Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.An der Heilquelle. schaffen, das nun dnrch Stellung in den Kreuzungspunkt äußerer Beziehungen Eine Schwierigkeit freilich ist dabei nicht zu verkennen. Der Dichter er¬ Eine reiche und kraftvolle Phantasie wird freilich auch ohnehin nicht um An der Heilquelle. schaffen, das nun dnrch Stellung in den Kreuzungspunkt äußerer Beziehungen Eine Schwierigkeit freilich ist dabei nicht zu verkennen. Der Dichter er¬ Eine reiche und kraftvolle Phantasie wird freilich auch ohnehin nicht um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0383" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197117"/> <fw type="header" place="top"> An der Heilquelle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1205" prev="#ID_1204"> schaffen, das nun dnrch Stellung in den Kreuzungspunkt äußerer Beziehungen<lb/> und durch Einwirkungen auf die Handlungen peripherer Gruppen nach Gut¬<lb/> dünken und Erfordernis gestärkt und verdeutlicht werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1206"> Eine Schwierigkeit freilich ist dabei nicht zu verkennen. Der Dichter er¬<lb/> findet nicht auf Bestellung und uach Maß, Ihm tauche» ans der geheimen<lb/> Werkstatt der schaffenden Phantasie Figuren auf, noch unbestimmt in den Einzel¬<lb/> heiten ihrer äußern Erscheinung, aber festgefügt in deu bestimmenden Punkten<lb/> ihrer individuellen seelischen Existenz. Sie tauchen ihm auf, nicht vage und<lb/> isolirt, sondern in einer bestimmten Beziehung zum Hauptmotiv oder zu andern,<lb/> bereits feststehenden Figuren. Ja an ihnen selbst bilden sie sich, teils als Er¬<lb/> gänzung, teils als Gegensatz. Und ähnlich verhält es sich rin der Erfindung<lb/> der Handlung. Vielfach sind es vereinzelte hübsche oder interessante Bilder,<lb/> originelle Charakterzüge, frappante Szenen, die, wie sie in der Phantasie auf¬<lb/> tauchen, meist auch gleich in einer bestimmten Stellung zur Haupthandlung<lb/> auftauchen, die der Dichter bereits fest in der Seele trägt. Nun soll er dies<lb/> alles so ordnen, korrigiren, verbinden, trennen, daß jede Nebenhandlung in<lb/> ihrem Ablauf einen Teil der Haupthandlung, nnr unter andern Bedingungen,<lb/> >"it andern Charakteren und demnach mit andern Ergebnissen wiederholt. Wie<lb/> leicht, daß das Ende vom Liede dann ein recht verständig ineinander gefügtes,<lb/> i" sich gut zusammenpassendes, korrekt gegliedertes Gerüst ist, das aber in seiner<lb/> Umkleidung und Ausfüllung nimmermehr zum frisch erfundenen, lebendigen Kunst¬<lb/> werke mit kraftvoll pulsirender Handlung wird. Der wirkliche Dichter freilich<lb/> wird sich auch dieser Gefahr überlegen wissen; gewohnt, ohnehin nicht regellos<lb/> ?w schaffen, wird sich ihm eine reiche und lebhafte Phantasie bald mit dem<lb/> antizipirten Gesamtbilde des Kunstwerkes sättigen und so wieder unbefangen<lb/> und doch passend erfinden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1207" next="#ID_1208"> Eine reiche und kraftvolle Phantasie wird freilich auch ohnehin nicht um<lb/> Mittel verlegen sein, ihr geschaffenes Weltbild korrekt perspektivisch abzntönen.<lb/> Ein altes, von erfindungsreichen Poeten mit Vorliebe gepflogenes Mittel giebt<lb/> dem schwachen, die Last der ganzen Handlung nicht mit Leichtigkeit tragenden<lb/> Grundniotiv eine wirkungsvolle und besonders dem Zwecke kräftiger Hervor¬<lb/> hebung dienende Stütze in der Verbindung der sich natürlich entwickelnden<lb/> Handlung mit ausfallenden, stark spannenden Ereignissen außerhalb des engern<lb/> Kreises der sich notwendig aus der Fabel entwickelnden Begebenheiten. Es<lb/> treten an die hervorzuhebenden Hauptpersonen Schicksale, Ereignisse heran, deren<lb/> Originalität oder Bedentscunkeit den Betreffenden mit leichter Mühe den Löwen¬<lb/> anteil vom Interesse und der Aufmerksamkeit des Lesers sichert, ohne geradezu<lb/> fremdartig und störend die eigne Atmosphäre des Kunstwerkes zu trüben. Es<lb/> gehört Geschmack und Geschick dazu, dergleichen gänzlich von außen herein¬<lb/> dringende Begebenheiten gut zu erfinden, d. h. so, daß sie wahrscheinlich bleiben<lb/> und die Charaktere nicht folgerichtig eigentlich aus der Richtung hinausreißeu,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0383]
An der Heilquelle.
schaffen, das nun dnrch Stellung in den Kreuzungspunkt äußerer Beziehungen
und durch Einwirkungen auf die Handlungen peripherer Gruppen nach Gut¬
dünken und Erfordernis gestärkt und verdeutlicht werden kann.
Eine Schwierigkeit freilich ist dabei nicht zu verkennen. Der Dichter er¬
findet nicht auf Bestellung und uach Maß, Ihm tauche» ans der geheimen
Werkstatt der schaffenden Phantasie Figuren auf, noch unbestimmt in den Einzel¬
heiten ihrer äußern Erscheinung, aber festgefügt in deu bestimmenden Punkten
ihrer individuellen seelischen Existenz. Sie tauchen ihm auf, nicht vage und
isolirt, sondern in einer bestimmten Beziehung zum Hauptmotiv oder zu andern,
bereits feststehenden Figuren. Ja an ihnen selbst bilden sie sich, teils als Er¬
gänzung, teils als Gegensatz. Und ähnlich verhält es sich rin der Erfindung
der Handlung. Vielfach sind es vereinzelte hübsche oder interessante Bilder,
originelle Charakterzüge, frappante Szenen, die, wie sie in der Phantasie auf¬
tauchen, meist auch gleich in einer bestimmten Stellung zur Haupthandlung
auftauchen, die der Dichter bereits fest in der Seele trägt. Nun soll er dies
alles so ordnen, korrigiren, verbinden, trennen, daß jede Nebenhandlung in
ihrem Ablauf einen Teil der Haupthandlung, nnr unter andern Bedingungen,
>"it andern Charakteren und demnach mit andern Ergebnissen wiederholt. Wie
leicht, daß das Ende vom Liede dann ein recht verständig ineinander gefügtes,
i" sich gut zusammenpassendes, korrekt gegliedertes Gerüst ist, das aber in seiner
Umkleidung und Ausfüllung nimmermehr zum frisch erfundenen, lebendigen Kunst¬
werke mit kraftvoll pulsirender Handlung wird. Der wirkliche Dichter freilich
wird sich auch dieser Gefahr überlegen wissen; gewohnt, ohnehin nicht regellos
?w schaffen, wird sich ihm eine reiche und lebhafte Phantasie bald mit dem
antizipirten Gesamtbilde des Kunstwerkes sättigen und so wieder unbefangen
und doch passend erfinden.
Eine reiche und kraftvolle Phantasie wird freilich auch ohnehin nicht um
Mittel verlegen sein, ihr geschaffenes Weltbild korrekt perspektivisch abzntönen.
Ein altes, von erfindungsreichen Poeten mit Vorliebe gepflogenes Mittel giebt
dem schwachen, die Last der ganzen Handlung nicht mit Leichtigkeit tragenden
Grundniotiv eine wirkungsvolle und besonders dem Zwecke kräftiger Hervor¬
hebung dienende Stütze in der Verbindung der sich natürlich entwickelnden
Handlung mit ausfallenden, stark spannenden Ereignissen außerhalb des engern
Kreises der sich notwendig aus der Fabel entwickelnden Begebenheiten. Es
treten an die hervorzuhebenden Hauptpersonen Schicksale, Ereignisse heran, deren
Originalität oder Bedentscunkeit den Betreffenden mit leichter Mühe den Löwen¬
anteil vom Interesse und der Aufmerksamkeit des Lesers sichert, ohne geradezu
fremdartig und störend die eigne Atmosphäre des Kunstwerkes zu trüben. Es
gehört Geschmack und Geschick dazu, dergleichen gänzlich von außen herein¬
dringende Begebenheiten gut zu erfinden, d. h. so, daß sie wahrscheinlich bleiben
und die Charaktere nicht folgerichtig eigentlich aus der Richtung hinausreißeu,
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