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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanroälte.

Bedeutungsvoller sind die Fülle, wo ein ungeeignetes Verhalten von An¬
wälten in unmittelbarer Beziehung zu den ihnen anvertrauten Rechtsinteressen
stand. Hier finden wir in einem Falle auf Ausschließung von der Rechtsanwalt¬
schaft erkannt wegen versuchter Einwirkung ans Zeugen zur Bekundung unwahrer
Thatsachen in einem Prozesse, bei dem der Anwalt selbst beteiligt war. (Die
Vorinstanz hatte nur auf Verweis und Geldstrafe erkannt.) In einem andern
Falle dagegen, wo ein Rechtsanwalt sich von einem konkursreifen Schuldner
dessen ganzes Vermögen hatte abtreten lassen, anch Beihilfe dazu geleistet hatte,
daß ein andrer Gläubiger zur Sicherung seiner Forderung Wechsel im vierfachen
Betrage derselben vom Schuldner ausgestellt erhielt -- eine Handlung, welche
der Ehrengerichtshof selbst als grobe Verletzung der Ehrenhaftigkeit, der Redlich¬
keit und des Anstandes bezeichnete --, wurde im Widerspruch mit dem auf Aus¬
schließung gerichteten Anträge des Staatsanwalts von beiden Instanzen nnr auf
die höchste Geldstrafe erkannt. Zwei Fälle liegen vor, in welchen Anwälte lauge
Zeit hindurch der Verfolgung von Ansprüchen aus wucherische,? Geschäftsbetrieben
ihre Dienste gewidmet hatten. In dem eiuen Falle wurde die vom Ehrengericht
erkannte Geldstrafe von 3000 Mark (man erfährt nicht, auf wie viel) herab¬
gesetzt, in dem andern Falle statt der in erster Instanz erkannten Freisprechung
ein Verweis ausgesprochen. Für die Beihilfe zur Abschließung betrügerischer
Scheinverträge wurde in einem Falle auf eine Strafe von 1000 Mark erkannt.
Das täuschende Verhalten eines Urwalds bei einem Zwangsverkaufe zur Ver¬
heimlichung des wahren Kaufpreises und zur Abhaltung von Bietern hatte die
Bestrafung mit einem Verweis und 200 Mark Geld zur Folge. Dagegen
wurde wider einen Anwalt, der gleichzeitig mit ErWirkung eines Moratoriums
für einen Schuldner sich dessen Mobiliar zur Befriedigung seiner eignen
Forderung hatte abtreten lassen, nur auf einen Verweis erkannt. Desgleichen
gegen eiuen Anwalt, welcher, um gegen Dritte eine Pression zu üben, einen
Scheinvertrng abgeschlossen und in diesem sogar die Erfüllung der übernommenen
Verpflichtungen an Eidesstatt gelobt hatte. Ein Anwalt, welcher zur Abwehr
eiuer Strafanklage die Abschließung eines Abfindungsvertrages vermittelt hatte,
wurde bei der später erfolgten Freisprechung des mit der Anklage Verfolgten
und auf Grund der Annahme, daß auch er, der Anwalt, den Angeklagte!, schon
damals für unschuldig gehalten habe, freigesprochen.

Andre Unregelmäßigkeiten, welche in unmittelbarer Beziehung zu den dem
Anwälte übertragnen Rechtssachen standen, sind folgende. In einem Falle wurde
auf Ausschließung von der Nechtsanwaltschaft erkannt wegen wiederholter langer
Zurückhaltung der für die Parteien eingenommenen Gelder auf lügenhafte Ent-
schuldigungsgründe hin, sowie wegen hartnäckiger Zurückhaltung der Handakten.
In einem andern Falle, wo der Anwalt eingenommene Steigergclder widerrechtlich
zur Befriedigung einer eignen Forderung zu benutzen versucht, auch eine zur
Umgehung des Gesetzes dienende Zession sich hatte geben lassen, wurde die in


Das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanroälte.

Bedeutungsvoller sind die Fülle, wo ein ungeeignetes Verhalten von An¬
wälten in unmittelbarer Beziehung zu den ihnen anvertrauten Rechtsinteressen
stand. Hier finden wir in einem Falle auf Ausschließung von der Rechtsanwalt¬
schaft erkannt wegen versuchter Einwirkung ans Zeugen zur Bekundung unwahrer
Thatsachen in einem Prozesse, bei dem der Anwalt selbst beteiligt war. (Die
Vorinstanz hatte nur auf Verweis und Geldstrafe erkannt.) In einem andern
Falle dagegen, wo ein Rechtsanwalt sich von einem konkursreifen Schuldner
dessen ganzes Vermögen hatte abtreten lassen, anch Beihilfe dazu geleistet hatte,
daß ein andrer Gläubiger zur Sicherung seiner Forderung Wechsel im vierfachen
Betrage derselben vom Schuldner ausgestellt erhielt — eine Handlung, welche
der Ehrengerichtshof selbst als grobe Verletzung der Ehrenhaftigkeit, der Redlich¬
keit und des Anstandes bezeichnete —, wurde im Widerspruch mit dem auf Aus¬
schließung gerichteten Anträge des Staatsanwalts von beiden Instanzen nnr auf
die höchste Geldstrafe erkannt. Zwei Fälle liegen vor, in welchen Anwälte lauge
Zeit hindurch der Verfolgung von Ansprüchen aus wucherische,? Geschäftsbetrieben
ihre Dienste gewidmet hatten. In dem eiuen Falle wurde die vom Ehrengericht
erkannte Geldstrafe von 3000 Mark (man erfährt nicht, auf wie viel) herab¬
gesetzt, in dem andern Falle statt der in erster Instanz erkannten Freisprechung
ein Verweis ausgesprochen. Für die Beihilfe zur Abschließung betrügerischer
Scheinverträge wurde in einem Falle auf eine Strafe von 1000 Mark erkannt.
Das täuschende Verhalten eines Urwalds bei einem Zwangsverkaufe zur Ver¬
heimlichung des wahren Kaufpreises und zur Abhaltung von Bietern hatte die
Bestrafung mit einem Verweis und 200 Mark Geld zur Folge. Dagegen
wurde wider einen Anwalt, der gleichzeitig mit ErWirkung eines Moratoriums
für einen Schuldner sich dessen Mobiliar zur Befriedigung seiner eignen
Forderung hatte abtreten lassen, nur auf einen Verweis erkannt. Desgleichen
gegen eiuen Anwalt, welcher, um gegen Dritte eine Pression zu üben, einen
Scheinvertrng abgeschlossen und in diesem sogar die Erfüllung der übernommenen
Verpflichtungen an Eidesstatt gelobt hatte. Ein Anwalt, welcher zur Abwehr
eiuer Strafanklage die Abschließung eines Abfindungsvertrages vermittelt hatte,
wurde bei der später erfolgten Freisprechung des mit der Anklage Verfolgten
und auf Grund der Annahme, daß auch er, der Anwalt, den Angeklagte!, schon
damals für unschuldig gehalten habe, freigesprochen.

Andre Unregelmäßigkeiten, welche in unmittelbarer Beziehung zu den dem
Anwälte übertragnen Rechtssachen standen, sind folgende. In einem Falle wurde
auf Ausschließung von der Nechtsanwaltschaft erkannt wegen wiederholter langer
Zurückhaltung der für die Parteien eingenommenen Gelder auf lügenhafte Ent-
schuldigungsgründe hin, sowie wegen hartnäckiger Zurückhaltung der Handakten.
In einem andern Falle, wo der Anwalt eingenommene Steigergclder widerrechtlich
zur Befriedigung einer eignen Forderung zu benutzen versucht, auch eine zur
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[0191] Das ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanroälte. Bedeutungsvoller sind die Fülle, wo ein ungeeignetes Verhalten von An¬ wälten in unmittelbarer Beziehung zu den ihnen anvertrauten Rechtsinteressen stand. Hier finden wir in einem Falle auf Ausschließung von der Rechtsanwalt¬ schaft erkannt wegen versuchter Einwirkung ans Zeugen zur Bekundung unwahrer Thatsachen in einem Prozesse, bei dem der Anwalt selbst beteiligt war. (Die Vorinstanz hatte nur auf Verweis und Geldstrafe erkannt.) In einem andern Falle dagegen, wo ein Rechtsanwalt sich von einem konkursreifen Schuldner dessen ganzes Vermögen hatte abtreten lassen, anch Beihilfe dazu geleistet hatte, daß ein andrer Gläubiger zur Sicherung seiner Forderung Wechsel im vierfachen Betrage derselben vom Schuldner ausgestellt erhielt — eine Handlung, welche der Ehrengerichtshof selbst als grobe Verletzung der Ehrenhaftigkeit, der Redlich¬ keit und des Anstandes bezeichnete —, wurde im Widerspruch mit dem auf Aus¬ schließung gerichteten Anträge des Staatsanwalts von beiden Instanzen nnr auf die höchste Geldstrafe erkannt. Zwei Fälle liegen vor, in welchen Anwälte lauge Zeit hindurch der Verfolgung von Ansprüchen aus wucherische,? Geschäftsbetrieben ihre Dienste gewidmet hatten. In dem eiuen Falle wurde die vom Ehrengericht erkannte Geldstrafe von 3000 Mark (man erfährt nicht, auf wie viel) herab¬ gesetzt, in dem andern Falle statt der in erster Instanz erkannten Freisprechung ein Verweis ausgesprochen. Für die Beihilfe zur Abschließung betrügerischer Scheinverträge wurde in einem Falle auf eine Strafe von 1000 Mark erkannt. Das täuschende Verhalten eines Urwalds bei einem Zwangsverkaufe zur Ver¬ heimlichung des wahren Kaufpreises und zur Abhaltung von Bietern hatte die Bestrafung mit einem Verweis und 200 Mark Geld zur Folge. Dagegen wurde wider einen Anwalt, der gleichzeitig mit ErWirkung eines Moratoriums für einen Schuldner sich dessen Mobiliar zur Befriedigung seiner eignen Forderung hatte abtreten lassen, nur auf einen Verweis erkannt. Desgleichen gegen eiuen Anwalt, welcher, um gegen Dritte eine Pression zu üben, einen Scheinvertrng abgeschlossen und in diesem sogar die Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen an Eidesstatt gelobt hatte. Ein Anwalt, welcher zur Abwehr eiuer Strafanklage die Abschließung eines Abfindungsvertrages vermittelt hatte, wurde bei der später erfolgten Freisprechung des mit der Anklage Verfolgten und auf Grund der Annahme, daß auch er, der Anwalt, den Angeklagte!, schon damals für unschuldig gehalten habe, freigesprochen. Andre Unregelmäßigkeiten, welche in unmittelbarer Beziehung zu den dem Anwälte übertragnen Rechtssachen standen, sind folgende. In einem Falle wurde auf Ausschließung von der Nechtsanwaltschaft erkannt wegen wiederholter langer Zurückhaltung der für die Parteien eingenommenen Gelder auf lügenhafte Ent- schuldigungsgründe hin, sowie wegen hartnäckiger Zurückhaltung der Handakten. In einem andern Falle, wo der Anwalt eingenommene Steigergclder widerrechtlich zur Befriedigung einer eignen Forderung zu benutzen versucht, auch eine zur Umgehung des Gesetzes dienende Zession sich hatte geben lassen, wurde die in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/191>, abgerufen am 15.01.2025.