Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Die Schöffengerichte. Bei der zweiten Lesung des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Kommission In einer Zeit, wo man an eine Neubearbeitung des die Strafrechtspflege Da muß zunächst hervorgehoben werden, daß das Schöffengericht keines¬ Die Schöffengerichte. Bei der zweiten Lesung des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Kommission In einer Zeit, wo man an eine Neubearbeitung des die Strafrechtspflege Da muß zunächst hervorgehoben werden, daß das Schöffengericht keines¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0371" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197105"/> <fw type="header" place="top"> Die Schöffengerichte.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1165"> Bei der zweiten Lesung des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Kommission<lb/> erklärte der Ministerialdirektor von Amsberg, daß in den aus den neuen<lb/> Preußischen Provinzen eingegangenen amtlichen Berichten, namentlich in Betreff<lb/> der Strafansmessung, so bedenkliche Entscheidungen der Schöffe» hervorgehoben<lb/> seien, daß nach Ansicht der berichtenden Behörden die Berufung diesen Ge¬<lb/> richten gegenüber nicht entbehrlich sei. Es wäre hiernach gewiß zweckmäßiger<lb/> gewesen, auf das ganze Institut zu verzichten, statt durch dasselbe solche be¬<lb/> denkliche Urteile herbeizuführen, welche durch die Berufung einer Kontrole be¬<lb/> dürfen, die man für die uufehlbcireren Urteile der landgerichtlichen Strafkammern<lb/> nicht für nötig erachtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1166"> In einer Zeit, wo man an eine Neubearbeitung des die Strafrechtspflege<lb/> betreffenden Teiles des Gerichtsverfasfnugsgesetzes und der Strafprozeßordnung<lb/> durch Verminderung der Anzahl der Geschwornen und Wiedereinführung der Be¬<lb/> rufung gegen die Urteile der Strafkammern des Landgerichts denkt, wo also<lb/> immerhin die Befürchtung nicht fern liegt, es könne versucht werden, die Zu¬<lb/> ständigkeit der amtsgerichtlichen Schöffengerichte zu erweitern oder gar die Zu¬<lb/> sammensetzung der Strafkammern der Landgerichte dahin abzuändern, daß unter<lb/> Wegfall eines Teiles der Richter Schöffen zugezogen würden, dürfte es wohl<lb/> angebracht sein, lediglich vom praktischen Standpunkte aus einen Rückblick zu<lb/> thun und zu prüfen, ob und wie weit die Hoffnungen, welche die Gesetzgebung<lb/> an das Institut des Schöffengerichts geknüpft hat, sich nach Ablauf von sechs<lb/> Jahren bewährt haben, welche Stellung dasselbe dem Richter und dem Laien<lb/> gegenüber eingenommen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1167" next="#ID_1168"> Da muß zunächst hervorgehoben werden, daß das Schöffengericht keines¬<lb/> wegs, wie der Leiter unsrer Justizorganisation erwartet hatte, ein volkstüm¬<lb/> liches Institut geworden ist, und die Schöffen etwa mit Freudigkeit ihrer Pflicht<lb/> nachkommen, wie auch nach den Motiven des Gesetzes und der Anschauung der<lb/> Verteidiger des Instituts in der Kommission zur Vorberatung der Justizgcsetzc<lb/> erwartet wurde. Wenn es auch als eine erheblich größere Last angesehen wird,<lb/> als Geschworner einberufen zu werden, so werden wir doch wenig Schöffen<lb/> finden, welche, selbst wenn ihnen die Zeit nicht fehlt, ans sachlichen Gründen<lb/> sagen, daß sie gern als Strafrichter in Thätigkeit treten, namentlich seitdem<lb/> das Institut den lockenden Reiz des Neuen verloren hat. Es könnte entgegnet<lb/> werden, daß doch namentlich an kleinen Orten sich vielfach Schöffen finden,<lb/> welche, obgleich sie berechtigt sind, für das folgende Jahr abzulehnen, immer<lb/> wieder von neuem auf der Schöffeuliste erscheinen. Forscht man bei einem<lb/> solchen „Berufsschöfsen" nach dem Grunde, so wird man wohl selten die Ant¬<lb/> wort bekommen, daß er aus Liebe zur Sache gern als Schöffe fuugire; die<lb/> Gründe find ganz andrer Art. Der Herr Amtsrichter, mit welchem er in<lb/> näherem Verkehr steht, hat ihn ersucht und sich vergewissert, daß er von seinem<lb/> Ablehnungsrechte keinen Gebrauch machen werde, er hat ihm gesagt, es seien</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0371]
Die Schöffengerichte.
Bei der zweiten Lesung des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Kommission
erklärte der Ministerialdirektor von Amsberg, daß in den aus den neuen
Preußischen Provinzen eingegangenen amtlichen Berichten, namentlich in Betreff
der Strafansmessung, so bedenkliche Entscheidungen der Schöffe» hervorgehoben
seien, daß nach Ansicht der berichtenden Behörden die Berufung diesen Ge¬
richten gegenüber nicht entbehrlich sei. Es wäre hiernach gewiß zweckmäßiger
gewesen, auf das ganze Institut zu verzichten, statt durch dasselbe solche be¬
denkliche Urteile herbeizuführen, welche durch die Berufung einer Kontrole be¬
dürfen, die man für die uufehlbcireren Urteile der landgerichtlichen Strafkammern
nicht für nötig erachtete.
In einer Zeit, wo man an eine Neubearbeitung des die Strafrechtspflege
betreffenden Teiles des Gerichtsverfasfnugsgesetzes und der Strafprozeßordnung
durch Verminderung der Anzahl der Geschwornen und Wiedereinführung der Be¬
rufung gegen die Urteile der Strafkammern des Landgerichts denkt, wo also
immerhin die Befürchtung nicht fern liegt, es könne versucht werden, die Zu¬
ständigkeit der amtsgerichtlichen Schöffengerichte zu erweitern oder gar die Zu¬
sammensetzung der Strafkammern der Landgerichte dahin abzuändern, daß unter
Wegfall eines Teiles der Richter Schöffen zugezogen würden, dürfte es wohl
angebracht sein, lediglich vom praktischen Standpunkte aus einen Rückblick zu
thun und zu prüfen, ob und wie weit die Hoffnungen, welche die Gesetzgebung
an das Institut des Schöffengerichts geknüpft hat, sich nach Ablauf von sechs
Jahren bewährt haben, welche Stellung dasselbe dem Richter und dem Laien
gegenüber eingenommen hat.
Da muß zunächst hervorgehoben werden, daß das Schöffengericht keines¬
wegs, wie der Leiter unsrer Justizorganisation erwartet hatte, ein volkstüm¬
liches Institut geworden ist, und die Schöffen etwa mit Freudigkeit ihrer Pflicht
nachkommen, wie auch nach den Motiven des Gesetzes und der Anschauung der
Verteidiger des Instituts in der Kommission zur Vorberatung der Justizgcsetzc
erwartet wurde. Wenn es auch als eine erheblich größere Last angesehen wird,
als Geschworner einberufen zu werden, so werden wir doch wenig Schöffen
finden, welche, selbst wenn ihnen die Zeit nicht fehlt, ans sachlichen Gründen
sagen, daß sie gern als Strafrichter in Thätigkeit treten, namentlich seitdem
das Institut den lockenden Reiz des Neuen verloren hat. Es könnte entgegnet
werden, daß doch namentlich an kleinen Orten sich vielfach Schöffen finden,
welche, obgleich sie berechtigt sind, für das folgende Jahr abzulehnen, immer
wieder von neuem auf der Schöffeuliste erscheinen. Forscht man bei einem
solchen „Berufsschöfsen" nach dem Grunde, so wird man wohl selten die Ant¬
wort bekommen, daß er aus Liebe zur Sache gern als Schöffe fuugire; die
Gründe find ganz andrer Art. Der Herr Amtsrichter, mit welchem er in
näherem Verkehr steht, hat ihn ersucht und sich vergewissert, daß er von seinem
Ablehnungsrechte keinen Gebrauch machen werde, er hat ihm gesagt, es seien
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