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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Das Malerische in der Plastik.

samtanlage der Komposition bleiben, wenn es auch dem Künstler gestattet
ist, im einzelnen von der strengen Schablone mehr oder weniger abzuweichen.
Im Relief dagegen bilden die malerischen Jnszenirnngcn eine Ausnahme, und
zwar, wie wir gesehen haben, eine unberechtigte Ausnahme. Der Schwerpunkt
der Reliefistik liegt nicht sowohl in architektonischen (oder landschaftlichen), als
vielmehr in fignralen Darstellungen."

Die Gründe, aus welchen Hauck die malerische Szenerie in Neliefdarstcl-
lungen von vornherein für unberechtigt erklärt, liegen, wie wir uns erinnern,
wesentlich darin, daß gerade dasjenige, was den Hauptreiz einer solche" land¬
schaftlichen oder architektonischen Szenerie ausmache, das Slimmungsclement,
sich der plastischen Darstellung entziehe. "Die Plastik, bemerkt Hauck im Zu¬
sammenhange mit einer bereits zitirten Stelle, kann die in ihr dargestellten
Handlungen nicht wie die Malerei in stimmungsvolle Szenerien einkleiden. Sie
muß die Stimmung in die handelnden Personen konzentriren und sich bezüglich
der erklärenden Szenerie, soweit es zum Verständnis notwendig erscheint, mit
knappen Andeutungen begnügen, wenn sie anders nicht den Eindruck des Tri¬
vialen, des Puppenstubenhaften hervorrufen will." In der That könnte bei der
plastischen Darstellung eines architektonischen Innenraumes, bei einem landschaft¬
lichen Reliefbilde ein solcher Eindruck kaum ausbleiben, sobald die Landschaft
oder das Interieur als Hauptsache erscheinen sollte. Eine derartige plastische
Darstellung wäre geradezu ein künstlerisches Unding. Für selbständige Land¬
schafts- und Architekturgemälde ist die Licht- und Luftstimmung ganz eigentlich
das belebende und beseelende Element, dasjenige, worin wesentlich ihr ästhetischer
Wert beruht. Hat aber die Landschaft oder das Architekturwerk als Hinter¬
grund einer figürlichen Darstellung eine nur untergeordnete, nebensächliche Be¬
deutung, wird auf die figürliche Darstellung der künstlerische Hauptacceut ge¬
legt, so wird man den Mangel jenes Stimmungselements in der Szenerie doch
schwerlich als einen Mangel empfinden und sich an der bloßen Formenbezeich-
nnng genügen lasse". Wenn in der Malerei jenes weite Gebiet der sogenannten
historischen Landschaft, in welcher die "Stimmung" iveit weniger als der pla¬
stische Charakter der landschaftlichen Formen betont wird, volle Berechtigung
hat, so wird man n"es nicht behaupten können, daß die Darstellung von land¬
schaftlichen oder architektonischen Hintergrunde" im Relief deshalb unzulässig sei,
weil ihnen der spezifisch malerische Stimmnngsreiz fehlt. Es kann sich nur
fragen, ob die bei einer solchen Darstellung erforderliche Anwendung perspektivischer
Gesetze und die dadurch bedingte perspektivische Behandlung der Figurenkompv-
sition mit der Beschaffenheit der reliefistischen Ausdrucksmittel nicht in Wider¬
spruch gerät. Für die Perspektivische Behandlung architektonischer Hintergründe
werden aus der Natur des Reliefs, wie aus Haucks eignen Bemerkungen her¬
vorgeht, keine besondern Schwierigkeiten erwachsen, auch nicht für diejenige land¬
schaftlicher Terraiuforme", sofern sie einfacher Art sind. Fraglich bleibt dies


Das Malerische in der Plastik.

samtanlage der Komposition bleiben, wenn es auch dem Künstler gestattet
ist, im einzelnen von der strengen Schablone mehr oder weniger abzuweichen.
Im Relief dagegen bilden die malerischen Jnszenirnngcn eine Ausnahme, und
zwar, wie wir gesehen haben, eine unberechtigte Ausnahme. Der Schwerpunkt
der Reliefistik liegt nicht sowohl in architektonischen (oder landschaftlichen), als
vielmehr in fignralen Darstellungen."

Die Gründe, aus welchen Hauck die malerische Szenerie in Neliefdarstcl-
lungen von vornherein für unberechtigt erklärt, liegen, wie wir uns erinnern,
wesentlich darin, daß gerade dasjenige, was den Hauptreiz einer solche» land¬
schaftlichen oder architektonischen Szenerie ausmache, das Slimmungsclement,
sich der plastischen Darstellung entziehe. „Die Plastik, bemerkt Hauck im Zu¬
sammenhange mit einer bereits zitirten Stelle, kann die in ihr dargestellten
Handlungen nicht wie die Malerei in stimmungsvolle Szenerien einkleiden. Sie
muß die Stimmung in die handelnden Personen konzentriren und sich bezüglich
der erklärenden Szenerie, soweit es zum Verständnis notwendig erscheint, mit
knappen Andeutungen begnügen, wenn sie anders nicht den Eindruck des Tri¬
vialen, des Puppenstubenhaften hervorrufen will." In der That könnte bei der
plastischen Darstellung eines architektonischen Innenraumes, bei einem landschaft¬
lichen Reliefbilde ein solcher Eindruck kaum ausbleiben, sobald die Landschaft
oder das Interieur als Hauptsache erscheinen sollte. Eine derartige plastische
Darstellung wäre geradezu ein künstlerisches Unding. Für selbständige Land¬
schafts- und Architekturgemälde ist die Licht- und Luftstimmung ganz eigentlich
das belebende und beseelende Element, dasjenige, worin wesentlich ihr ästhetischer
Wert beruht. Hat aber die Landschaft oder das Architekturwerk als Hinter¬
grund einer figürlichen Darstellung eine nur untergeordnete, nebensächliche Be¬
deutung, wird auf die figürliche Darstellung der künstlerische Hauptacceut ge¬
legt, so wird man den Mangel jenes Stimmungselements in der Szenerie doch
schwerlich als einen Mangel empfinden und sich an der bloßen Formenbezeich-
nnng genügen lasse». Wenn in der Malerei jenes weite Gebiet der sogenannten
historischen Landschaft, in welcher die „Stimmung" iveit weniger als der pla¬
stische Charakter der landschaftlichen Formen betont wird, volle Berechtigung
hat, so wird man n»es nicht behaupten können, daß die Darstellung von land¬
schaftlichen oder architektonischen Hintergrunde» im Relief deshalb unzulässig sei,
weil ihnen der spezifisch malerische Stimmnngsreiz fehlt. Es kann sich nur
fragen, ob die bei einer solchen Darstellung erforderliche Anwendung perspektivischer
Gesetze und die dadurch bedingte perspektivische Behandlung der Figurenkompv-
sition mit der Beschaffenheit der reliefistischen Ausdrucksmittel nicht in Wider¬
spruch gerät. Für die Perspektivische Behandlung architektonischer Hintergründe
werden aus der Natur des Reliefs, wie aus Haucks eignen Bemerkungen her¬
vorgeht, keine besondern Schwierigkeiten erwachsen, auch nicht für diejenige land¬
schaftlicher Terraiuforme», sofern sie einfacher Art sind. Fraglich bleibt dies


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[0495] Das Malerische in der Plastik. samtanlage der Komposition bleiben, wenn es auch dem Künstler gestattet ist, im einzelnen von der strengen Schablone mehr oder weniger abzuweichen. Im Relief dagegen bilden die malerischen Jnszenirnngcn eine Ausnahme, und zwar, wie wir gesehen haben, eine unberechtigte Ausnahme. Der Schwerpunkt der Reliefistik liegt nicht sowohl in architektonischen (oder landschaftlichen), als vielmehr in fignralen Darstellungen." Die Gründe, aus welchen Hauck die malerische Szenerie in Neliefdarstcl- lungen von vornherein für unberechtigt erklärt, liegen, wie wir uns erinnern, wesentlich darin, daß gerade dasjenige, was den Hauptreiz einer solche» land¬ schaftlichen oder architektonischen Szenerie ausmache, das Slimmungsclement, sich der plastischen Darstellung entziehe. „Die Plastik, bemerkt Hauck im Zu¬ sammenhange mit einer bereits zitirten Stelle, kann die in ihr dargestellten Handlungen nicht wie die Malerei in stimmungsvolle Szenerien einkleiden. Sie muß die Stimmung in die handelnden Personen konzentriren und sich bezüglich der erklärenden Szenerie, soweit es zum Verständnis notwendig erscheint, mit knappen Andeutungen begnügen, wenn sie anders nicht den Eindruck des Tri¬ vialen, des Puppenstubenhaften hervorrufen will." In der That könnte bei der plastischen Darstellung eines architektonischen Innenraumes, bei einem landschaft¬ lichen Reliefbilde ein solcher Eindruck kaum ausbleiben, sobald die Landschaft oder das Interieur als Hauptsache erscheinen sollte. Eine derartige plastische Darstellung wäre geradezu ein künstlerisches Unding. Für selbständige Land¬ schafts- und Architekturgemälde ist die Licht- und Luftstimmung ganz eigentlich das belebende und beseelende Element, dasjenige, worin wesentlich ihr ästhetischer Wert beruht. Hat aber die Landschaft oder das Architekturwerk als Hinter¬ grund einer figürlichen Darstellung eine nur untergeordnete, nebensächliche Be¬ deutung, wird auf die figürliche Darstellung der künstlerische Hauptacceut ge¬ legt, so wird man den Mangel jenes Stimmungselements in der Szenerie doch schwerlich als einen Mangel empfinden und sich an der bloßen Formenbezeich- nnng genügen lasse». Wenn in der Malerei jenes weite Gebiet der sogenannten historischen Landschaft, in welcher die „Stimmung" iveit weniger als der pla¬ stische Charakter der landschaftlichen Formen betont wird, volle Berechtigung hat, so wird man n»es nicht behaupten können, daß die Darstellung von land¬ schaftlichen oder architektonischen Hintergrunde» im Relief deshalb unzulässig sei, weil ihnen der spezifisch malerische Stimmnngsreiz fehlt. Es kann sich nur fragen, ob die bei einer solchen Darstellung erforderliche Anwendung perspektivischer Gesetze und die dadurch bedingte perspektivische Behandlung der Figurenkompv- sition mit der Beschaffenheit der reliefistischen Ausdrucksmittel nicht in Wider¬ spruch gerät. Für die Perspektivische Behandlung architektonischer Hintergründe werden aus der Natur des Reliefs, wie aus Haucks eignen Bemerkungen her¬ vorgeht, keine besondern Schwierigkeiten erwachsen, auch nicht für diejenige land¬ schaftlicher Terraiuforme», sofern sie einfacher Art sind. Fraglich bleibt dies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/495>, abgerufen am 15.01.2025.