Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Die Aonferenz in Uonstantinopel. Um diesen Schwierigkeiten und den größeren, die von ihnen zu erwarten waren, Erdige die Konferenz mit einer unbeschränkten Restauration -- wir sehen Die Aonferenz in Uonstantinopel. Um diesen Schwierigkeiten und den größeren, die von ihnen zu erwarten waren, Erdige die Konferenz mit einer unbeschränkten Restauration — wir sehen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0350" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197084"/> <fw type="header" place="top"> Die Aonferenz in Uonstantinopel.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1105" prev="#ID_1104"> Um diesen Schwierigkeiten und den größeren, die von ihnen zu erwarten waren,<lb/> die Spitze abzubrechen, war man, wie es scheint, einen Augenblick nicht ab¬<lb/> geneigt, den Rechtsbruch von 18, September nach einigem vom Anstnude ge¬<lb/> botenen Zögern und mit einigen Änderungen seines Ergebnisses als vollendete<lb/> Thatsache anzuerkennen. Die Haltung der Serben und Griechen belehrte aber<lb/> bald, daß dies keine Lösung der Frage sein, sondern sie nnr ärger verwickeln<lb/> würde, Serbien erklärte, das Gleichgewicht der Balkanstaaten sei durch die<lb/> Union gestört, und es werde gegen sie als eine Verletzung des Berliner Friedens<lb/> mit Waffengewalt einschreiten, und Griechenland äußerte sich in ähnlicher Weise:<lb/> es sagte, ein durch den Balkan getrenntes Bulgarenland stimme sehr wohl zu<lb/> seinen Interessen, ein Grvßbnlgarien dagegen bedrohe sie, und so werde man<lb/> gegen die Union und, wenn die Pforte sie anerkenne, gegen diese vorgehen.<lb/> Daraus ergab sich eine auf den ersten Blick fast komische Lage: die Kleinstaaten,<lb/> welche den Berliner Traktat garnicht abgeschlossen hatten, verlangten mit der<lb/> Hand am Schwertgriffe Aufrechthaltung desselben durch die Großmächte, seine<lb/> Urheber und Bürgen. Die Pforte, welche ihrem Vasallen seine Unbotmäßigkeit<lb/> bereits halb vergeben hatte, wurde mit einem Angriffe bedroht, wenn sie bei<lb/> ihrer Versöhnlichkeit beharrte. So scheint denn die einzige Regelung der Sache,<lb/> welche alle Teile mit Ausnahme der Bulgaren befriedigen kann, die Rückkehr<lb/> zum Staude der Dinge vor der kleinen Rebellion zu sein, und zwar die ein¬<lb/> fache und unbedingte Rückkehr, die selbst die Personalunion zwischen Ostrumelien<lb/> und Bulgarien ausschließt, bei welcher der Fürst des letzteren als bloßer General-<lb/> gouvemeur, also als Beamter des Sultans in letzterem, gedacht war. In der<lb/> That, bis jetzt hatte sich wohl niemand eine so klare Vorstellung von den<lb/> Schönheiten und Wohlthaten des Berliner Friedensvertrages gemacht, dessen<lb/> Bestimmungen hinsichtlich des Bulgarenlandes gegenwärtig alle an der Frage<lb/> beteiligten Mächte, die großen wie die kleinen, befriedigen und um sich vereinigen<lb/> solle».</p><lb/> <p xml:id="ID_1106" next="#ID_1107"> Erdige die Konferenz mit einer unbeschränkten Restauration — wir sehen<lb/> keinen Grund, daran zu zweifeln —, so wird Rußland zunächst den meisten<lb/> Gewinn einstreichen: es hat sich von einem Verdachte gereinigt, und es hat<lb/> den Bulgaren imponirt und ihnen praktisch Gehorsam gegen den „Befreier"<lb/> empfohlen. Man hielt den Fürsten Alexander lange Zeit für einen Strohmann,<lb/> man glaubte, er solle nur das Vorgehen Rußlands ans der Balkanhalbinsel<lb/> maskiren und das Scheitern des Friedens von San Stefano unter der Hand<lb/> möglichst wettmachen, man fürchtete, ein Marsch der Türken gegen die bul¬<lb/> garischen Rebellen werde einen neuen Kreuzzug der Russen gegen den Sultan<lb/> zur Folge haben. Statt dessen forderte das Kabinet von Se. Petersburg in<lb/> voller Aufrichtigkeit Wiederherstellung des Statnsquo, trat also zu Gunsten der<lb/> Pforte auf. Der letzte Zweck dabei ist freilich leicht zu erkennen. Es wurde<lb/> damit den Bulgaren eine scharfe Lektion erteilt, die sich auch andre Slawen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0350]
Die Aonferenz in Uonstantinopel.
Um diesen Schwierigkeiten und den größeren, die von ihnen zu erwarten waren,
die Spitze abzubrechen, war man, wie es scheint, einen Augenblick nicht ab¬
geneigt, den Rechtsbruch von 18, September nach einigem vom Anstnude ge¬
botenen Zögern und mit einigen Änderungen seines Ergebnisses als vollendete
Thatsache anzuerkennen. Die Haltung der Serben und Griechen belehrte aber
bald, daß dies keine Lösung der Frage sein, sondern sie nnr ärger verwickeln
würde, Serbien erklärte, das Gleichgewicht der Balkanstaaten sei durch die
Union gestört, und es werde gegen sie als eine Verletzung des Berliner Friedens
mit Waffengewalt einschreiten, und Griechenland äußerte sich in ähnlicher Weise:
es sagte, ein durch den Balkan getrenntes Bulgarenland stimme sehr wohl zu
seinen Interessen, ein Grvßbnlgarien dagegen bedrohe sie, und so werde man
gegen die Union und, wenn die Pforte sie anerkenne, gegen diese vorgehen.
Daraus ergab sich eine auf den ersten Blick fast komische Lage: die Kleinstaaten,
welche den Berliner Traktat garnicht abgeschlossen hatten, verlangten mit der
Hand am Schwertgriffe Aufrechthaltung desselben durch die Großmächte, seine
Urheber und Bürgen. Die Pforte, welche ihrem Vasallen seine Unbotmäßigkeit
bereits halb vergeben hatte, wurde mit einem Angriffe bedroht, wenn sie bei
ihrer Versöhnlichkeit beharrte. So scheint denn die einzige Regelung der Sache,
welche alle Teile mit Ausnahme der Bulgaren befriedigen kann, die Rückkehr
zum Staude der Dinge vor der kleinen Rebellion zu sein, und zwar die ein¬
fache und unbedingte Rückkehr, die selbst die Personalunion zwischen Ostrumelien
und Bulgarien ausschließt, bei welcher der Fürst des letzteren als bloßer General-
gouvemeur, also als Beamter des Sultans in letzterem, gedacht war. In der
That, bis jetzt hatte sich wohl niemand eine so klare Vorstellung von den
Schönheiten und Wohlthaten des Berliner Friedensvertrages gemacht, dessen
Bestimmungen hinsichtlich des Bulgarenlandes gegenwärtig alle an der Frage
beteiligten Mächte, die großen wie die kleinen, befriedigen und um sich vereinigen
solle».
Erdige die Konferenz mit einer unbeschränkten Restauration — wir sehen
keinen Grund, daran zu zweifeln —, so wird Rußland zunächst den meisten
Gewinn einstreichen: es hat sich von einem Verdachte gereinigt, und es hat
den Bulgaren imponirt und ihnen praktisch Gehorsam gegen den „Befreier"
empfohlen. Man hielt den Fürsten Alexander lange Zeit für einen Strohmann,
man glaubte, er solle nur das Vorgehen Rußlands ans der Balkanhalbinsel
maskiren und das Scheitern des Friedens von San Stefano unter der Hand
möglichst wettmachen, man fürchtete, ein Marsch der Türken gegen die bul¬
garischen Rebellen werde einen neuen Kreuzzug der Russen gegen den Sultan
zur Folge haben. Statt dessen forderte das Kabinet von Se. Petersburg in
voller Aufrichtigkeit Wiederherstellung des Statnsquo, trat also zu Gunsten der
Pforte auf. Der letzte Zweck dabei ist freilich leicht zu erkennen. Es wurde
damit den Bulgaren eine scharfe Lektion erteilt, die sich auch andre Slawen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |