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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Auf dem ^tilfser Joch.
von Adam von Festenberg. (Fortsetzung.)

inige Tage vergingen, an denen Harald vergebens das Mädchen
zu den Unterrichtsstunden erwartet hatte; sie hatte sich münd-
lich durch ihr Dienstmädchen entschuldigen lassen, das; sie nicht
ganz wohl sei. Schon wollte Harald selbst im Kellcrschen
Hause Erkundigungen nach ihrem Befinden einziehen, aber
auf dem Wege dahin sah er, ohne selbst bemerkt zu werden, Vroni ans der
Rousseauinsel, wo die Schlittschuhbahn seit einigen Tagen eröffnet war, in
Gesellschaft vieler Offiziere, danmler auch ihres Partners von dem Knrmärker,
so lustig sich auf dem Eise bewegen, daß er unwillig nach Hause umkehrte und
an das Mädchen nicht mehr denken wollte. Einen Tag später kam ein Brief von
Vroni, worin sie erklärte, daß sie eingedenk seiner Worte die Malerei aufgeben
und sich lediglich der Schauspielkunst zuwenden wolle, für welche sie einen
innern Beruf zu fühlen glaube und welche der Frau die freie Entwicklung ihrer
Selbständigkeit gestatte. Sie dankte mit herzlichen Worten für den genossenen
Unterricht und bat ihn, durch ein ferneres Erscheinen in ihrem Hanse den freund¬
schaftlichen Verkehr, in welchem sie gestanden, fortsetzen zu wollen.

Dieser letztern Aufforderung kam Harald nun freilich nicht nach, er fühlte
sich erbittert und war der Meinung, als hätte er von Vroni eine Ablehnung
erfahren, noch ehe er ihr einen Antrag gemacht hatte. Er bildete sich ein, daß
seine Neigung zu ihr, über die er sich doch selbst erst seit kurzem klar geworden
war, sich so sehr von selbst verstünde, daß sie auch dem Mädchen nicht habe un¬
bekannt bleiben können, und er legte ihr Aufgeben des Maluuterrichts als einen
förmlichen Bruch mit sich aus.

Eine solche Erkenntnis würde sicherlich zum Heile Haralds aufgeschlagen
sein, wenn er zugleich den festen Entschluß gehabt hätte, die Angelegenheit als




Auf dem ^tilfser Joch.
von Adam von Festenberg. (Fortsetzung.)

inige Tage vergingen, an denen Harald vergebens das Mädchen
zu den Unterrichtsstunden erwartet hatte; sie hatte sich münd-
lich durch ihr Dienstmädchen entschuldigen lassen, das; sie nicht
ganz wohl sei. Schon wollte Harald selbst im Kellcrschen
Hause Erkundigungen nach ihrem Befinden einziehen, aber
auf dem Wege dahin sah er, ohne selbst bemerkt zu werden, Vroni ans der
Rousseauinsel, wo die Schlittschuhbahn seit einigen Tagen eröffnet war, in
Gesellschaft vieler Offiziere, danmler auch ihres Partners von dem Knrmärker,
so lustig sich auf dem Eise bewegen, daß er unwillig nach Hause umkehrte und
an das Mädchen nicht mehr denken wollte. Einen Tag später kam ein Brief von
Vroni, worin sie erklärte, daß sie eingedenk seiner Worte die Malerei aufgeben
und sich lediglich der Schauspielkunst zuwenden wolle, für welche sie einen
innern Beruf zu fühlen glaube und welche der Frau die freie Entwicklung ihrer
Selbständigkeit gestatte. Sie dankte mit herzlichen Worten für den genossenen
Unterricht und bat ihn, durch ein ferneres Erscheinen in ihrem Hanse den freund¬
schaftlichen Verkehr, in welchem sie gestanden, fortsetzen zu wollen.

Dieser letztern Aufforderung kam Harald nun freilich nicht nach, er fühlte
sich erbittert und war der Meinung, als hätte er von Vroni eine Ablehnung
erfahren, noch ehe er ihr einen Antrag gemacht hatte. Er bildete sich ein, daß
seine Neigung zu ihr, über die er sich doch selbst erst seit kurzem klar geworden
war, sich so sehr von selbst verstünde, daß sie auch dem Mädchen nicht habe un¬
bekannt bleiben können, und er legte ihr Aufgeben des Maluuterrichts als einen
förmlichen Bruch mit sich aus.

Eine solche Erkenntnis würde sicherlich zum Heile Haralds aufgeschlagen
sein, wenn er zugleich den festen Entschluß gehabt hätte, die Angelegenheit als


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[0301] [Abbildung] Auf dem ^tilfser Joch. von Adam von Festenberg. (Fortsetzung.) inige Tage vergingen, an denen Harald vergebens das Mädchen zu den Unterrichtsstunden erwartet hatte; sie hatte sich münd- lich durch ihr Dienstmädchen entschuldigen lassen, das; sie nicht ganz wohl sei. Schon wollte Harald selbst im Kellcrschen Hause Erkundigungen nach ihrem Befinden einziehen, aber auf dem Wege dahin sah er, ohne selbst bemerkt zu werden, Vroni ans der Rousseauinsel, wo die Schlittschuhbahn seit einigen Tagen eröffnet war, in Gesellschaft vieler Offiziere, danmler auch ihres Partners von dem Knrmärker, so lustig sich auf dem Eise bewegen, daß er unwillig nach Hause umkehrte und an das Mädchen nicht mehr denken wollte. Einen Tag später kam ein Brief von Vroni, worin sie erklärte, daß sie eingedenk seiner Worte die Malerei aufgeben und sich lediglich der Schauspielkunst zuwenden wolle, für welche sie einen innern Beruf zu fühlen glaube und welche der Frau die freie Entwicklung ihrer Selbständigkeit gestatte. Sie dankte mit herzlichen Worten für den genossenen Unterricht und bat ihn, durch ein ferneres Erscheinen in ihrem Hanse den freund¬ schaftlichen Verkehr, in welchem sie gestanden, fortsetzen zu wollen. Dieser letztern Aufforderung kam Harald nun freilich nicht nach, er fühlte sich erbittert und war der Meinung, als hätte er von Vroni eine Ablehnung erfahren, noch ehe er ihr einen Antrag gemacht hatte. Er bildete sich ein, daß seine Neigung zu ihr, über die er sich doch selbst erst seit kurzem klar geworden war, sich so sehr von selbst verstünde, daß sie auch dem Mädchen nicht habe un¬ bekannt bleiben können, und er legte ihr Aufgeben des Maluuterrichts als einen förmlichen Bruch mit sich aus. Eine solche Erkenntnis würde sicherlich zum Heile Haralds aufgeschlagen sein, wenn er zugleich den festen Entschluß gehabt hätte, die Angelegenheit als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/301>, abgerufen am 15.01.2025.