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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Die Schöffengerichte.

uter den vielfachen Neuerungen, welche die große Justizreorgani¬
sation vom 1. Oktober 1379 gebracht hat, war das Schöffen¬
gericht dem größten Teile der deutschen Richter am wenigsten
bekannt und sympathisch, Es wollte dem Richter nicht einleuchten,
^ daß es zweckmäßig sei, daß ihm, der sich durch mehrjähriges
Studium des Rechts und durch längere Vorbereitung in der Praxis zum Richter
ausgebildet hatte, zwei Laienrichter zur Seite gesetzt werden sollten, welche mit
gleichem Stimmrechte seine juristischen Erwägungen dnrch ihr oft nur auf Ver-
kennung der rechtlichen, sogar der thatsächlichen Beurteilung eines Falles be¬
ruhendes Votum sollten umstoßen können.

Mit ebenso geringer Sympathie wurde das neue Institut von dem Laien¬
stande, namentlich von denjenigen Laien begrüßt, denen eine Berufung zum
Schöffen bevorstand. Keine Stimme im Laienstande wollte sich für Schöffengerichte
aussprechen, niemand sich für dieselben erwärmen. Von allen Seiten hörte man
klagen, daß außer der Belästigung des Laien im Verwaltungsdienste die dem¬
selben durch die Schwurgerichte auferlegte Last schon groß genug sei, man habe
ja immer zum deutschen Richterstande das nötige Vertrauen gehabt, weshalb
solle der Laienstand noch weiter belästigt werden, weshalb solle er herangezogen
werden zur Beurteilung von Rechtsfüllen, deren richtige Auffassung zu häufig
juristisches Verständnis erfordert. Ein guter Jurist sei nicht zugleich ein guter
Kaufmann oder Landwirt, weshalb solle der Kaufmann und Landwirt zum
Juristen gemacht werden und Straffälle nicht nur, wie früher beim Schwur¬
gerichte, in thatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Beziehung beurteilen können?
Doch auch diese Klagen wurden überhört, da das Prinzip, die Schöffengerichte
einzuführen, längst feststand.


Grmzlx'teil 1335. 46


Die Schöffengerichte.

uter den vielfachen Neuerungen, welche die große Justizreorgani¬
sation vom 1. Oktober 1379 gebracht hat, war das Schöffen¬
gericht dem größten Teile der deutschen Richter am wenigsten
bekannt und sympathisch, Es wollte dem Richter nicht einleuchten,
^ daß es zweckmäßig sei, daß ihm, der sich durch mehrjähriges
Studium des Rechts und durch längere Vorbereitung in der Praxis zum Richter
ausgebildet hatte, zwei Laienrichter zur Seite gesetzt werden sollten, welche mit
gleichem Stimmrechte seine juristischen Erwägungen dnrch ihr oft nur auf Ver-
kennung der rechtlichen, sogar der thatsächlichen Beurteilung eines Falles be¬
ruhendes Votum sollten umstoßen können.

Mit ebenso geringer Sympathie wurde das neue Institut von dem Laien¬
stande, namentlich von denjenigen Laien begrüßt, denen eine Berufung zum
Schöffen bevorstand. Keine Stimme im Laienstande wollte sich für Schöffengerichte
aussprechen, niemand sich für dieselben erwärmen. Von allen Seiten hörte man
klagen, daß außer der Belästigung des Laien im Verwaltungsdienste die dem¬
selben durch die Schwurgerichte auferlegte Last schon groß genug sei, man habe
ja immer zum deutschen Richterstande das nötige Vertrauen gehabt, weshalb
solle der Laienstand noch weiter belästigt werden, weshalb solle er herangezogen
werden zur Beurteilung von Rechtsfüllen, deren richtige Auffassung zu häufig
juristisches Verständnis erfordert. Ein guter Jurist sei nicht zugleich ein guter
Kaufmann oder Landwirt, weshalb solle der Kaufmann und Landwirt zum
Juristen gemacht werden und Straffälle nicht nur, wie früher beim Schwur¬
gerichte, in thatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Beziehung beurteilen können?
Doch auch diese Klagen wurden überhört, da das Prinzip, die Schöffengerichte
einzuführen, längst feststand.


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[0369] [Abbildung] Die Schöffengerichte. uter den vielfachen Neuerungen, welche die große Justizreorgani¬ sation vom 1. Oktober 1379 gebracht hat, war das Schöffen¬ gericht dem größten Teile der deutschen Richter am wenigsten bekannt und sympathisch, Es wollte dem Richter nicht einleuchten, ^ daß es zweckmäßig sei, daß ihm, der sich durch mehrjähriges Studium des Rechts und durch längere Vorbereitung in der Praxis zum Richter ausgebildet hatte, zwei Laienrichter zur Seite gesetzt werden sollten, welche mit gleichem Stimmrechte seine juristischen Erwägungen dnrch ihr oft nur auf Ver- kennung der rechtlichen, sogar der thatsächlichen Beurteilung eines Falles be¬ ruhendes Votum sollten umstoßen können. Mit ebenso geringer Sympathie wurde das neue Institut von dem Laien¬ stande, namentlich von denjenigen Laien begrüßt, denen eine Berufung zum Schöffen bevorstand. Keine Stimme im Laienstande wollte sich für Schöffengerichte aussprechen, niemand sich für dieselben erwärmen. Von allen Seiten hörte man klagen, daß außer der Belästigung des Laien im Verwaltungsdienste die dem¬ selben durch die Schwurgerichte auferlegte Last schon groß genug sei, man habe ja immer zum deutschen Richterstande das nötige Vertrauen gehabt, weshalb solle der Laienstand noch weiter belästigt werden, weshalb solle er herangezogen werden zur Beurteilung von Rechtsfüllen, deren richtige Auffassung zu häufig juristisches Verständnis erfordert. Ein guter Jurist sei nicht zugleich ein guter Kaufmann oder Landwirt, weshalb solle der Kaufmann und Landwirt zum Juristen gemacht werden und Straffälle nicht nur, wie früher beim Schwur¬ gerichte, in thatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Beziehung beurteilen können? Doch auch diese Klagen wurden überhört, da das Prinzip, die Schöffengerichte einzuführen, längst feststand. Grmzlx'teil 1335. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/369>, abgerufen am 15.01.2025.