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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Aus Leipzigs Vergangenheit.

Jahr in seiner Ausgabe von "Goethes Briefen an Leipziger Freunde," Düntzer
und von Lvper in ihren Kommentaren zu "Dichtung und Wahrheit" ausführlich
gehandelt, wir besitzen darüber sogar ein eignes zweibäudiges Werk "Goethe und
Leipzig," mit dem Woldemar Freiherr von Biedermann die Goetheliteratur beschenkt
hat. Allein trotz so mancher trefflichen Vorarbeiter ist es Wustmaims Forschungs-
eifer gelungen, auch hier Ueberseheues nachzutragen, Irriges zu berichtigen. Die
"Goethehänser" -- seine Studenteuwohnung in der "Großen Feuerkugel," die Pleißen-
burg, wo Oeser wohnte, das Breitkopfische und das Schönkopfische Haus -- lernen
wir an Wustmnnns kundiger Führerhand, der in der Bnugeschichte Leipzigs wie
vielleicht kein zweiter Bescheid weiß, rennen; hieran reihen sich Nachrichten über die
alten Leipziger Kunstsammlungen und das Leipziger Theater während Goethes
Studienzeit. Die hier zum erstenmale versuchte Zusammenstellung der während
Goethes Anwesenheit gespielten Stücke wird von allen Goetheforschern mit besonderm
Danke hingenommen werden. Für die in "Dichtung und Wahrheit" erwähnten
Stndententunmlte werden aktenmäßige Nachweise geliefert. Den Schluß der "Goe-
thiana" bildet ein Aufsatz über Goethes "spätere Beziehungen zu Leipzig." Zu
den zwei von Strehlke angeführten Briefen Goethes an die Buchhandlung Frege
in Leipzig kommt nun durch Wustincmus Publikation ein Brief an den Leipziger
Bankier Chr. Gottlob Frege vom 21. Juli 1800 ("Je seltener es ist, daß man")
nebst einem Gutachten Goethes und einem gleichen C. A. Böttigers über eine in Frage
stehende antike Statuette. Daran reiht sich der interessante Nachweis, daß Goethes
"Nachricht von altdeutschen in Leipzig entdeckten Kunstschätzen" (Morgenblatt 22. März
1315) auf Grundlage von Quandts Mitteilungen an Goethe entstanden ist und
sich infolge dessen mit Quandts Aufsätzen in Ur. 121--126 der "Zeitung für die
elegante Welt" (1315) nahezu deckt, ein Verhältnis, welches Strehlke (Hempelsche
Goetheausgabe XXVIII, 550) unbekannt geblieben ist und auch von Abbe ("Goethe,
I- G. von Quandt und der sächsische Kunstverein") nicht erwähnt wird.

Während über Leipziger Kunstgegenstände und Künstler vier eigne Aufsätze
Wustmanns handeln -- Crauachs Sterbender im Leipziger Museum; Hans Kreil
der Fürstenmaler; die Leipziger Goldschmiede Hans Reinhart der Aeltere und der
Jüngere; Kunst und Künstler Leipzigs in der Barockzeit -- führt uns der letzte
Abschnitt der Sammlung noch einmal zu Goethe. "Lauchstädt, ein Modebnd der
Leipziger im achtzehnten Jahrhundert" wird uns von seinen unscheinbaren Anfängen
durch die Zeit seiner Blüte hindurch bis in den unheilbaren Verfall der Gegenwart
geschildert. Die kleine Monographie -- als eine solche könnte man den Aufsatz
mit Fug und Recht bezeichnen -- darf zugleich als ein Beitrag zur Goethe- und
Schillcrliteratur gelten. Die weimarische Theatertruppe hat ja bekanntlich eine
Reihe von Jahren hindurch in Lauchstädt gespielt; für die Eröffnung des neuen
Theaters in Lauchstädt hat Goethe sein Festspiel "Was wir bringen" gedichtet.
So weise" die Aufsätze, welche zunächst nur Kunde ans Leipzigs Vergangenheit
bringen sollten, stets auf weitere Verhältnisse, Thatsachen, welche allgemeines Interesse
erregen müssen, hin. Dies gilt selbst von dem Aufsatze, welcher am meisten ex¬
klusives Leipziger Interesse zu vertreten scheint, der biographischen Skizze über den
Leipziger Bürgermeister Karl Wilhelm Müller (15. September 1728 bis 28. Fe¬
bruar 1801), dessen Denkmal 1819 in den Leipziger Parkanlagen errichtet wurde.
Von den siebziger Jahren bis zu seinem Tode (1802) war er die Seele der
städtischen Verwaltung. Sein von Wustmann mit warmer Teilnahme gezeichnetes
Lebensbild zeigt, was allen Widerwärtigkeiten und Kabalen zum Trotz ein von
edelsten Absichten geleiteter energischer Wille leisten konnte, um Licht und Luft in


Aus Leipzigs Vergangenheit.

Jahr in seiner Ausgabe von „Goethes Briefen an Leipziger Freunde," Düntzer
und von Lvper in ihren Kommentaren zu „Dichtung und Wahrheit" ausführlich
gehandelt, wir besitzen darüber sogar ein eignes zweibäudiges Werk „Goethe und
Leipzig," mit dem Woldemar Freiherr von Biedermann die Goetheliteratur beschenkt
hat. Allein trotz so mancher trefflichen Vorarbeiter ist es Wustmaims Forschungs-
eifer gelungen, auch hier Ueberseheues nachzutragen, Irriges zu berichtigen. Die
„Goethehänser" — seine Studenteuwohnung in der „Großen Feuerkugel," die Pleißen-
burg, wo Oeser wohnte, das Breitkopfische und das Schönkopfische Haus — lernen
wir an Wustmnnns kundiger Führerhand, der in der Bnugeschichte Leipzigs wie
vielleicht kein zweiter Bescheid weiß, rennen; hieran reihen sich Nachrichten über die
alten Leipziger Kunstsammlungen und das Leipziger Theater während Goethes
Studienzeit. Die hier zum erstenmale versuchte Zusammenstellung der während
Goethes Anwesenheit gespielten Stücke wird von allen Goetheforschern mit besonderm
Danke hingenommen werden. Für die in „Dichtung und Wahrheit" erwähnten
Stndententunmlte werden aktenmäßige Nachweise geliefert. Den Schluß der „Goe-
thiana" bildet ein Aufsatz über Goethes „spätere Beziehungen zu Leipzig." Zu
den zwei von Strehlke angeführten Briefen Goethes an die Buchhandlung Frege
in Leipzig kommt nun durch Wustincmus Publikation ein Brief an den Leipziger
Bankier Chr. Gottlob Frege vom 21. Juli 1800 („Je seltener es ist, daß man")
nebst einem Gutachten Goethes und einem gleichen C. A. Böttigers über eine in Frage
stehende antike Statuette. Daran reiht sich der interessante Nachweis, daß Goethes
„Nachricht von altdeutschen in Leipzig entdeckten Kunstschätzen" (Morgenblatt 22. März
1315) auf Grundlage von Quandts Mitteilungen an Goethe entstanden ist und
sich infolge dessen mit Quandts Aufsätzen in Ur. 121—126 der „Zeitung für die
elegante Welt" (1315) nahezu deckt, ein Verhältnis, welches Strehlke (Hempelsche
Goetheausgabe XXVIII, 550) unbekannt geblieben ist und auch von Abbe („Goethe,
I- G. von Quandt und der sächsische Kunstverein") nicht erwähnt wird.

Während über Leipziger Kunstgegenstände und Künstler vier eigne Aufsätze
Wustmanns handeln — Crauachs Sterbender im Leipziger Museum; Hans Kreil
der Fürstenmaler; die Leipziger Goldschmiede Hans Reinhart der Aeltere und der
Jüngere; Kunst und Künstler Leipzigs in der Barockzeit — führt uns der letzte
Abschnitt der Sammlung noch einmal zu Goethe. „Lauchstädt, ein Modebnd der
Leipziger im achtzehnten Jahrhundert" wird uns von seinen unscheinbaren Anfängen
durch die Zeit seiner Blüte hindurch bis in den unheilbaren Verfall der Gegenwart
geschildert. Die kleine Monographie — als eine solche könnte man den Aufsatz
mit Fug und Recht bezeichnen — darf zugleich als ein Beitrag zur Goethe- und
Schillcrliteratur gelten. Die weimarische Theatertruppe hat ja bekanntlich eine
Reihe von Jahren hindurch in Lauchstädt gespielt; für die Eröffnung des neuen
Theaters in Lauchstädt hat Goethe sein Festspiel „Was wir bringen" gedichtet.
So weise» die Aufsätze, welche zunächst nur Kunde ans Leipzigs Vergangenheit
bringen sollten, stets auf weitere Verhältnisse, Thatsachen, welche allgemeines Interesse
erregen müssen, hin. Dies gilt selbst von dem Aufsatze, welcher am meisten ex¬
klusives Leipziger Interesse zu vertreten scheint, der biographischen Skizze über den
Leipziger Bürgermeister Karl Wilhelm Müller (15. September 1728 bis 28. Fe¬
bruar 1801), dessen Denkmal 1819 in den Leipziger Parkanlagen errichtet wurde.
Von den siebziger Jahren bis zu seinem Tode (1802) war er die Seele der
städtischen Verwaltung. Sein von Wustmann mit warmer Teilnahme gezeichnetes
Lebensbild zeigt, was allen Widerwärtigkeiten und Kabalen zum Trotz ein von
edelsten Absichten geleiteter energischer Wille leisten konnte, um Licht und Luft in


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[0445] Aus Leipzigs Vergangenheit. Jahr in seiner Ausgabe von „Goethes Briefen an Leipziger Freunde," Düntzer und von Lvper in ihren Kommentaren zu „Dichtung und Wahrheit" ausführlich gehandelt, wir besitzen darüber sogar ein eignes zweibäudiges Werk „Goethe und Leipzig," mit dem Woldemar Freiherr von Biedermann die Goetheliteratur beschenkt hat. Allein trotz so mancher trefflichen Vorarbeiter ist es Wustmaims Forschungs- eifer gelungen, auch hier Ueberseheues nachzutragen, Irriges zu berichtigen. Die „Goethehänser" — seine Studenteuwohnung in der „Großen Feuerkugel," die Pleißen- burg, wo Oeser wohnte, das Breitkopfische und das Schönkopfische Haus — lernen wir an Wustmnnns kundiger Führerhand, der in der Bnugeschichte Leipzigs wie vielleicht kein zweiter Bescheid weiß, rennen; hieran reihen sich Nachrichten über die alten Leipziger Kunstsammlungen und das Leipziger Theater während Goethes Studienzeit. Die hier zum erstenmale versuchte Zusammenstellung der während Goethes Anwesenheit gespielten Stücke wird von allen Goetheforschern mit besonderm Danke hingenommen werden. Für die in „Dichtung und Wahrheit" erwähnten Stndententunmlte werden aktenmäßige Nachweise geliefert. Den Schluß der „Goe- thiana" bildet ein Aufsatz über Goethes „spätere Beziehungen zu Leipzig." Zu den zwei von Strehlke angeführten Briefen Goethes an die Buchhandlung Frege in Leipzig kommt nun durch Wustincmus Publikation ein Brief an den Leipziger Bankier Chr. Gottlob Frege vom 21. Juli 1800 („Je seltener es ist, daß man") nebst einem Gutachten Goethes und einem gleichen C. A. Böttigers über eine in Frage stehende antike Statuette. Daran reiht sich der interessante Nachweis, daß Goethes „Nachricht von altdeutschen in Leipzig entdeckten Kunstschätzen" (Morgenblatt 22. März 1315) auf Grundlage von Quandts Mitteilungen an Goethe entstanden ist und sich infolge dessen mit Quandts Aufsätzen in Ur. 121—126 der „Zeitung für die elegante Welt" (1315) nahezu deckt, ein Verhältnis, welches Strehlke (Hempelsche Goetheausgabe XXVIII, 550) unbekannt geblieben ist und auch von Abbe („Goethe, I- G. von Quandt und der sächsische Kunstverein") nicht erwähnt wird. Während über Leipziger Kunstgegenstände und Künstler vier eigne Aufsätze Wustmanns handeln — Crauachs Sterbender im Leipziger Museum; Hans Kreil der Fürstenmaler; die Leipziger Goldschmiede Hans Reinhart der Aeltere und der Jüngere; Kunst und Künstler Leipzigs in der Barockzeit — führt uns der letzte Abschnitt der Sammlung noch einmal zu Goethe. „Lauchstädt, ein Modebnd der Leipziger im achtzehnten Jahrhundert" wird uns von seinen unscheinbaren Anfängen durch die Zeit seiner Blüte hindurch bis in den unheilbaren Verfall der Gegenwart geschildert. Die kleine Monographie — als eine solche könnte man den Aufsatz mit Fug und Recht bezeichnen — darf zugleich als ein Beitrag zur Goethe- und Schillcrliteratur gelten. Die weimarische Theatertruppe hat ja bekanntlich eine Reihe von Jahren hindurch in Lauchstädt gespielt; für die Eröffnung des neuen Theaters in Lauchstädt hat Goethe sein Festspiel „Was wir bringen" gedichtet. So weise» die Aufsätze, welche zunächst nur Kunde ans Leipzigs Vergangenheit bringen sollten, stets auf weitere Verhältnisse, Thatsachen, welche allgemeines Interesse erregen müssen, hin. Dies gilt selbst von dem Aufsatze, welcher am meisten ex¬ klusives Leipziger Interesse zu vertreten scheint, der biographischen Skizze über den Leipziger Bürgermeister Karl Wilhelm Müller (15. September 1728 bis 28. Fe¬ bruar 1801), dessen Denkmal 1819 in den Leipziger Parkanlagen errichtet wurde. Von den siebziger Jahren bis zu seinem Tode (1802) war er die Seele der städtischen Verwaltung. Sein von Wustmann mit warmer Teilnahme gezeichnetes Lebensbild zeigt, was allen Widerwärtigkeiten und Kabalen zum Trotz ein von edelsten Absichten geleiteter energischer Wille leisten konnte, um Licht und Luft in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/445>, abgerufen am 15.01.2025.