Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Das Ergebnis der französischen Wahlen. bald bewegen, einen General zur Bändigung des Pöbels mit königlicher oder Der zweite Akt des Schauspiels hat diese Möglichkeit nicht zur Thatsache Das Ergebnis der französischen Wahlen. bald bewegen, einen General zur Bändigung des Pöbels mit königlicher oder Der zweite Akt des Schauspiels hat diese Möglichkeit nicht zur Thatsache <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0229" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196963"/> <fw type="header" place="top"> Das Ergebnis der französischen Wahlen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_725" prev="#ID_724"> bald bewegen, einen General zur Bändigung des Pöbels mit königlicher oder<lb/> kaiserlicher Machtvollkommenheit zu bekleiden. Eine zu Hause duldsame, nach<lb/> außen hin friedliche Republik, eine solche, welche ihre Aufgabe in sparsamen<lb/> Umgehen mit den Finanzen und in ruhiger Entwicklung der Kräfte des Volkes<lb/> erblickt hätte, würde die Wunden allmählich geheilt haben, welche Napoleon des<lb/> Dritten frivoler Krieg mit Deutschland dem Körper Frankreichs geschlagen hat.<lb/> Thiers hatte eine solche im Sinne, aber die Männer, die seine Nachfolger in<lb/> diesem Bestreben hätten sein sollen, gerieten unter den störenden Einfluß Gam-<lb/> bettas und erbten von ihm sein Bedürfnis, nach außen hin Sensationspolitik<lb/> zu treiben, und in betreff des Innern seinen Haß gegen die Kirche. Diese<lb/> Männer haben jetzt eine große Niederlage erlitten, und vielleicht — so sagte<lb/> man sich bis zum 18. Oktober — wird dieselbe durch den Ausgang der not¬<lb/> wendig gewordenen zahlreichen Stichwahlen noch größer.</p><lb/> <p xml:id="ID_726" next="#ID_727"> Der zweite Akt des Schauspiels hat diese Möglichkeit nicht zur Thatsache<lb/> werden lassen, er ist günstiger für die Opportunisten, günstiger mittelbar mich<lb/> für die Zukunft der Republik ausgefallen als der erste. Erschrocken über deren<lb/> mehr anscheinende als wirkliche direkte Gefährdung durch die Siege der mon¬<lb/> archischen Parteien, gaben die verschiednen Lager der Republikaner die Parole<lb/> vereinten Widerstandes gegen diese aus, und anderseits unterließ jetzt auch die<lb/> Regierung nicht, nach Möglichkeit auf die Wahlkörper einzuwirken und die Ein¬<lb/> wirkung antirepublikanisch gesinnter Beamten auf dieselben zu verhindern. Sie<lb/> hatte vor den ersten Wahlen geradezu ein Verbot an ihre Präfekten und Maires<lb/> erlassen, sich irgendwie in die Wahlen zu mischen. Durch den Mißerfolg solcher<lb/> Enthaltsamkeit belehrt, daß es damit nicht ging, daß diese Tugend zwar gut<lb/> zu der liberalen Theorie, aber schlecht zur Praxis, zu den Interessen des Libera¬<lb/> lismus paßte, ging sie diesmal einen andern Weg und befolgte den Rat, den<lb/> ihr Name, der Freund Gambettas, im Volwirs erteilte, einen Rat, der diesen<lb/> französischen Fortschrittsmännern nicht schön zu Gesichte stand, und der für uns<lb/> lehrreich ist, weshalb wir ihn uns merken wollen, zumal da unsre Fortschritts¬<lb/> partei einmal in ähnlicher Weise ihre Grundsätze verleugnete. Man erinnert<lb/> sich, daß sie 1861, wo sie sich bildete, im Hinblicke darauf, daß das damalige<lb/> liberale Ministerium viele Gegner unter seinen Beamten duldete, folgende Dekla¬<lb/> ration in ihr Programm aufnahm: „Für unsre innern Einrichtungen ver¬<lb/> langen wir eine feste liberale Regierung, welche es versteht, ihren Grundsätzen<lb/> in allen Schichten der Beamtenwelt unnachstchtlich Geltung zu verschaffen."<lb/> Ähnlich jetzt der französische Glaubensgenosse der Herren Virchow und Richter.<lb/> Er sagte der Regierung, ihre Neutralität gegenüber dem Wahlkampfe, der<lb/> korrekte und konsequente Liberalismus, mit dein sie den Beamten der Republik<lb/> bis hinab zu den Schulmeistern und Steuereinnehmern jede Beteiligung an der<lb/> Sache untersagt habe, sei schädlich gewesen, indem er nicht verhindert habe, daß<lb/> reaktionäre Beamte zum Schaden der Republik thätig gewesen seien, worauf er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0229]
Das Ergebnis der französischen Wahlen.
bald bewegen, einen General zur Bändigung des Pöbels mit königlicher oder
kaiserlicher Machtvollkommenheit zu bekleiden. Eine zu Hause duldsame, nach
außen hin friedliche Republik, eine solche, welche ihre Aufgabe in sparsamen
Umgehen mit den Finanzen und in ruhiger Entwicklung der Kräfte des Volkes
erblickt hätte, würde die Wunden allmählich geheilt haben, welche Napoleon des
Dritten frivoler Krieg mit Deutschland dem Körper Frankreichs geschlagen hat.
Thiers hatte eine solche im Sinne, aber die Männer, die seine Nachfolger in
diesem Bestreben hätten sein sollen, gerieten unter den störenden Einfluß Gam-
bettas und erbten von ihm sein Bedürfnis, nach außen hin Sensationspolitik
zu treiben, und in betreff des Innern seinen Haß gegen die Kirche. Diese
Männer haben jetzt eine große Niederlage erlitten, und vielleicht — so sagte
man sich bis zum 18. Oktober — wird dieselbe durch den Ausgang der not¬
wendig gewordenen zahlreichen Stichwahlen noch größer.
Der zweite Akt des Schauspiels hat diese Möglichkeit nicht zur Thatsache
werden lassen, er ist günstiger für die Opportunisten, günstiger mittelbar mich
für die Zukunft der Republik ausgefallen als der erste. Erschrocken über deren
mehr anscheinende als wirkliche direkte Gefährdung durch die Siege der mon¬
archischen Parteien, gaben die verschiednen Lager der Republikaner die Parole
vereinten Widerstandes gegen diese aus, und anderseits unterließ jetzt auch die
Regierung nicht, nach Möglichkeit auf die Wahlkörper einzuwirken und die Ein¬
wirkung antirepublikanisch gesinnter Beamten auf dieselben zu verhindern. Sie
hatte vor den ersten Wahlen geradezu ein Verbot an ihre Präfekten und Maires
erlassen, sich irgendwie in die Wahlen zu mischen. Durch den Mißerfolg solcher
Enthaltsamkeit belehrt, daß es damit nicht ging, daß diese Tugend zwar gut
zu der liberalen Theorie, aber schlecht zur Praxis, zu den Interessen des Libera¬
lismus paßte, ging sie diesmal einen andern Weg und befolgte den Rat, den
ihr Name, der Freund Gambettas, im Volwirs erteilte, einen Rat, der diesen
französischen Fortschrittsmännern nicht schön zu Gesichte stand, und der für uns
lehrreich ist, weshalb wir ihn uns merken wollen, zumal da unsre Fortschritts¬
partei einmal in ähnlicher Weise ihre Grundsätze verleugnete. Man erinnert
sich, daß sie 1861, wo sie sich bildete, im Hinblicke darauf, daß das damalige
liberale Ministerium viele Gegner unter seinen Beamten duldete, folgende Dekla¬
ration in ihr Programm aufnahm: „Für unsre innern Einrichtungen ver¬
langen wir eine feste liberale Regierung, welche es versteht, ihren Grundsätzen
in allen Schichten der Beamtenwelt unnachstchtlich Geltung zu verschaffen."
Ähnlich jetzt der französische Glaubensgenosse der Herren Virchow und Richter.
Er sagte der Regierung, ihre Neutralität gegenüber dem Wahlkampfe, der
korrekte und konsequente Liberalismus, mit dein sie den Beamten der Republik
bis hinab zu den Schulmeistern und Steuereinnehmern jede Beteiligung an der
Sache untersagt habe, sei schädlich gewesen, indem er nicht verhindert habe, daß
reaktionäre Beamte zum Schaden der Republik thätig gewesen seien, worauf er
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