Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Wein- und Gbstbau er Deutschland. wo die Aufwendung reicher Mittel die mangelnde Kenntnis und Arbeitslust bis Wein- und Gbstbau er Deutschland. wo die Aufwendung reicher Mittel die mangelnde Kenntnis und Arbeitslust bis <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196766"/> <fw type="header" place="top"> Wein- und Gbstbau er Deutschland.</fw><lb/> <p xml:id="ID_68" prev="#ID_67" next="#ID_69"> wo die Aufwendung reicher Mittel die mangelnde Kenntnis und Arbeitslust bis<lb/> zu einem gewissen Punkte ersetzen kann, die Sache mit dem Ankaufe von einer<lb/> Anzahl veredelter Obststämmchen oder Rebstöcke nicht gethan ist, wie dies schon<lb/> mancher großstädtische „Villenbesitzer" zu seinem Schaden erfahre» hat. Wer<lb/> uicht wenigstens einige persönliche Freude an der Sache und einige Aufmerk¬<lb/> samkeit daran zu wenden hat, der bleibe lieber davon, denn sonst wird die<lb/> Obst-Liebhaberei ihn zwar viel Geld kosten und ihm unendlichen Ärger be¬<lb/> reiten, ihm aber nur sehr wenig einbringen; und wer etwas Ernsthaftes von<lb/> seinem Obstbau haben will, dem kann es schlechterdings nicht erspart bleiben,<lb/> daß er eine Art Studium und eine Art Lebensberuf aus demselben mache. Des<lb/> zu Beobachtenden, vom Baume oder Stocke bis zu seinen Früchten, ist das<lb/> ganze Jahr hindurch so unendlich viel, daß ein einigermaßen großer Obstgarten<lb/> vollkommen genügenden Stoff zur Ausfüllung eines ganzen Menschenlebens<lb/> hergiebt. Mit der bloßen Freude an einer schönen Apfel- oder Pfirsichblütc,<lb/> mit ein bischen gelegentlichem Raupen-Ablesen, mit jährlichem Beschneiden, wenn<lb/> es hoch kommt, ein wenig Düngen und Begießen und dann endlich mit dem<lb/> Abpflücken der Früchte (im günstigen Falle ohne zu arge Wertverwüstung) ist<lb/> es nicht gethan. Nicht mir will jede Art berücksichtigt und entsprechend be¬<lb/> handelt sein, sondern jeder Baum ist eine Individualität, lind wenn er das<lb/> leisten soll, dessen er fähig ist, so muß es damit gerade so gehalten werden wie<lb/> der rationelle Viehzüchter es mit jedem Stücke Vieh hält: er muß es kennen<lb/> lernen und ihm im Rahmen dessen, was die Besonderheit der ganzen Art ist<lb/> und was daher zu Züchtuugszweckeu konservirt oder entwickelt werden muß, eine<lb/> individuelle Pflege «»gedeihen lassen. Will einer selbst Bäume züchten, so<lb/> gesellt sich zu der erforderlichen Kenntnis der Pflege und zur aufopferungs¬<lb/> vollen Freude an derselben als weiteres Erfordernis noch eine solche Menge<lb/> von Kenntnissen, Fertigkeiten und Einrichtungen, daß im allgemeinen hiervon<lb/> geradezu abgeraten werden muß; man überläßt das besser dem berufsmäßigen<lb/> Gärtner. Aber auch dasjenige schon, was jedem Besitzer von Obstbäumen durch¬<lb/> aus zugemutet werden muß, wenn die Sache einen Zweck haben soll, schließt<lb/> so viel Arbeit und Sorge, so viel Verdruß und Enttäuschung, so viel Aufmerk-<lb/> scunkeit und kleine Bcwerkstelligungen aller Art in sich und setzt so viele Kennt¬<lb/> nisse, Erfahrungen und selbst Fähigkeiten voraus, daß es leider mit der Er¬<lb/> füllung dieser Vorbedingungen meist recht schlecht bestellt ist. Es wird indessen<lb/> einleuchten, daß allerdings der bloße Besitz eines Gartens oder einer Villa zur<lb/> Erzeugung derselbe» nicht genügt, daß aber eine wohlumfriedigte, gesicherte,<lb/> über die gemeine Lebensnotdurft einigermaßen emporgehobene und in dieser<lb/> Lage schon seit Generationen festgehaltene Familien-Existenz oder ein freudiges,<lb/> auf behaglichen Besitz gegründetes Vorwärtsstreben schon eher einen guten<lb/> Mutterboden hierfür abgeben können, und daß jedenfalls ein Volk die erwähnten<lb/> Eigenschaften und Fähigkeiten erst dann in größerer Menge aus sich zu ent-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Wein- und Gbstbau er Deutschland.
wo die Aufwendung reicher Mittel die mangelnde Kenntnis und Arbeitslust bis
zu einem gewissen Punkte ersetzen kann, die Sache mit dem Ankaufe von einer
Anzahl veredelter Obststämmchen oder Rebstöcke nicht gethan ist, wie dies schon
mancher großstädtische „Villenbesitzer" zu seinem Schaden erfahre» hat. Wer
uicht wenigstens einige persönliche Freude an der Sache und einige Aufmerk¬
samkeit daran zu wenden hat, der bleibe lieber davon, denn sonst wird die
Obst-Liebhaberei ihn zwar viel Geld kosten und ihm unendlichen Ärger be¬
reiten, ihm aber nur sehr wenig einbringen; und wer etwas Ernsthaftes von
seinem Obstbau haben will, dem kann es schlechterdings nicht erspart bleiben,
daß er eine Art Studium und eine Art Lebensberuf aus demselben mache. Des
zu Beobachtenden, vom Baume oder Stocke bis zu seinen Früchten, ist das
ganze Jahr hindurch so unendlich viel, daß ein einigermaßen großer Obstgarten
vollkommen genügenden Stoff zur Ausfüllung eines ganzen Menschenlebens
hergiebt. Mit der bloßen Freude an einer schönen Apfel- oder Pfirsichblütc,
mit ein bischen gelegentlichem Raupen-Ablesen, mit jährlichem Beschneiden, wenn
es hoch kommt, ein wenig Düngen und Begießen und dann endlich mit dem
Abpflücken der Früchte (im günstigen Falle ohne zu arge Wertverwüstung) ist
es nicht gethan. Nicht mir will jede Art berücksichtigt und entsprechend be¬
handelt sein, sondern jeder Baum ist eine Individualität, lind wenn er das
leisten soll, dessen er fähig ist, so muß es damit gerade so gehalten werden wie
der rationelle Viehzüchter es mit jedem Stücke Vieh hält: er muß es kennen
lernen und ihm im Rahmen dessen, was die Besonderheit der ganzen Art ist
und was daher zu Züchtuugszweckeu konservirt oder entwickelt werden muß, eine
individuelle Pflege «»gedeihen lassen. Will einer selbst Bäume züchten, so
gesellt sich zu der erforderlichen Kenntnis der Pflege und zur aufopferungs¬
vollen Freude an derselben als weiteres Erfordernis noch eine solche Menge
von Kenntnissen, Fertigkeiten und Einrichtungen, daß im allgemeinen hiervon
geradezu abgeraten werden muß; man überläßt das besser dem berufsmäßigen
Gärtner. Aber auch dasjenige schon, was jedem Besitzer von Obstbäumen durch¬
aus zugemutet werden muß, wenn die Sache einen Zweck haben soll, schließt
so viel Arbeit und Sorge, so viel Verdruß und Enttäuschung, so viel Aufmerk-
scunkeit und kleine Bcwerkstelligungen aller Art in sich und setzt so viele Kennt¬
nisse, Erfahrungen und selbst Fähigkeiten voraus, daß es leider mit der Er¬
füllung dieser Vorbedingungen meist recht schlecht bestellt ist. Es wird indessen
einleuchten, daß allerdings der bloße Besitz eines Gartens oder einer Villa zur
Erzeugung derselbe» nicht genügt, daß aber eine wohlumfriedigte, gesicherte,
über die gemeine Lebensnotdurft einigermaßen emporgehobene und in dieser
Lage schon seit Generationen festgehaltene Familien-Existenz oder ein freudiges,
auf behaglichen Besitz gegründetes Vorwärtsstreben schon eher einen guten
Mutterboden hierfür abgeben können, und daß jedenfalls ein Volk die erwähnten
Eigenschaften und Fähigkeiten erst dann in größerer Menge aus sich zu ent-
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