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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Land und ein unverzinsliches Darlehen von etwa 4000 Mark erhalten. Indes
wollte er sich durchaus nicht in gesetzliche Verhältnisse fügen, und da er deshalb
mit dem Strafrichter zu thun bekam, ergriff er die Flucht nach Bulgarien, wo
er in Verbindung mit der dortigen Regierung und gleichzeitig mit dem Fürsten
Peter Karagcvrgewitsch, dem bekannten Thronprätendenten, trat und ein Werk¬
zeug des letzter" wurde. Auf seine Veranlassung wanderten mehrere hundert
Montenegriner mit Bewilligung der Regierung in Sofia nach Bulgarien und
siedelten sich hier dicht an der Grenze Serbiens an, und seitdem haben dieselben
unaufhörlich Raubzüge nach dem letztem unternommen und den Unterthanen
König Milans Schaden an Leben und Eigentum zugefügt. Zu diesen und
ähnlichen Beschwerdegründen aus frühern Jahren kamen in diesem Jahre noch
verschiedne andre, sodaß Serbien zuletzt daran denken mußte, sich gegen weitere
Ungebühr zu sichern.

Der Überhebung der Bulgaren, die sich zuletzt auch an ihren Suzercin
wagte und ihm die Provinz Ostrumelicn zu entreißen versuchte, ist rasch eine
gründliche Demütigung gefolgt, und die Serben werden den anmaßenden Nach'
barn wahrscheinlich bald ihren Großmachtswahn ausgetrieben haben. Die nach
menschlichem Ermessen unausbleibliche militärische Niederwerfung der Bulgaren
durch das serbische Heer wird sie belehren, daß man nicht ungestraft Willkür
übt, zumal wenn man Macht nur in seiner Einbildung besitzt. Fürst Alexander
wird jetzt Wohl schon einsehen, welches Elend seine Politik über sein Volk
gebracht hat, ein Elend, welches dessen Finanzen zu gründe richten und die
Entwicklung des Landes um mehr als ein Jahrzehnt hemmen muß, ganz ab'
gesehen von dem Verluste an Achtung, den es gleichzeitig erleidet. Gegen die
Türken glaubte man sicher zu sein, jetzt nehmen die Serben diesen die Aufgabe
ab, den Rechtsbruch in Ostrumelicn mit den Waffen zu beseitigen. Wenn die
Pforte dies nicht ohne den Auftrag Europas thun wollte, und dieser Auftrag
bisher infolge der zweideutigen Haltung der britischen Politik ausblieb, so kann
man sich mit gewissen Vorbehalten jetzt freuen, daß die Serben die Sache in
die Hand genommen haben. Die Niederlage, welche die Bulgaren jetzt erleiden,
und die Verluste an Leben, Eigentum und Ansehen, die ihr folgen werden,
können kaum verfehlen, die Stimmung des Volkes gegen diejenigen Kreise zu
lenken, welche die Schuld davon in erster Linie tragen, indem sie entweder den
Plan zur Beraubung der Pforte entwarfen und auszuführen versuchten oder
einer Versuchung zur Beteiligung an diesem Unrechte nicht widerstanden, wie
das eine gesetzmäßige und gesetzliebende Regierung zu thun hat. Allerdings
wird auch das siegreiche Serbien seiner Beute schwerlich froh werden, aber es
wird wenigstens ein Faustpfand in der Hand behalten, welches es gegen die Ver¬
größerung eines gefährlichen Nachbars sichert, und behaupten können, diese durch
sein Vorgehen vereitelt und Dank dafür verdient zu haben.

Fast wie Komik und Ironie klingt es in dem Aktenstücke, mit welchem


Grenzboten IV. 188S, no

Land und ein unverzinsliches Darlehen von etwa 4000 Mark erhalten. Indes
wollte er sich durchaus nicht in gesetzliche Verhältnisse fügen, und da er deshalb
mit dem Strafrichter zu thun bekam, ergriff er die Flucht nach Bulgarien, wo
er in Verbindung mit der dortigen Regierung und gleichzeitig mit dem Fürsten
Peter Karagcvrgewitsch, dem bekannten Thronprätendenten, trat und ein Werk¬
zeug des letzter» wurde. Auf seine Veranlassung wanderten mehrere hundert
Montenegriner mit Bewilligung der Regierung in Sofia nach Bulgarien und
siedelten sich hier dicht an der Grenze Serbiens an, und seitdem haben dieselben
unaufhörlich Raubzüge nach dem letztem unternommen und den Unterthanen
König Milans Schaden an Leben und Eigentum zugefügt. Zu diesen und
ähnlichen Beschwerdegründen aus frühern Jahren kamen in diesem Jahre noch
verschiedne andre, sodaß Serbien zuletzt daran denken mußte, sich gegen weitere
Ungebühr zu sichern.

Der Überhebung der Bulgaren, die sich zuletzt auch an ihren Suzercin
wagte und ihm die Provinz Ostrumelicn zu entreißen versuchte, ist rasch eine
gründliche Demütigung gefolgt, und die Serben werden den anmaßenden Nach'
barn wahrscheinlich bald ihren Großmachtswahn ausgetrieben haben. Die nach
menschlichem Ermessen unausbleibliche militärische Niederwerfung der Bulgaren
durch das serbische Heer wird sie belehren, daß man nicht ungestraft Willkür
übt, zumal wenn man Macht nur in seiner Einbildung besitzt. Fürst Alexander
wird jetzt Wohl schon einsehen, welches Elend seine Politik über sein Volk
gebracht hat, ein Elend, welches dessen Finanzen zu gründe richten und die
Entwicklung des Landes um mehr als ein Jahrzehnt hemmen muß, ganz ab'
gesehen von dem Verluste an Achtung, den es gleichzeitig erleidet. Gegen die
Türken glaubte man sicher zu sein, jetzt nehmen die Serben diesen die Aufgabe
ab, den Rechtsbruch in Ostrumelicn mit den Waffen zu beseitigen. Wenn die
Pforte dies nicht ohne den Auftrag Europas thun wollte, und dieser Auftrag
bisher infolge der zweideutigen Haltung der britischen Politik ausblieb, so kann
man sich mit gewissen Vorbehalten jetzt freuen, daß die Serben die Sache in
die Hand genommen haben. Die Niederlage, welche die Bulgaren jetzt erleiden,
und die Verluste an Leben, Eigentum und Ansehen, die ihr folgen werden,
können kaum verfehlen, die Stimmung des Volkes gegen diejenigen Kreise zu
lenken, welche die Schuld davon in erster Linie tragen, indem sie entweder den
Plan zur Beraubung der Pforte entwarfen und auszuführen versuchten oder
einer Versuchung zur Beteiligung an diesem Unrechte nicht widerstanden, wie
das eine gesetzmäßige und gesetzliebende Regierung zu thun hat. Allerdings
wird auch das siegreiche Serbien seiner Beute schwerlich froh werden, aber es
wird wenigstens ein Faustpfand in der Hand behalten, welches es gegen die Ver¬
größerung eines gefährlichen Nachbars sichert, und behaupten können, diese durch
sein Vorgehen vereitelt und Dank dafür verdient zu haben.

Fast wie Komik und Ironie klingt es in dem Aktenstücke, mit welchem


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[0449] Land und ein unverzinsliches Darlehen von etwa 4000 Mark erhalten. Indes wollte er sich durchaus nicht in gesetzliche Verhältnisse fügen, und da er deshalb mit dem Strafrichter zu thun bekam, ergriff er die Flucht nach Bulgarien, wo er in Verbindung mit der dortigen Regierung und gleichzeitig mit dem Fürsten Peter Karagcvrgewitsch, dem bekannten Thronprätendenten, trat und ein Werk¬ zeug des letzter» wurde. Auf seine Veranlassung wanderten mehrere hundert Montenegriner mit Bewilligung der Regierung in Sofia nach Bulgarien und siedelten sich hier dicht an der Grenze Serbiens an, und seitdem haben dieselben unaufhörlich Raubzüge nach dem letztem unternommen und den Unterthanen König Milans Schaden an Leben und Eigentum zugefügt. Zu diesen und ähnlichen Beschwerdegründen aus frühern Jahren kamen in diesem Jahre noch verschiedne andre, sodaß Serbien zuletzt daran denken mußte, sich gegen weitere Ungebühr zu sichern. Der Überhebung der Bulgaren, die sich zuletzt auch an ihren Suzercin wagte und ihm die Provinz Ostrumelicn zu entreißen versuchte, ist rasch eine gründliche Demütigung gefolgt, und die Serben werden den anmaßenden Nach' barn wahrscheinlich bald ihren Großmachtswahn ausgetrieben haben. Die nach menschlichem Ermessen unausbleibliche militärische Niederwerfung der Bulgaren durch das serbische Heer wird sie belehren, daß man nicht ungestraft Willkür übt, zumal wenn man Macht nur in seiner Einbildung besitzt. Fürst Alexander wird jetzt Wohl schon einsehen, welches Elend seine Politik über sein Volk gebracht hat, ein Elend, welches dessen Finanzen zu gründe richten und die Entwicklung des Landes um mehr als ein Jahrzehnt hemmen muß, ganz ab' gesehen von dem Verluste an Achtung, den es gleichzeitig erleidet. Gegen die Türken glaubte man sicher zu sein, jetzt nehmen die Serben diesen die Aufgabe ab, den Rechtsbruch in Ostrumelicn mit den Waffen zu beseitigen. Wenn die Pforte dies nicht ohne den Auftrag Europas thun wollte, und dieser Auftrag bisher infolge der zweideutigen Haltung der britischen Politik ausblieb, so kann man sich mit gewissen Vorbehalten jetzt freuen, daß die Serben die Sache in die Hand genommen haben. Die Niederlage, welche die Bulgaren jetzt erleiden, und die Verluste an Leben, Eigentum und Ansehen, die ihr folgen werden, können kaum verfehlen, die Stimmung des Volkes gegen diejenigen Kreise zu lenken, welche die Schuld davon in erster Linie tragen, indem sie entweder den Plan zur Beraubung der Pforte entwarfen und auszuführen versuchten oder einer Versuchung zur Beteiligung an diesem Unrechte nicht widerstanden, wie das eine gesetzmäßige und gesetzliebende Regierung zu thun hat. Allerdings wird auch das siegreiche Serbien seiner Beute schwerlich froh werden, aber es wird wenigstens ein Faustpfand in der Hand behalten, welches es gegen die Ver¬ größerung eines gefährlichen Nachbars sichert, und behaupten können, diese durch sein Vorgehen vereitelt und Dank dafür verdient zu haben. Fast wie Komik und Ironie klingt es in dem Aktenstücke, mit welchem Grenzboten IV. 188S, no

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/449>, abgerufen am 15.01.2025.