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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Notizen.

hohen Diplomatie nicht als gleich und voll angesehen, zunächst seine Ver¬
bindungen mit der Literaturwelt suchte, deren Einfluß er in Deutschland für
ebenso groß als in der eignen Heimat betrachtete, in welcher die Kunst des
Lesens und Schreibens noch nicht allgemein verbreitet war und ihre Kenntnis
den Eingeweihten einen besondern Nimbus verlieh. Er selbst war Advokat und
hatte nach Beendigung seiner in Wien, Paris und London halb vollendeten Stu¬
dien -- er war Studirens halber von seinem Landesfttrsten nach Europa geschickt
worden -- in seiner Heimat ein Oppositivnsblatt begründet, das ihn bald in die
Nationalversammlung und in die fast wöchentlich wechselnden Ministerien -- zuletzt
hatte er das Portefeuille des Krieges -- sowie endlich in die halb offiziöse Mission
nach Berlin brachte. Gleichzeitig war er aber auch in Paris und Wien cckkreditirt
und hatte dadurch die Annehmlichkeit, je nach der Saison seine Residenz verlegen
zu können. Bei aller zur Schau getragnen Vorliebe für die Demokratie hörte
er sich gern "Exzellenz" tituliren, erzählte oft mit Vorliebe Hofgeschichten und von
seinen Begegnungen mit verschiednen gekrönten Häuptern und trug stets einen
von exotischen Sternen der wunderlichsten Art geschmückten Leibrock sowie das
in den sieben Regenbogenfarben schillernde Band seines heimatlichen Hcmpt-
ordens. Er hatte sechs Töchter, im Alter von sechzehn bis einundzwanzig
Jahren, die aber nur abwechselnd den Einladungen Folge leisteten, nachdem ein
etwas malitiöser Attache der französischen Votschaft den Vater an der Spitze
seiner Töchter als das Pensionat Zankabioticic bezeichnet hatte. Heute war das
Loos auf Cea und Dea gefallen, die wegen ihrer von der landesüblichen ab¬
weichenden Schönheit vielbewnndert waren. Sie konnten sich noch nicht deutsch
ausdrücken und machten auch uoch in dem Studium der andern europäischen
Sprachen die ersten schüchternen Gehversuche. Desto lebhafter war die Sprache
ihrer Augen und ihr beständiges Lächeln, wobei sie mehr den Verkehr mit den
schmücken Offizieren als mit ihresgleichen erstrebten.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Noch ein Wort über den Prozeß Greis. Die Freunde Graff haben sich
nicht, wie es Wohl am passendsten gewesen wäre, mit der glücklich erfolgten Frei¬
sprechung Graff genügen lassen, sondern er sollte nun auch in der öffentlichen
Meinung wiederhergestellt werden. Diese Mohrenwäsche hat vorzugsweise die
"National-Zeitung" übernommen. Natürlich konnte ein solcher Versuch nur in der
Weise gemacht werden, daß man die Justiz möglichst herunterriß, daß man den
ganzen Prozeß als eine Grausamkeit, einen schweren Fehler, eine Barbarei der


Notizen.

hohen Diplomatie nicht als gleich und voll angesehen, zunächst seine Ver¬
bindungen mit der Literaturwelt suchte, deren Einfluß er in Deutschland für
ebenso groß als in der eignen Heimat betrachtete, in welcher die Kunst des
Lesens und Schreibens noch nicht allgemein verbreitet war und ihre Kenntnis
den Eingeweihten einen besondern Nimbus verlieh. Er selbst war Advokat und
hatte nach Beendigung seiner in Wien, Paris und London halb vollendeten Stu¬
dien — er war Studirens halber von seinem Landesfttrsten nach Europa geschickt
worden — in seiner Heimat ein Oppositivnsblatt begründet, das ihn bald in die
Nationalversammlung und in die fast wöchentlich wechselnden Ministerien — zuletzt
hatte er das Portefeuille des Krieges — sowie endlich in die halb offiziöse Mission
nach Berlin brachte. Gleichzeitig war er aber auch in Paris und Wien cckkreditirt
und hatte dadurch die Annehmlichkeit, je nach der Saison seine Residenz verlegen
zu können. Bei aller zur Schau getragnen Vorliebe für die Demokratie hörte
er sich gern „Exzellenz" tituliren, erzählte oft mit Vorliebe Hofgeschichten und von
seinen Begegnungen mit verschiednen gekrönten Häuptern und trug stets einen
von exotischen Sternen der wunderlichsten Art geschmückten Leibrock sowie das
in den sieben Regenbogenfarben schillernde Band seines heimatlichen Hcmpt-
ordens. Er hatte sechs Töchter, im Alter von sechzehn bis einundzwanzig
Jahren, die aber nur abwechselnd den Einladungen Folge leisteten, nachdem ein
etwas malitiöser Attache der französischen Votschaft den Vater an der Spitze
seiner Töchter als das Pensionat Zankabioticic bezeichnet hatte. Heute war das
Loos auf Cea und Dea gefallen, die wegen ihrer von der landesüblichen ab¬
weichenden Schönheit vielbewnndert waren. Sie konnten sich noch nicht deutsch
ausdrücken und machten auch uoch in dem Studium der andern europäischen
Sprachen die ersten schüchternen Gehversuche. Desto lebhafter war die Sprache
ihrer Augen und ihr beständiges Lächeln, wobei sie mehr den Verkehr mit den
schmücken Offizieren als mit ihresgleichen erstrebten.

(Fortsetzung folgt.)




Notizen.

Noch ein Wort über den Prozeß Greis. Die Freunde Graff haben sich
nicht, wie es Wohl am passendsten gewesen wäre, mit der glücklich erfolgten Frei¬
sprechung Graff genügen lassen, sondern er sollte nun auch in der öffentlichen
Meinung wiederhergestellt werden. Diese Mohrenwäsche hat vorzugsweise die
„National-Zeitung" übernommen. Natürlich konnte ein solcher Versuch nur in der
Weise gemacht werden, daß man die Justiz möglichst herunterriß, daß man den
ganzen Prozeß als eine Grausamkeit, einen schweren Fehler, eine Barbarei der


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[0213] Notizen. hohen Diplomatie nicht als gleich und voll angesehen, zunächst seine Ver¬ bindungen mit der Literaturwelt suchte, deren Einfluß er in Deutschland für ebenso groß als in der eignen Heimat betrachtete, in welcher die Kunst des Lesens und Schreibens noch nicht allgemein verbreitet war und ihre Kenntnis den Eingeweihten einen besondern Nimbus verlieh. Er selbst war Advokat und hatte nach Beendigung seiner in Wien, Paris und London halb vollendeten Stu¬ dien — er war Studirens halber von seinem Landesfttrsten nach Europa geschickt worden — in seiner Heimat ein Oppositivnsblatt begründet, das ihn bald in die Nationalversammlung und in die fast wöchentlich wechselnden Ministerien — zuletzt hatte er das Portefeuille des Krieges — sowie endlich in die halb offiziöse Mission nach Berlin brachte. Gleichzeitig war er aber auch in Paris und Wien cckkreditirt und hatte dadurch die Annehmlichkeit, je nach der Saison seine Residenz verlegen zu können. Bei aller zur Schau getragnen Vorliebe für die Demokratie hörte er sich gern „Exzellenz" tituliren, erzählte oft mit Vorliebe Hofgeschichten und von seinen Begegnungen mit verschiednen gekrönten Häuptern und trug stets einen von exotischen Sternen der wunderlichsten Art geschmückten Leibrock sowie das in den sieben Regenbogenfarben schillernde Band seines heimatlichen Hcmpt- ordens. Er hatte sechs Töchter, im Alter von sechzehn bis einundzwanzig Jahren, die aber nur abwechselnd den Einladungen Folge leisteten, nachdem ein etwas malitiöser Attache der französischen Votschaft den Vater an der Spitze seiner Töchter als das Pensionat Zankabioticic bezeichnet hatte. Heute war das Loos auf Cea und Dea gefallen, die wegen ihrer von der landesüblichen ab¬ weichenden Schönheit vielbewnndert waren. Sie konnten sich noch nicht deutsch ausdrücken und machten auch uoch in dem Studium der andern europäischen Sprachen die ersten schüchternen Gehversuche. Desto lebhafter war die Sprache ihrer Augen und ihr beständiges Lächeln, wobei sie mehr den Verkehr mit den schmücken Offizieren als mit ihresgleichen erstrebten. (Fortsetzung folgt.) Notizen. Noch ein Wort über den Prozeß Greis. Die Freunde Graff haben sich nicht, wie es Wohl am passendsten gewesen wäre, mit der glücklich erfolgten Frei¬ sprechung Graff genügen lassen, sondern er sollte nun auch in der öffentlichen Meinung wiederhergestellt werden. Diese Mohrenwäsche hat vorzugsweise die „National-Zeitung" übernommen. Natürlich konnte ein solcher Versuch nur in der Weise gemacht werden, daß man die Justiz möglichst herunterriß, daß man den ganzen Prozeß als eine Grausamkeit, einen schweren Fehler, eine Barbarei der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/213>, abgerufen am 15.01.2025.