Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.ein Eingreife" der Ehrengerichte rechtfertige, sondern nur ein solches, welches Was aber noch besonders bei Betrachtung der ehrengerichtlichen Thätigkeit ein Eingreife» der Ehrengerichte rechtfertige, sondern nur ein solches, welches Was aber noch besonders bei Betrachtung der ehrengerichtlichen Thätigkeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196971"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_743" prev="#ID_742"> ein Eingreife» der Ehrengerichte rechtfertige, sondern nur ein solches, welches<lb/> eine nicht gewissenhafte Ausübung des Berufes erkennen lasse. Parallel damit<lb/> geht die weitere Entscheidung, daß die Erhebung einer Gebühr nicht ehren¬<lb/> gerichtlich gerügt werden dürfe, sobald die Berechtigung auf diese Gebühr zweifel¬<lb/> haft sei. Die Argumentation, auf welcher diese Annahmen beruhen, geht dahin,<lb/> daß jeder mißbilligende ehrengerichtliche Ausspruch, auch der in der mildesten<lb/> Form der „Warnung" ergangene, eine „Strafe" sei, welche nur wegen nicht<lb/> gewissenhafter Ausübung des Berufes erkannt werden könne. Im gewöhnlichen<lb/> Leben würde man die Sache kaum so auffassen. Ein Vater, dessen Kind aus<lb/> Irrtum gefehlt hat, würde zu demselben sagen: „Ich will dich zwar nicht<lb/> weiter strafen, aber ich warne dich doch, daß dn es nicht wiedcrthust." Damit<lb/> wird für künftige Fälle dem gleichen Fehltritte vorgebeugt. Nun wollen wir<lb/> ja mit der ans den Worten des Gesetzes abgeleiteten Auffassung des Ehren-<lb/> gerichtshofes hier nicht weiter rechten. Thatsache aber ist, daß damit ein gutes<lb/> Stück Disziplin unier den Tisch fällt. Darnach kann ein Anwalt wiederholt<lb/> Ordnungswidrigkeiten begehen; es hat sich aber niemand darum zu kümmern,<lb/> wenn mir nicht aus jeder einzelnen Ordnungswidrigkeit eine Gewissenlosigkeit<lb/> gefolgert werden kann. Ein Anwalt kann fortmährend eine Gebühr beziehen,<lb/> die, wenn man die Frage streng prüft, nicht berechtigt ist. Da aber die Frage<lb/> zweifelhaft erscheint, so läßt man ihn gehen. Es dürfte gerade die Aufgabe<lb/> einer guten Disziplin sein, durchweg und auch bei zweifelhaften Fragen die<lb/> Dienstordnung dergestalt auszulegen und aufrecht zu halten, daß damit für die<lb/> Thätigkeit der zum öffentlichen Dienste berufenen fest geregelte Schranken ge¬<lb/> zogen würden. Hierauf hat die Praxis des Ehrengerichtshofes dem Anwalts¬<lb/> stande gegenüber verzichtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_744" next="#ID_745"> Was aber noch besonders bei Betrachtung der ehrengerichtlichen Thätigkeit<lb/> ein befriedigendes Gefühl nicht aufkommen läßt, das ist die wiederholt sich auf¬<lb/> drängende Frage: Wie kommt denn nun selbst in den Füllen, wo eine Ord¬<lb/> nungswidrigkeit des Anwaltes anerkannt und bestraft wird, die Partei zum Er-<lb/> satze ihres Schadens, wenn ein solcher ihr durch die ordnungswidrige Thätigkeit<lb/> des Anwaltes zugefügt ist? Gerade darin würde unsrer Auffassung uach die<lb/> wahre Ehre der Justiz liegen, wenn da, wo durch die eignen Organe derselben<lb/> den Rechtsuchenden ein klar vorliegender Schaden zugefügt ist, auch von Amts¬<lb/> wegen dafür gesorgt würde, daß dieser Schaden ihnen ersetzt werde. Denn das<lb/> erste und dringendste Bedürfnis aller Gerechtigkeit besteht nicht darin, daß<lb/> jemand für ein von ihm zugefügtes Unrecht gestraft werde, sondern darin, daß<lb/> er das zugefügte Unrecht wieder gut mache. Dafür in erster Linie zu sorgen,<lb/> wäre die würdigste Aufgabe einer Ehrengcrichtsbarkeit. Hierauf sind aber die<lb/> Ehrengerichte für Rechtsanwälte nicht eingerichtet. Sie kümmern sich nicht um<lb/> den zugefügten Schaden, überlassen es vielmehr den Beteiligten, wie sie Ersatz<lb/> dafür finden wollen. Der Anwalt, der durch seine Versäumnis die Partei um</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
ein Eingreife» der Ehrengerichte rechtfertige, sondern nur ein solches, welches
eine nicht gewissenhafte Ausübung des Berufes erkennen lasse. Parallel damit
geht die weitere Entscheidung, daß die Erhebung einer Gebühr nicht ehren¬
gerichtlich gerügt werden dürfe, sobald die Berechtigung auf diese Gebühr zweifel¬
haft sei. Die Argumentation, auf welcher diese Annahmen beruhen, geht dahin,
daß jeder mißbilligende ehrengerichtliche Ausspruch, auch der in der mildesten
Form der „Warnung" ergangene, eine „Strafe" sei, welche nur wegen nicht
gewissenhafter Ausübung des Berufes erkannt werden könne. Im gewöhnlichen
Leben würde man die Sache kaum so auffassen. Ein Vater, dessen Kind aus
Irrtum gefehlt hat, würde zu demselben sagen: „Ich will dich zwar nicht
weiter strafen, aber ich warne dich doch, daß dn es nicht wiedcrthust." Damit
wird für künftige Fälle dem gleichen Fehltritte vorgebeugt. Nun wollen wir
ja mit der ans den Worten des Gesetzes abgeleiteten Auffassung des Ehren-
gerichtshofes hier nicht weiter rechten. Thatsache aber ist, daß damit ein gutes
Stück Disziplin unier den Tisch fällt. Darnach kann ein Anwalt wiederholt
Ordnungswidrigkeiten begehen; es hat sich aber niemand darum zu kümmern,
wenn mir nicht aus jeder einzelnen Ordnungswidrigkeit eine Gewissenlosigkeit
gefolgert werden kann. Ein Anwalt kann fortmährend eine Gebühr beziehen,
die, wenn man die Frage streng prüft, nicht berechtigt ist. Da aber die Frage
zweifelhaft erscheint, so läßt man ihn gehen. Es dürfte gerade die Aufgabe
einer guten Disziplin sein, durchweg und auch bei zweifelhaften Fragen die
Dienstordnung dergestalt auszulegen und aufrecht zu halten, daß damit für die
Thätigkeit der zum öffentlichen Dienste berufenen fest geregelte Schranken ge¬
zogen würden. Hierauf hat die Praxis des Ehrengerichtshofes dem Anwalts¬
stande gegenüber verzichtet.
Was aber noch besonders bei Betrachtung der ehrengerichtlichen Thätigkeit
ein befriedigendes Gefühl nicht aufkommen läßt, das ist die wiederholt sich auf¬
drängende Frage: Wie kommt denn nun selbst in den Füllen, wo eine Ord¬
nungswidrigkeit des Anwaltes anerkannt und bestraft wird, die Partei zum Er-
satze ihres Schadens, wenn ein solcher ihr durch die ordnungswidrige Thätigkeit
des Anwaltes zugefügt ist? Gerade darin würde unsrer Auffassung uach die
wahre Ehre der Justiz liegen, wenn da, wo durch die eignen Organe derselben
den Rechtsuchenden ein klar vorliegender Schaden zugefügt ist, auch von Amts¬
wegen dafür gesorgt würde, daß dieser Schaden ihnen ersetzt werde. Denn das
erste und dringendste Bedürfnis aller Gerechtigkeit besteht nicht darin, daß
jemand für ein von ihm zugefügtes Unrecht gestraft werde, sondern darin, daß
er das zugefügte Unrecht wieder gut mache. Dafür in erster Linie zu sorgen,
wäre die würdigste Aufgabe einer Ehrengcrichtsbarkeit. Hierauf sind aber die
Ehrengerichte für Rechtsanwälte nicht eingerichtet. Sie kümmern sich nicht um
den zugefügten Schaden, überlassen es vielmehr den Beteiligten, wie sie Ersatz
dafür finden wollen. Der Anwalt, der durch seine Versäumnis die Partei um
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