Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Nie Ansliefenmgsverträge mit Rußland. sie zum Abschluß solcher Verträge durchaus berechtigt, und diese bleiben in Daß die bisher mit partikularen Abschluß von Auslieferungsverträgen mit Nie Ansliefenmgsverträge mit Rußland. sie zum Abschluß solcher Verträge durchaus berechtigt, und diese bleiben in Daß die bisher mit partikularen Abschluß von Auslieferungsverträgen mit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0540" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197274"/> <fw type="header" place="top"> Nie Ansliefenmgsverträge mit Rußland.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1701" prev="#ID_1700"> sie zum Abschluß solcher Verträge durchaus berechtigt, und diese bleiben in<lb/> Kraft, solange nicht eine entgegenstehende reichsgesetzliche Regelung erfolgt. Eine<lb/> weitergehende Beschränkung der Autonomie der Einzelstaaten ist durch die<lb/> Reichsverfassung nicht eingeführt, und es ist insbesondre in Art. 4 derselben von<lb/> weiter nichts die Rede, als daß der „Beaufsichtigung" des Reiches und der<lb/> Gesetzgebung desselben die daselbst angeführte» Angelegenheiten (unter anderm<lb/> die Bestimmungen über die Fremdenpolizei) unterliegen. Macht das Reich von<lb/> dem Rechte dieser Beaufsichtigung keinen Gebrauch, so ist nicht abzusehen, warum<lb/> die Einzelstaaten nicht die ihnen notwendig erscheinenden Maßregeln sollten er¬<lb/> greifen können, da sie ja damit nicht in ein vom Reiche in Anspruch genommenes<lb/> Recht eingreifen, sondern nur ein von diesem nicht benutztes Recht ihrer ur¬<lb/> sprünglichen Berechtigung entsprechend ausüben, eine von der Reichsgesetzgebung<lb/> gelassene Lücke ausfüllen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1702"> Daß die bisher mit partikularen Abschluß von Auslieferungsverträgen mit<lb/> Rußland vorangegangenen Staaten Preußen und Baiern zum Abschlüsse dieser<lb/> Verträge ohne Befragung der Landstände nach ihren Verfassungen befugt waren,<lb/> ist nach den betreffenden Verfassungsbestimmungen außer allem Zweifel und<lb/> wurde auch durch die betreffenden Landstände nicht bestritten; ebenso ist die<lb/> würtenbergische Negierung zum Abschlüsse eines solchen Vertrages unabhängig<lb/> von der landständischen Vertretung befugt. Wenn es nun auch an sich wünschens¬<lb/> werter erscheint, daß ein solcher Vertrag mit einem fremden Staate vom ganzen<lb/> Reiche abgeschlossen wird, da die Einheit des Reiches auch in dieser Richtung<lb/> nach außen dokumentär werden sollte, so ist doch bei der bekannten Gesinnung<lb/> eines Teiles des Reichstages nicht zu erwarten, daß derselbe einem solchen Ver¬<lb/> trage zustimmen würde, und es bleibt deshalb nichts andres übrig, als daß von<lb/> den Einzelstaaten selbständig vorgegangen wird. Daß dieses Vonseiten der übrigen<lb/> deutschen Staaten möglichst bald geschehe, ist dringend zu wünschen, denn es<lb/> widerspricht ebenso dein Grundsatze der internationalen Rechtspflege, im Aus¬<lb/> lande begangene Verbrechen nicht der gebührenden Strafe entgegenzuführen, wie<lb/> dem eignen Interesse des Staates, sein Gebiet zum Asyl für fremde Verbrecher<lb/> zu machen, deren eignes Verhalten ja ihre Gefährlichkeit auch gegenüber dem<lb/> nunmehr betretenen Staatsgebiete beweist. Daß man bei Abschließung dieser<lb/> Verträge der politischen Absicht keine die Auslieferung ausschließende Bedeutung<lb/> beilegt, wenn die betreffenden Verbrechen auch in dieser sogenannten Absicht be¬<lb/> gangen werden, ist bloß zu billigen, denn was unter diesem Deckmantel für<lb/> Verbrechen verübt werden, haben uns die Schandthaten der Anarchisten deutlich<lb/> gezeigt. Die Bürger werden den Regierungen danken, wenn sie ihnen Schutz<lb/> gewähren trotz aller Bedenken „freisinniger" Politiker.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0540]
Nie Ansliefenmgsverträge mit Rußland.
sie zum Abschluß solcher Verträge durchaus berechtigt, und diese bleiben in
Kraft, solange nicht eine entgegenstehende reichsgesetzliche Regelung erfolgt. Eine
weitergehende Beschränkung der Autonomie der Einzelstaaten ist durch die
Reichsverfassung nicht eingeführt, und es ist insbesondre in Art. 4 derselben von
weiter nichts die Rede, als daß der „Beaufsichtigung" des Reiches und der
Gesetzgebung desselben die daselbst angeführte» Angelegenheiten (unter anderm
die Bestimmungen über die Fremdenpolizei) unterliegen. Macht das Reich von
dem Rechte dieser Beaufsichtigung keinen Gebrauch, so ist nicht abzusehen, warum
die Einzelstaaten nicht die ihnen notwendig erscheinenden Maßregeln sollten er¬
greifen können, da sie ja damit nicht in ein vom Reiche in Anspruch genommenes
Recht eingreifen, sondern nur ein von diesem nicht benutztes Recht ihrer ur¬
sprünglichen Berechtigung entsprechend ausüben, eine von der Reichsgesetzgebung
gelassene Lücke ausfüllen.
Daß die bisher mit partikularen Abschluß von Auslieferungsverträgen mit
Rußland vorangegangenen Staaten Preußen und Baiern zum Abschlüsse dieser
Verträge ohne Befragung der Landstände nach ihren Verfassungen befugt waren,
ist nach den betreffenden Verfassungsbestimmungen außer allem Zweifel und
wurde auch durch die betreffenden Landstände nicht bestritten; ebenso ist die
würtenbergische Negierung zum Abschlüsse eines solchen Vertrages unabhängig
von der landständischen Vertretung befugt. Wenn es nun auch an sich wünschens¬
werter erscheint, daß ein solcher Vertrag mit einem fremden Staate vom ganzen
Reiche abgeschlossen wird, da die Einheit des Reiches auch in dieser Richtung
nach außen dokumentär werden sollte, so ist doch bei der bekannten Gesinnung
eines Teiles des Reichstages nicht zu erwarten, daß derselbe einem solchen Ver¬
trage zustimmen würde, und es bleibt deshalb nichts andres übrig, als daß von
den Einzelstaaten selbständig vorgegangen wird. Daß dieses Vonseiten der übrigen
deutschen Staaten möglichst bald geschehe, ist dringend zu wünschen, denn es
widerspricht ebenso dein Grundsatze der internationalen Rechtspflege, im Aus¬
lande begangene Verbrechen nicht der gebührenden Strafe entgegenzuführen, wie
dem eignen Interesse des Staates, sein Gebiet zum Asyl für fremde Verbrecher
zu machen, deren eignes Verhalten ja ihre Gefährlichkeit auch gegenüber dem
nunmehr betretenen Staatsgebiete beweist. Daß man bei Abschließung dieser
Verträge der politischen Absicht keine die Auslieferung ausschließende Bedeutung
beilegt, wenn die betreffenden Verbrechen auch in dieser sogenannten Absicht be¬
gangen werden, ist bloß zu billigen, denn was unter diesem Deckmantel für
Verbrechen verübt werden, haben uns die Schandthaten der Anarchisten deutlich
gezeigt. Die Bürger werden den Regierungen danken, wenn sie ihnen Schutz
gewähren trotz aller Bedenken „freisinniger" Politiker.
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