Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Aur Verbesserung des Strafverfahrens. Wenig entsprochen. Soweit unsre Erfahrungen reichen, wird nur selten von der Den hier besprochnen Mißständen, welche namentlich durch die Teilung der Aur Verbesserung des Strafverfahrens. Wenig entsprochen. Soweit unsre Erfahrungen reichen, wird nur selten von der Den hier besprochnen Mißständen, welche namentlich durch die Teilung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197211"/> <fw type="header" place="top"> Aur Verbesserung des Strafverfahrens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1529" prev="#ID_1528"> Wenig entsprochen. Soweit unsre Erfahrungen reichen, wird nur selten von der<lb/> erteilten Frist Gebrauch gemacht, und wo dies ausnahmsweise einmal geschieht,<lb/> ist die Beschaffenheit des Falles gewöhnlich so, daß die gestellten Anträge ohne<lb/> weiteres als unbegründet zurückzuweisen sind. Entspricht sonach die berührte<lb/> Bestimmung des § 199 in den seltensten Fällen ihrem Zwecke, so hat sie<lb/> dagegen stets den einen sichern Erfolg, das Verfahren hinzuhalten. Diese Ver¬<lb/> zögerung, welche ausnahmslos in allen land- und schwnrgerichtlichen Fällen<lb/> eintreten muß, darf uicht deshalb gering geschätzt werden, weil sie in einem<lb/> Abschnitte des Verfahrens vorkommt, in dem von einer Gefahr im Verzug in<lb/> der Regel keine Rede mehr sein kann; denn sie bringt die Verlängerung einer<lb/> jeden Untersuchungshaft mit sich, und weil sie im einzelnen Falle meistens nur<lb/> nach einigen Tagen sich berechnet, wird sie auch nicht leicht einem Beschuldigten,<lb/> der zu einer Freiheitsstrafe von längern Monaten oder Jahren verurteilt wird,<lb/> auf die Strafzeit angerechnet; einem Freizusprechenden läßt sie sich überhaupt<lb/> nicht ersetzen. Auch die Staatskasse, welcher wegen Mittellosigkeit der meisten<lb/> Verurteilten der größte Teil der Haftkosten zur Last fällt, wird durch diese<lb/> regelmäßig eintretende Haftverlängerung erheblich in Mitleidenschaft gezogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1530"> Den hier besprochnen Mißständen, welche namentlich durch die Teilung der<lb/> Aufgaben des Vorverfahrens zwischen Staatsanwalt und Richter herbeigeführt<lb/> erscheinen, wird nun nicht leicht jemand dadurch abhelfen wollen, daß er die<lb/> Staatsanwälte an die Sitze der Amtsgerichte verteilt und gleichzeitig mit den<lb/> dem Richter vorbehaltenen Befugnissen in der Beweiserhebung ausstattet. Ersteres<lb/> verbietet sich schon aus außer» Gründen. (Um eine Zuziehung der Amtsanwälte<lb/> kann es sich nicht handeln, denn von ihnen wird juristische Ausbildung nicht<lb/> erfordert.) Wollte man je die nötige Zahl von höhern Beamten der Staats¬<lb/> anwaltschaft aufbringen, so würde es denselben an ausreichender Beschäftigung<lb/> fehlen. Was das zweite betrifft, so läge zwar eine unverkennbare Folgerichtigkeit<lb/> darin, die Staatsanwaltschaft ausschließlich zu der gesamten Thätigkeit zu<lb/> berufen, deren es zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung bedarf. Allein<lb/> diese Folge zu ziehen, verbietet sich aus dem schon im Eingang berührten<lb/> Grnnde, weil der Staatsanwaltschaft die Vertretung der Anklage obliegt und<lb/> sie hierdurch auf einen mit rein sachlicher Behandlung nicht leicht zu verein¬<lb/> barenden und jedenfalls des nötigen unbedingten Zutrauens in dieser Richtung<lb/> entbehrenden Parteistandpunkt gedrängt wird. (Schluß fol.u.)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0477]
Aur Verbesserung des Strafverfahrens.
Wenig entsprochen. Soweit unsre Erfahrungen reichen, wird nur selten von der
erteilten Frist Gebrauch gemacht, und wo dies ausnahmsweise einmal geschieht,
ist die Beschaffenheit des Falles gewöhnlich so, daß die gestellten Anträge ohne
weiteres als unbegründet zurückzuweisen sind. Entspricht sonach die berührte
Bestimmung des § 199 in den seltensten Fällen ihrem Zwecke, so hat sie
dagegen stets den einen sichern Erfolg, das Verfahren hinzuhalten. Diese Ver¬
zögerung, welche ausnahmslos in allen land- und schwnrgerichtlichen Fällen
eintreten muß, darf uicht deshalb gering geschätzt werden, weil sie in einem
Abschnitte des Verfahrens vorkommt, in dem von einer Gefahr im Verzug in
der Regel keine Rede mehr sein kann; denn sie bringt die Verlängerung einer
jeden Untersuchungshaft mit sich, und weil sie im einzelnen Falle meistens nur
nach einigen Tagen sich berechnet, wird sie auch nicht leicht einem Beschuldigten,
der zu einer Freiheitsstrafe von längern Monaten oder Jahren verurteilt wird,
auf die Strafzeit angerechnet; einem Freizusprechenden läßt sie sich überhaupt
nicht ersetzen. Auch die Staatskasse, welcher wegen Mittellosigkeit der meisten
Verurteilten der größte Teil der Haftkosten zur Last fällt, wird durch diese
regelmäßig eintretende Haftverlängerung erheblich in Mitleidenschaft gezogen.
Den hier besprochnen Mißständen, welche namentlich durch die Teilung der
Aufgaben des Vorverfahrens zwischen Staatsanwalt und Richter herbeigeführt
erscheinen, wird nun nicht leicht jemand dadurch abhelfen wollen, daß er die
Staatsanwälte an die Sitze der Amtsgerichte verteilt und gleichzeitig mit den
dem Richter vorbehaltenen Befugnissen in der Beweiserhebung ausstattet. Ersteres
verbietet sich schon aus außer» Gründen. (Um eine Zuziehung der Amtsanwälte
kann es sich nicht handeln, denn von ihnen wird juristische Ausbildung nicht
erfordert.) Wollte man je die nötige Zahl von höhern Beamten der Staats¬
anwaltschaft aufbringen, so würde es denselben an ausreichender Beschäftigung
fehlen. Was das zweite betrifft, so läge zwar eine unverkennbare Folgerichtigkeit
darin, die Staatsanwaltschaft ausschließlich zu der gesamten Thätigkeit zu
berufen, deren es zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung bedarf. Allein
diese Folge zu ziehen, verbietet sich aus dem schon im Eingang berührten
Grnnde, weil der Staatsanwaltschaft die Vertretung der Anklage obliegt und
sie hierdurch auf einen mit rein sachlicher Behandlung nicht leicht zu verein¬
barenden und jedenfalls des nötigen unbedingten Zutrauens in dieser Richtung
entbehrenden Parteistandpunkt gedrängt wird. (Schluß fol.u.)
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