungen heim¬
gesucht worden war, einer neuen gefährlichen Krisis entgegenging, welche doch
nur uni politischer Ansichten willen heraufbeschworen wurde. Seiner Meinung
nach mußte man den Zweck des Staates von den Mitteln, ihn zu erreichen,
sehr wohl unterscheiden. An wen sich die neue Schöpfung wenden wollte, sagte
die Vorrede des ersten Heftes mit klaren Worten: „Es giebt in Deutschland
so viele wohlgesinnte, ruhige, verständige Männer, welche Fähigkeiten und
Neigung haben, das Wesen von dem Scheine zu unterscheiden. Sie sind das
Publikum, an das wir uns werden. Ihrer Überzeugung einen Mittelpunkt zu
biete» und sie, so viel an uns liegt, zum öffentlichen Bewußtsein zu bringen,
würde unser Ehrgeiz sein." Die neue Zeitschrift sollte sich die Aufgabe stellen,
„nach und nach das Wichtigste zu umfassen, was ein denkender Zeitgenosse zu
erfahren wünsche» kan», um seine Zeit nicht nach irgend einem Begriff, sondern
in ihrer Realität zu verstehen und völlig mitzuleben." Dies in dem Geiste
eingehender Erforschung zu versuchen, in dem Geiste reiner und unparteiischer
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |