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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Lin Arieg Englands in Birma.

Entscheidend oder doch besonders wirksam aber dafür, daß Freycinet in seiner
Politik dem Interesse Englands in Birma gegenüber neue Saiten aufzog, war
die feste, fast drohende Sprache der Salisburysche Depeschen, Hütte die Politik
der liberalen Vorgänger der Tories diese Sprache gebraucht und die ü>,>er-
seeischen Interessen des Reiches der Königin Victoria mit solcher Entschlossen¬
heit und solchem Nachdruck wahrgenommen, so würden manche Wirren und
manche Verluste an Blut, Geld und Ansehen vermieden worden sein; denn
fremde Staaten, in erster Reihe Frankreich und Rußland, würden von Anfang
an genau und bestimmt erfahren haben, wie weit sich die Grenzen der britischen
Ansprüche und der englischen Nachgiebigkeit erstrecken. In der That, Salis-
bury hat mit seiner Haltung i" dieser Sache sich und seiner Partei für die
nahen Wahlen einen Stein im Brete gewonnen. England hat es nunmehr in
Birma nur noch mit diesem selbst zu thun. Der König Thibau geruhte, auf
die Mitteilungen des britischen Oberkommissärs in Rangun in Sachen der
Bombay- und Birma-Gesellschaft durch seinen Minister des Auswärtigen ab¬
schlägig antworten zu lassen, und zwar in anmaßenden und beleidigende" Aus¬
drücken; er weigerte sich, Zugeständnisse zu machen, und lehnte es zugleich mit
Entschiedenheit ab, die Angelegenheit nochmaliger Prüfung zu unterziehen und
sie in Verhandlungen mit der indischen Regierung weiter zu erörtern. Er meinte,
daß er in Birma allein zu regieren habe und thun und lassen könne, was ihm
gut bunte. Zu gleicher Zeit befahl er, die Grenze gegen Britisch-Birma hin
zu befestigen und mit Truppen zu besetzen. Der englische Kommissar in Rangun
wollte darauf ein Ultimatum an die Majestät in Mandalay richten, hielt es
jedoch für geraten, um demselben sofort Nachdruck mit den Waffen geben zu
können, in Simla um eine Berstärknng der ihm zur Verfügung stehenden Streit¬
lüste um 5- bis 8000 Manu zu bitten. Dieselbe scheint ihm zugesagt worden
zu sein, denn die I'lines vom 17. Oktober veröffentlichte bereits jenes Ultimatum
an den König. Dasselbe fordert zunüchst ehrenvollen Empfang eines von dem
Oberkommissar in Britisch-Birma abzuordnenden Gesandten zur Regelung der
Streitigkeit, sodann Einstellung aller Maßregeln des Königs gegen die
Korporation oder Gesellschaft, um die es sich in erster Reihe handelt, bis der
Gesandte die Sache untersucht haben inerte, drittens endlich Einwilligung in
die Absicht der indischen Regierung, in Mandalay von jetzt an einen ständigen
Residenten zu halten, der mit einer englischen Leibwache umgeben werden solle.
Für den Fall, daß die beiden ersten Punkte nicht bewilligt würden, werde man,
so heißt es weiter, unverzüglich und ohne fernere Ankündigung militärisch gegen
Oberbirma einschreiten.

Wiederholt hat England Krieg mit den Birmanen geführt, und wiederholt
erfocht es zuletzt den Sieg, wenn auch langsam und mit erheblichen Anstren¬
gungen und anfangs mit Verlusten. 1808 wurden die Provinzen Nordasfam
und Arrakcm dem Gebiete der Ostindischen Gesellschaft einverleibt. 1824 kam


Lin Arieg Englands in Birma.

Entscheidend oder doch besonders wirksam aber dafür, daß Freycinet in seiner
Politik dem Interesse Englands in Birma gegenüber neue Saiten aufzog, war
die feste, fast drohende Sprache der Salisburysche Depeschen, Hütte die Politik
der liberalen Vorgänger der Tories diese Sprache gebraucht und die ü>,>er-
seeischen Interessen des Reiches der Königin Victoria mit solcher Entschlossen¬
heit und solchem Nachdruck wahrgenommen, so würden manche Wirren und
manche Verluste an Blut, Geld und Ansehen vermieden worden sein; denn
fremde Staaten, in erster Reihe Frankreich und Rußland, würden von Anfang
an genau und bestimmt erfahren haben, wie weit sich die Grenzen der britischen
Ansprüche und der englischen Nachgiebigkeit erstrecken. In der That, Salis-
bury hat mit seiner Haltung i» dieser Sache sich und seiner Partei für die
nahen Wahlen einen Stein im Brete gewonnen. England hat es nunmehr in
Birma nur noch mit diesem selbst zu thun. Der König Thibau geruhte, auf
die Mitteilungen des britischen Oberkommissärs in Rangun in Sachen der
Bombay- und Birma-Gesellschaft durch seinen Minister des Auswärtigen ab¬
schlägig antworten zu lassen, und zwar in anmaßenden und beleidigende» Aus¬
drücken; er weigerte sich, Zugeständnisse zu machen, und lehnte es zugleich mit
Entschiedenheit ab, die Angelegenheit nochmaliger Prüfung zu unterziehen und
sie in Verhandlungen mit der indischen Regierung weiter zu erörtern. Er meinte,
daß er in Birma allein zu regieren habe und thun und lassen könne, was ihm
gut bunte. Zu gleicher Zeit befahl er, die Grenze gegen Britisch-Birma hin
zu befestigen und mit Truppen zu besetzen. Der englische Kommissar in Rangun
wollte darauf ein Ultimatum an die Majestät in Mandalay richten, hielt es
jedoch für geraten, um demselben sofort Nachdruck mit den Waffen geben zu
können, in Simla um eine Berstärknng der ihm zur Verfügung stehenden Streit¬
lüste um 5- bis 8000 Manu zu bitten. Dieselbe scheint ihm zugesagt worden
zu sein, denn die I'lines vom 17. Oktober veröffentlichte bereits jenes Ultimatum
an den König. Dasselbe fordert zunüchst ehrenvollen Empfang eines von dem
Oberkommissar in Britisch-Birma abzuordnenden Gesandten zur Regelung der
Streitigkeit, sodann Einstellung aller Maßregeln des Königs gegen die
Korporation oder Gesellschaft, um die es sich in erster Reihe handelt, bis der
Gesandte die Sache untersucht haben inerte, drittens endlich Einwilligung in
die Absicht der indischen Regierung, in Mandalay von jetzt an einen ständigen
Residenten zu halten, der mit einer englischen Leibwache umgeben werden solle.
Für den Fall, daß die beiden ersten Punkte nicht bewilligt würden, werde man,
so heißt es weiter, unverzüglich und ohne fernere Ankündigung militärisch gegen
Oberbirma einschreiten.

Wiederholt hat England Krieg mit den Birmanen geführt, und wiederholt
erfocht es zuletzt den Sieg, wenn auch langsam und mit erheblichen Anstren¬
gungen und anfangs mit Verlusten. 1808 wurden die Provinzen Nordasfam
und Arrakcm dem Gebiete der Ostindischen Gesellschaft einverleibt. 1824 kam


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[0276] Lin Arieg Englands in Birma. Entscheidend oder doch besonders wirksam aber dafür, daß Freycinet in seiner Politik dem Interesse Englands in Birma gegenüber neue Saiten aufzog, war die feste, fast drohende Sprache der Salisburysche Depeschen, Hütte die Politik der liberalen Vorgänger der Tories diese Sprache gebraucht und die ü>,>er- seeischen Interessen des Reiches der Königin Victoria mit solcher Entschlossen¬ heit und solchem Nachdruck wahrgenommen, so würden manche Wirren und manche Verluste an Blut, Geld und Ansehen vermieden worden sein; denn fremde Staaten, in erster Reihe Frankreich und Rußland, würden von Anfang an genau und bestimmt erfahren haben, wie weit sich die Grenzen der britischen Ansprüche und der englischen Nachgiebigkeit erstrecken. In der That, Salis- bury hat mit seiner Haltung i» dieser Sache sich und seiner Partei für die nahen Wahlen einen Stein im Brete gewonnen. England hat es nunmehr in Birma nur noch mit diesem selbst zu thun. Der König Thibau geruhte, auf die Mitteilungen des britischen Oberkommissärs in Rangun in Sachen der Bombay- und Birma-Gesellschaft durch seinen Minister des Auswärtigen ab¬ schlägig antworten zu lassen, und zwar in anmaßenden und beleidigende» Aus¬ drücken; er weigerte sich, Zugeständnisse zu machen, und lehnte es zugleich mit Entschiedenheit ab, die Angelegenheit nochmaliger Prüfung zu unterziehen und sie in Verhandlungen mit der indischen Regierung weiter zu erörtern. Er meinte, daß er in Birma allein zu regieren habe und thun und lassen könne, was ihm gut bunte. Zu gleicher Zeit befahl er, die Grenze gegen Britisch-Birma hin zu befestigen und mit Truppen zu besetzen. Der englische Kommissar in Rangun wollte darauf ein Ultimatum an die Majestät in Mandalay richten, hielt es jedoch für geraten, um demselben sofort Nachdruck mit den Waffen geben zu können, in Simla um eine Berstärknng der ihm zur Verfügung stehenden Streit¬ lüste um 5- bis 8000 Manu zu bitten. Dieselbe scheint ihm zugesagt worden zu sein, denn die I'lines vom 17. Oktober veröffentlichte bereits jenes Ultimatum an den König. Dasselbe fordert zunüchst ehrenvollen Empfang eines von dem Oberkommissar in Britisch-Birma abzuordnenden Gesandten zur Regelung der Streitigkeit, sodann Einstellung aller Maßregeln des Königs gegen die Korporation oder Gesellschaft, um die es sich in erster Reihe handelt, bis der Gesandte die Sache untersucht haben inerte, drittens endlich Einwilligung in die Absicht der indischen Regierung, in Mandalay von jetzt an einen ständigen Residenten zu halten, der mit einer englischen Leibwache umgeben werden solle. Für den Fall, daß die beiden ersten Punkte nicht bewilligt würden, werde man, so heißt es weiter, unverzüglich und ohne fernere Ankündigung militärisch gegen Oberbirma einschreiten. Wiederholt hat England Krieg mit den Birmanen geführt, und wiederholt erfocht es zuletzt den Sieg, wenn auch langsam und mit erheblichen Anstren¬ gungen und anfangs mit Verlusten. 1808 wurden die Provinzen Nordasfam und Arrakcm dem Gebiete der Ostindischen Gesellschaft einverleibt. 1824 kam

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/276>, abgerufen am 15.01.2025.