Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Notizen. Jagdgründe, die freilich von wenig Erfolg begleitet waren und mehr zur Stärkung Sonst ist die öffentliche Diskussion bei uns im letzten Jahre aus die Frage Notizen. Jagdgründe, die freilich von wenig Erfolg begleitet waren und mehr zur Stärkung Sonst ist die öffentliche Diskussion bei uns im letzten Jahre aus die Frage <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0560" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197294"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1864" prev="#ID_1863"> Jagdgründe, die freilich von wenig Erfolg begleitet waren und mehr zur Stärkung<lb/> der Sozialdemokratie führten als zu der der ,.reinen bürgerlichen Demokratie."<lb/> Nun hatte aber die „Frankfurter Zeitung" des im Oktober 1884 glücklich aus dem<lb/> Reichstage ausgemerzten Herrn Sonnemann, der seine Villa beim Kaisereinzuge<lb/> 1881 nicht hatte beflaggen lassen, den Gedanken, daß die süddeutsche Volkspartei<lb/> sich mit der norddeutschen verbinden solle, daß Viridus unitis! die Losung sein müsse<lb/> und daß man so vielleicht auf Kosten des Zentrums sich wieder verstärken könne,<lb/> in welchem ja unstreitig eine Anzahl demokratisch gesinnter Männer sitzen. Da die<lb/> Demokratie von jeher alle Kulturkämpferei gemieden und gegen alle Ausnahmegesetze<lb/> gestimmt habe, so sei die Aussicht nicht gering, den demokratischen Teil des Zentrums<lb/> vom konservativen abzulösen, wenn man sich nnr sammle und mit ganzer Kraft in<lb/> die Agitation eintrete. Allein dabei stießen die Frankfurter und die sich ihnen an¬<lb/> schließenden rechtsrheinischen Baiern auf den entschiednen Widerstand der Schwaben.<lb/> Die Herren Mayer und Payer wollten von Verschmelzung oder auch uur von einem<lb/> Kartellverhältnis mit den norddeutschen Demokraten nichts wissen; sie mißtrauten<lb/> der Lebensfähigkeit derselben, sie wollten sich, wie weiland Napoleon der Dritte<lb/> 1866 von Oesterreich sagte, „nicht mit einem Kadaver alliiren"; und dann legten<lb/> sie auch Gewicht auf die Erhaltung der guten Beziehungen zur Gefolgschaft Eugen<lb/> Richters, welche offenbar nicht bestehen bleiben konnte, wenn man der Freund der<lb/> Feinde Richters wurde. So wurde auf dem Generaltage der Volkspartei in<lb/> Mannheim im Sommer 1835 der Anschluß an das Fähnlein Lenzmann mit drei¬<lb/> fünftel Mehrheit, 60 gegen etwa 4V, abgelehnt. Nun aber kam der „Hohenstaufen"<lb/> und machte auch in dieser Frage scharfe Opposition. Er bezichtigte Karl Mayer<lb/> geradehin, daß er bloß deshalb vom Anschluß an die nordischen Gesinnuugsverwaudten<lb/> nichts wissen wolle, weil er fürchte, dann nicht mehr die erste Geige in der Volks¬<lb/> partei zu spielen. Persönliche Eitelkeit dürfte aber in der Parteileitung keine Rolle<lb/> spielen, und speziell Mayer habe der demokratischen Sache zwar schon viel genützt,<lb/> noch mehr aber geschadet. Wenn demokratischen Kandidaten von den Gegnern gar-<lb/> nichts habe nachgesagt werden können, so habe man ihnen vorgeworfen, daß sie<lb/> Anhänger Mayers seien, und dessen UnPopularität habe sie jedesmal zu Fall<lb/> gebracht. Eine getrennte schwäbische Volkspartei, wie Mayer sie wolle, habe seit<lb/> 1870 keinen Sinn mehr, jede Partei, die Anspruch ans Beachtung und auf eine<lb/> Zukunft erheben wolle, müsse gesamtdeutsch, müsse national sein, und deshalb ent¬<lb/> scheide sich der „Hohenstaufen" für Stockmayer, der diese Notwendigkeit begreife.<lb/> Daß dem so war, that der Betreffende dann vor wenigen Wochen dnrch einen<lb/> Brief an Sonnemann und die in Heman tagende Versammlung der Partei ur¬<lb/> kundlich dar, worin er sich von den autochthonen Bestrebungen in der Demokratie<lb/> entschieden lossagte. Die Folge von dem allen aber ist, daß die Volkspartei innerlich<lb/> gesprengt ist, vermutlich werden die nächsten Wahlen dies auch äußerlich zur An¬<lb/> schauung bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1865" next="#ID_1866"> Sonst ist die öffentliche Diskussion bei uns im letzten Jahre aus die Frage<lb/> der Verfassuugsdnrchsicht gerichtet worden. Den Anlaß gab einmal die Forderung<lb/> der Stadt Stuttgart nach ausgiebigerer Vertretung im Landtage, wo sie mit ihren<lb/> 120 000 Einwohnern nur einen Abgeordneten hat, während sonst im Durchschnitt<lb/> einer aus 30 000 Seelen kommt, und dann der bedenkliche Zustand unsrer ersten<lb/> Kammer. Diese zählt abgesehen von den Prinzen des königlichen Hauses und etlichen<lb/> von der Krone auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern nnr noch einundzwanzig<lb/> Standesherren und ist nahezu nicht mehr in der Lage, die erforderlichen Arbeits¬<lb/> kräfte für die landständischen Aufgaben zu stellen. Deshalb hat die Regierung im</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0560]
Notizen.
Jagdgründe, die freilich von wenig Erfolg begleitet waren und mehr zur Stärkung
der Sozialdemokratie führten als zu der der ,.reinen bürgerlichen Demokratie."
Nun hatte aber die „Frankfurter Zeitung" des im Oktober 1884 glücklich aus dem
Reichstage ausgemerzten Herrn Sonnemann, der seine Villa beim Kaisereinzuge
1881 nicht hatte beflaggen lassen, den Gedanken, daß die süddeutsche Volkspartei
sich mit der norddeutschen verbinden solle, daß Viridus unitis! die Losung sein müsse
und daß man so vielleicht auf Kosten des Zentrums sich wieder verstärken könne,
in welchem ja unstreitig eine Anzahl demokratisch gesinnter Männer sitzen. Da die
Demokratie von jeher alle Kulturkämpferei gemieden und gegen alle Ausnahmegesetze
gestimmt habe, so sei die Aussicht nicht gering, den demokratischen Teil des Zentrums
vom konservativen abzulösen, wenn man sich nnr sammle und mit ganzer Kraft in
die Agitation eintrete. Allein dabei stießen die Frankfurter und die sich ihnen an¬
schließenden rechtsrheinischen Baiern auf den entschiednen Widerstand der Schwaben.
Die Herren Mayer und Payer wollten von Verschmelzung oder auch uur von einem
Kartellverhältnis mit den norddeutschen Demokraten nichts wissen; sie mißtrauten
der Lebensfähigkeit derselben, sie wollten sich, wie weiland Napoleon der Dritte
1866 von Oesterreich sagte, „nicht mit einem Kadaver alliiren"; und dann legten
sie auch Gewicht auf die Erhaltung der guten Beziehungen zur Gefolgschaft Eugen
Richters, welche offenbar nicht bestehen bleiben konnte, wenn man der Freund der
Feinde Richters wurde. So wurde auf dem Generaltage der Volkspartei in
Mannheim im Sommer 1835 der Anschluß an das Fähnlein Lenzmann mit drei¬
fünftel Mehrheit, 60 gegen etwa 4V, abgelehnt. Nun aber kam der „Hohenstaufen"
und machte auch in dieser Frage scharfe Opposition. Er bezichtigte Karl Mayer
geradehin, daß er bloß deshalb vom Anschluß an die nordischen Gesinnuugsverwaudten
nichts wissen wolle, weil er fürchte, dann nicht mehr die erste Geige in der Volks¬
partei zu spielen. Persönliche Eitelkeit dürfte aber in der Parteileitung keine Rolle
spielen, und speziell Mayer habe der demokratischen Sache zwar schon viel genützt,
noch mehr aber geschadet. Wenn demokratischen Kandidaten von den Gegnern gar-
nichts habe nachgesagt werden können, so habe man ihnen vorgeworfen, daß sie
Anhänger Mayers seien, und dessen UnPopularität habe sie jedesmal zu Fall
gebracht. Eine getrennte schwäbische Volkspartei, wie Mayer sie wolle, habe seit
1870 keinen Sinn mehr, jede Partei, die Anspruch ans Beachtung und auf eine
Zukunft erheben wolle, müsse gesamtdeutsch, müsse national sein, und deshalb ent¬
scheide sich der „Hohenstaufen" für Stockmayer, der diese Notwendigkeit begreife.
Daß dem so war, that der Betreffende dann vor wenigen Wochen dnrch einen
Brief an Sonnemann und die in Heman tagende Versammlung der Partei ur¬
kundlich dar, worin er sich von den autochthonen Bestrebungen in der Demokratie
entschieden lossagte. Die Folge von dem allen aber ist, daß die Volkspartei innerlich
gesprengt ist, vermutlich werden die nächsten Wahlen dies auch äußerlich zur An¬
schauung bringen.
Sonst ist die öffentliche Diskussion bei uns im letzten Jahre aus die Frage
der Verfassuugsdnrchsicht gerichtet worden. Den Anlaß gab einmal die Forderung
der Stadt Stuttgart nach ausgiebigerer Vertretung im Landtage, wo sie mit ihren
120 000 Einwohnern nur einen Abgeordneten hat, während sonst im Durchschnitt
einer aus 30 000 Seelen kommt, und dann der bedenkliche Zustand unsrer ersten
Kammer. Diese zählt abgesehen von den Prinzen des königlichen Hauses und etlichen
von der Krone auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern nnr noch einundzwanzig
Standesherren und ist nahezu nicht mehr in der Lage, die erforderlichen Arbeits¬
kräfte für die landständischen Aufgaben zu stellen. Deshalb hat die Regierung im
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