Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Zur Verbesserung des Strafverfahrens. Einstellungsbeschluß zu fassen oder ein Vorverfahren durch den Amtsrichter zu Zur Verbesserung des Strafverfahrens. Einstellungsbeschluß zu fassen oder ein Vorverfahren durch den Amtsrichter zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197254"/> <fw type="header" place="top"> Zur Verbesserung des Strafverfahrens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1655" prev="#ID_1654" next="#ID_1656"> Einstellungsbeschluß zu fassen oder ein Vorverfahren durch den Amtsrichter zu<lb/> beantragen, was dieser nur, wie jetzt die Eröffnung einer Voruntersuchung, aus<lb/> den besondern Gründen des Z 178 der Strafprozeßordnung (Unzuständigkeit<lb/> oder mangelndes Strafgesetz u. s. w.) ablehnen dürfte. Durch eine solche Ein¬<lb/> schränkung der soeben aufgestellten Regel des selbständigen Einschreitens des<lb/> Amtsrichters würde diese nicht etwa zu sehr abgeschwächt, denn erfahrungsgemäß<lb/> bilden die Fälle, in denen alsbald klar ist, ob vorzugehen sei oder nicht, die<lb/> große Mehrzahl. Darum erscheint aber auch in den Fällen, in denen das Ver¬<lb/> fahren unbedenklich zu eröffnen ist, das Erfordernis eines Antrages des Staats¬<lb/> anwalts als eine nicht allzuschwer zu entbehrende Förmlichkeit, sobald nur das<lb/> hauptsächliche Interesse, das die Staatsanwaltschaft hat, Kenntnis von jeder<lb/> Sache zu erhalten, gewahrt wird. Dies könnte wohl durch die Vorschrift an<lb/> den Amtsrichter bewirkt werden, stets schriftlichen Beschluß über seine Eröffnung<lb/> des Verfahrens zu fassen, worin der Beschuldigte und die ihm zur Last gelegte<lb/> That zu bezeichnen wäre, und dem Staatsanwalt, in Abschrift oder Auszug, von<lb/> der Anzeige sowohl als dem darauf gefaßten Beschlusse unverzüglich Mitteilung<lb/> zu machen. Hierdurch wäre der Staatsanwalt in die Lage versetzt, eine ab¬<lb/> weichende Ansicht geltend zu macheu und das ihm erforderlich erscheinende zu<lb/> beantragen. Nur in den sicherlich seltenen Fällen eines Widerspruchs des Staats¬<lb/> anwalts gegen den Beschluß des Amtsrichters wäre die Weitläufigkeit der Ein¬<lb/> holung einer landgerichtlichen Entscheidung nicht zu vermeiden. Die Vorschrift,<lb/> daß der Amtsrichter seinen Beschluß über Eröffnung des Verfahrens schriftlich<lb/> zu machen habe, würde zugleich der Gefahr vorbeugen, daß die Untersuchung<lb/> sich in unbestimmten Richtungen verlöre; dehnt der Amtsrichter dieselbe auf<lb/> einen in ihrem Verlaufe neu hervortretenden Bcschuldiguugspunkt ans, so be¬<lb/> dürfte dies eines neuen, dem Staatsanwalt in gleicher Weise mitzuteilenden Be¬<lb/> schlusses. Selbstverständlich bliebe dem Staatsanwalt auch die ihm nach Z 194<lb/> der Strafprozeßordnung gegenüber dem Untersuchungsrichter zustehende Befugnis,<lb/> vom Stande der Untersuchung stets, ohne dadurch das Verfahren aufzuhalten,<lb/> durch Einsicht in die Alten Kenntnis zu nehmen. Ebenso müßte ihm das Recht<lb/> gewahrt bleiben, beim Landgericht zu beantragen, daß eine Sache dem Unter¬<lb/> suchungsrichter am Landgericht übertragen werde, wenn besondre sachliche oder<lb/> persönliche Gründe hierfür sprächen. Was also derzeit nach dem Gesetz die<lb/> Regel bildet, Voruntersuchung beim Landgericht, würde zur Ausnahme, und<lb/> was jetzt Ausnahme ist, Voruntersuchung beim Amtsgericht, zur Regel. Dies<lb/> entspräche nur dein, was thatsächlich schon jetzt sür Voruntersuchungen wegen<lb/> Strafthaten, die in größerer Entfernung vom Landgerichtssitz zu untersuchen sind,<lb/> zur Regel geworden ist. Dem Amtsrichter aber wird die Befähigung zur Führung<lb/> von schwierigeren Untersuchungen umso weniger abzusprechen sein, je mehr ihm<lb/> die Gelegenheit geboten ist, hierin Übung und Erfahrung zu gewinnen. Die<lb/> jetzige Einrichtung der Untersuchungsrichtern beim Landgericht scheint sich ohne-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0520]
Zur Verbesserung des Strafverfahrens.
Einstellungsbeschluß zu fassen oder ein Vorverfahren durch den Amtsrichter zu
beantragen, was dieser nur, wie jetzt die Eröffnung einer Voruntersuchung, aus
den besondern Gründen des Z 178 der Strafprozeßordnung (Unzuständigkeit
oder mangelndes Strafgesetz u. s. w.) ablehnen dürfte. Durch eine solche Ein¬
schränkung der soeben aufgestellten Regel des selbständigen Einschreitens des
Amtsrichters würde diese nicht etwa zu sehr abgeschwächt, denn erfahrungsgemäß
bilden die Fälle, in denen alsbald klar ist, ob vorzugehen sei oder nicht, die
große Mehrzahl. Darum erscheint aber auch in den Fällen, in denen das Ver¬
fahren unbedenklich zu eröffnen ist, das Erfordernis eines Antrages des Staats¬
anwalts als eine nicht allzuschwer zu entbehrende Förmlichkeit, sobald nur das
hauptsächliche Interesse, das die Staatsanwaltschaft hat, Kenntnis von jeder
Sache zu erhalten, gewahrt wird. Dies könnte wohl durch die Vorschrift an
den Amtsrichter bewirkt werden, stets schriftlichen Beschluß über seine Eröffnung
des Verfahrens zu fassen, worin der Beschuldigte und die ihm zur Last gelegte
That zu bezeichnen wäre, und dem Staatsanwalt, in Abschrift oder Auszug, von
der Anzeige sowohl als dem darauf gefaßten Beschlusse unverzüglich Mitteilung
zu machen. Hierdurch wäre der Staatsanwalt in die Lage versetzt, eine ab¬
weichende Ansicht geltend zu macheu und das ihm erforderlich erscheinende zu
beantragen. Nur in den sicherlich seltenen Fällen eines Widerspruchs des Staats¬
anwalts gegen den Beschluß des Amtsrichters wäre die Weitläufigkeit der Ein¬
holung einer landgerichtlichen Entscheidung nicht zu vermeiden. Die Vorschrift,
daß der Amtsrichter seinen Beschluß über Eröffnung des Verfahrens schriftlich
zu machen habe, würde zugleich der Gefahr vorbeugen, daß die Untersuchung
sich in unbestimmten Richtungen verlöre; dehnt der Amtsrichter dieselbe auf
einen in ihrem Verlaufe neu hervortretenden Bcschuldiguugspunkt ans, so be¬
dürfte dies eines neuen, dem Staatsanwalt in gleicher Weise mitzuteilenden Be¬
schlusses. Selbstverständlich bliebe dem Staatsanwalt auch die ihm nach Z 194
der Strafprozeßordnung gegenüber dem Untersuchungsrichter zustehende Befugnis,
vom Stande der Untersuchung stets, ohne dadurch das Verfahren aufzuhalten,
durch Einsicht in die Alten Kenntnis zu nehmen. Ebenso müßte ihm das Recht
gewahrt bleiben, beim Landgericht zu beantragen, daß eine Sache dem Unter¬
suchungsrichter am Landgericht übertragen werde, wenn besondre sachliche oder
persönliche Gründe hierfür sprächen. Was also derzeit nach dem Gesetz die
Regel bildet, Voruntersuchung beim Landgericht, würde zur Ausnahme, und
was jetzt Ausnahme ist, Voruntersuchung beim Amtsgericht, zur Regel. Dies
entspräche nur dein, was thatsächlich schon jetzt sür Voruntersuchungen wegen
Strafthaten, die in größerer Entfernung vom Landgerichtssitz zu untersuchen sind,
zur Regel geworden ist. Dem Amtsrichter aber wird die Befähigung zur Führung
von schwierigeren Untersuchungen umso weniger abzusprechen sein, je mehr ihm
die Gelegenheit geboten ist, hierin Übung und Erfahrung zu gewinnen. Die
jetzige Einrichtung der Untersuchungsrichtern beim Landgericht scheint sich ohne-
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