Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Die Alagen und Ansprüche der Serben und Griechen. einer Partei gerät, welche sich mit Rußland verständigen und ihm auf allen Die Griechen betrachten die bulgarisch-vstrumelische Union gleichsam als Die Alagen und Ansprüche der Serben und Griechen. einer Partei gerät, welche sich mit Rußland verständigen und ihm auf allen Die Griechen betrachten die bulgarisch-vstrumelische Union gleichsam als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196933"/> <fw type="header" place="top"> Die Alagen und Ansprüche der Serben und Griechen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_630" prev="#ID_629"> einer Partei gerät, welche sich mit Rußland verständigen und ihm auf allen<lb/> seinen Wegen folgen würde. König Milan würde in jenem Falle rasch die<lb/> Volksgunst einbüßen und wahrscheinlich abdanken und dem Prätendenten Kara-<lb/> gcorgewitsch Krone und Thron überlassen müssen, welcher notorisch in den Händen<lb/> der russischen Diplomatie ist. Ist es den Österreichern und den Deutschen<lb/> möglich, irgeud etwas zu begünstigen, wodurch ein solches Resultat herbeigeführt<lb/> werden würde?</p><lb/> <p xml:id="ID_631" next="#ID_632"> Die Griechen betrachten die bulgarisch-vstrumelische Union gleichsam als<lb/> Störung des Gleichgewichtes der Balkanstaaten und verlangen gleichfalls Wieder¬<lb/> herstellung desselben durch Kompensation in Gestalt von Landstrichen. Sodann<lb/> aber räsvnniren sie etwa folgendermaßen. In Ostrumelien existirt eine starke<lb/> griechische Bevölkerung. Daneben jedoch giebt es dort in der Mitte ausgedehnte<lb/> Bezirke, deren Bewohner ethnographisch gemischt, ja für Fremde völlig unbestimm¬<lb/> bar sind. Sie haben dieselbe Religion, d. h. sie gehören der griechischen Kirche an,<lb/> aber sprechen bald griechisch, bald slawisch, selbst türkisch mit gleicher Fertigkeit.<lb/> Infolge langjähriger Unterjochung unter fremder Herrschaft haben sie ihre<lb/> Nationalität verloren, und so geriren sie sich je nach den Umständen und nach<lb/> der Seite, von wo Druck auf sie geübt wird, bald als Slawen, bald als<lb/> Griechen. Es war deshalb den panslawistischen Agenten und der bulgarischen<lb/> Mehrheit in Ostrnmelien leicht, große Massen dieser Leute durch Bedrohnugen<lb/> zu der Erklärung zu bewegen, sie seien nicht Griechen, sondern Bulgare», ein<lb/> Prozeß, der auch in Nvrdmacedonien stattfand. Das griechische Element in<lb/> Ostrumelien ist das am meisten dem Fortschritte zugewandte, das gebildetste<lb/> und das wohlhabendste. Es ist daher dem Königreiche Hellas und den übrigen<lb/> Griechen unmöglich, gelassen zuzuschauen, wie dort die griechische Bevölkerung<lb/> mit den bei den Slawen üblichen Mitteln genötigt wird, sich den Bulgaren zu<lb/> nssimiliren. Ferner machen die Bulgaren gar kein Geheimnis daraus, was sie<lb/> für ihre Aufgabe und Bestimmung auf der Balkanhalbinsel halten. Ihre Union<lb/> ist nnr ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des Vertrages von San Stefano,<lb/> der nach Jgnatiefss Zugeständnis seinerseits nur eine provisorische Skizze des<lb/> großen Slawenrciches war, welches dereinst die türkische Macht zwischen dem<lb/> Schwarzen und dem Adriatischen Meere ersetzen sollte. Die Bulgaren und ihre<lb/> Freunde geben zu, daß sie bis an das Ägeische Meer hinstreben. Sie können<lb/> zwar nicht leugnen, daß die ganze Bevölkerung an dessen Küsten griechisch ist,<lb/> behaupten aber, das sei nur ein schmaler Gürtel, der sie nicht hindern dürfe,<lb/> eine Seemacht mit der Hauptstadt Konstantinopel zu werden. Die Ausführung<lb/> des Jguatieffschen Planes, die mit der Union erstrebt wird, würde die griechische<lb/> Nationalität in jenem Küstengebiete auftreten. Das ist keine Übertreibung.<lb/> Alle, die der kurzen Geschichte der Bulgaren ihre Aufmerksamkeit zugewendet<lb/> haben, wissen, daß dieselben von Natur und traditionell äußerst aggressiv und<lb/> nnwählerisch im Verhalten gegen ihre Nachbarn sind. Ein Beweis für diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
Die Alagen und Ansprüche der Serben und Griechen.
einer Partei gerät, welche sich mit Rußland verständigen und ihm auf allen
seinen Wegen folgen würde. König Milan würde in jenem Falle rasch die
Volksgunst einbüßen und wahrscheinlich abdanken und dem Prätendenten Kara-
gcorgewitsch Krone und Thron überlassen müssen, welcher notorisch in den Händen
der russischen Diplomatie ist. Ist es den Österreichern und den Deutschen
möglich, irgeud etwas zu begünstigen, wodurch ein solches Resultat herbeigeführt
werden würde?
Die Griechen betrachten die bulgarisch-vstrumelische Union gleichsam als
Störung des Gleichgewichtes der Balkanstaaten und verlangen gleichfalls Wieder¬
herstellung desselben durch Kompensation in Gestalt von Landstrichen. Sodann
aber räsvnniren sie etwa folgendermaßen. In Ostrumelien existirt eine starke
griechische Bevölkerung. Daneben jedoch giebt es dort in der Mitte ausgedehnte
Bezirke, deren Bewohner ethnographisch gemischt, ja für Fremde völlig unbestimm¬
bar sind. Sie haben dieselbe Religion, d. h. sie gehören der griechischen Kirche an,
aber sprechen bald griechisch, bald slawisch, selbst türkisch mit gleicher Fertigkeit.
Infolge langjähriger Unterjochung unter fremder Herrschaft haben sie ihre
Nationalität verloren, und so geriren sie sich je nach den Umständen und nach
der Seite, von wo Druck auf sie geübt wird, bald als Slawen, bald als
Griechen. Es war deshalb den panslawistischen Agenten und der bulgarischen
Mehrheit in Ostrnmelien leicht, große Massen dieser Leute durch Bedrohnugen
zu der Erklärung zu bewegen, sie seien nicht Griechen, sondern Bulgare», ein
Prozeß, der auch in Nvrdmacedonien stattfand. Das griechische Element in
Ostrumelien ist das am meisten dem Fortschritte zugewandte, das gebildetste
und das wohlhabendste. Es ist daher dem Königreiche Hellas und den übrigen
Griechen unmöglich, gelassen zuzuschauen, wie dort die griechische Bevölkerung
mit den bei den Slawen üblichen Mitteln genötigt wird, sich den Bulgaren zu
nssimiliren. Ferner machen die Bulgaren gar kein Geheimnis daraus, was sie
für ihre Aufgabe und Bestimmung auf der Balkanhalbinsel halten. Ihre Union
ist nnr ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des Vertrages von San Stefano,
der nach Jgnatiefss Zugeständnis seinerseits nur eine provisorische Skizze des
großen Slawenrciches war, welches dereinst die türkische Macht zwischen dem
Schwarzen und dem Adriatischen Meere ersetzen sollte. Die Bulgaren und ihre
Freunde geben zu, daß sie bis an das Ägeische Meer hinstreben. Sie können
zwar nicht leugnen, daß die ganze Bevölkerung an dessen Küsten griechisch ist,
behaupten aber, das sei nur ein schmaler Gürtel, der sie nicht hindern dürfe,
eine Seemacht mit der Hauptstadt Konstantinopel zu werden. Die Ausführung
des Jguatieffschen Planes, die mit der Union erstrebt wird, würde die griechische
Nationalität in jenem Küstengebiete auftreten. Das ist keine Übertreibung.
Alle, die der kurzen Geschichte der Bulgaren ihre Aufmerksamkeit zugewendet
haben, wissen, daß dieselben von Natur und traditionell äußerst aggressiv und
nnwählerisch im Verhalten gegen ihre Nachbarn sind. Ein Beweis für diese
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