Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.I.loin<> fern" 1.. Wie ganz anders wäre es, wenn Herr or. Meyer oder Herr Dr. Cohn -- der Die "öffentliche Meinung" wird, wie mau sieht, handwerksmäßig zubereitet; Doch das Wort erschreckt mich; ich sehe, daß mir dieser Aufsatz gefährlich I^0M0 LÄpiens ferus 1^. lesen dein ehrwürdigen LMenrA naturf-s Linnes entlehnten Titel I.loin<> fern» 1.. Wie ganz anders wäre es, wenn Herr or. Meyer oder Herr Dr. Cohn — der Die „öffentliche Meinung" wird, wie mau sieht, handwerksmäßig zubereitet; Doch das Wort erschreckt mich; ich sehe, daß mir dieser Aufsatz gefährlich I^0M0 LÄpiens ferus 1^. lesen dein ehrwürdigen LMenrA naturf-s Linnes entlehnten Titel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196915"/> <fw type="header" place="top"> I.loin<> fern» 1..</fw><lb/> <p xml:id="ID_571"> Wie ganz anders wäre es, wenn Herr or. Meyer oder Herr Dr. Cohn — der<lb/> Vertreter der öffentlichen Meinung führt in der Regel auch einen „fiktiven"<lb/> Doktortitel —, Herr Müller oder Herr Schulze jeden Artikel mit ihrem<lb/> Namen zeichnen müßten und dann nicht mehr von der „öffentlichen Meinung,"<lb/> sondern nur von ihrer eignen Person reden müßten? Hätten sie dann dieselbe<lb/> Autorität auf den Philister?</p><lb/> <p xml:id="ID_572"> Die „öffentliche Meinung" wird, wie mau sieht, handwerksmäßig zubereitet;<lb/> sie ist das Produkt einer großen Industrie, die oft auch auf Bestellung arbeitet.<lb/> So lange der Durchschnittsmensch — und dieser reicht leider oft sehr hoch<lb/> hinauf — sich nicht auf sein eignes Urteil verläßt, sondern ein fremdes als<lb/> Autorität hinnimmt, so lange das gedruckte Wort uoch deu Zauber auf den<lb/> Leser ausübt, daß er meint, es müsse eine Sache wahr sein, weil sie gedruckt<lb/> sei — so lange wird die Presse eine Macht bleiben, eine Macht, die heute in<lb/> der That lediglich auf die Dummheit der Menschen spekulirt.^ Die Buchdrucker¬<lb/> kunst hat den Höhepunkt ihrer Segnungen überschritten; hat sie zuerst die Fackeln<lb/> des Geistes in alle Winkel der Erde getragen und Aufklärung und Wissen ver¬<lb/> breitet; in Gestalt der Tagespresse wirkt sie diesem Ziele jetzt direkt entgegen.<lb/> Die öffentliche Meinung ist gewiß von hohem Wert, aber sie ist nicht mehr<lb/> oder nur selten erkennbar; das aber, was sich für sie ausgiebt, ist nur die An¬<lb/> schauung weniger, welche mit einer gewissen Dreistigkeit sich als Vertreter der<lb/> allgemeinen Anschauung aufspielen. Ist die wahre öffentliche Meinung schon<lb/> wankelmütig — wir denken an das „Hosiannah" und das „Kreuzige ihn" —,<lb/> diese eingebildete ist es noch mehr, und sie sucht durch Anmaßung zu ersetze»,<lb/> was ihr an innerm Wert abgeht. Wehe, wenn ihr zu nahe getreten wird! der<lb/> Verbrecher wird bis aufs Blut verfolgt und kalten Mutes abgethan. Das<lb/> schwerste Verbrechen aber ist, diese papierne „öffentliche Meinung" anzugreifen,<lb/> denn das ist ein Verbrechen an der Volksmajestät und kann nur mit dem Tode<lb/> gesühnt werde».</p><lb/> <p xml:id="ID_573"> Doch das Wort erschreckt mich; ich sehe, daß mir dieser Aufsatz gefährlich<lb/> werden könnte, und so sei der Nest — Schweigen. ^</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> I^0M0 LÄpiens ferus 1^.</head><lb/> <p xml:id="ID_574" next="#ID_575"> lesen dein ehrwürdigen LMenrA naturf-s Linnes entlehnten Titel<lb/> führt eine im Laufe dieses Jahres erschienene Schrift, welche die<lb/> eingehendste Beachtung verdient. Die geschichtliche Erscheinung,<lb/> von welcher sie ausgeht, die der Wildlinge oder, wie sie der Ver¬<lb/> fasser nennt, der Jsolirtcn, ist zwar dem Gedächtnis und dem<lb/> Interesse der lebenden Generation entschwunden; einen desto bleibenderen Wert</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
I.loin<> fern» 1..
Wie ganz anders wäre es, wenn Herr or. Meyer oder Herr Dr. Cohn — der
Vertreter der öffentlichen Meinung führt in der Regel auch einen „fiktiven"
Doktortitel —, Herr Müller oder Herr Schulze jeden Artikel mit ihrem
Namen zeichnen müßten und dann nicht mehr von der „öffentlichen Meinung,"
sondern nur von ihrer eignen Person reden müßten? Hätten sie dann dieselbe
Autorität auf den Philister?
Die „öffentliche Meinung" wird, wie mau sieht, handwerksmäßig zubereitet;
sie ist das Produkt einer großen Industrie, die oft auch auf Bestellung arbeitet.
So lange der Durchschnittsmensch — und dieser reicht leider oft sehr hoch
hinauf — sich nicht auf sein eignes Urteil verläßt, sondern ein fremdes als
Autorität hinnimmt, so lange das gedruckte Wort uoch deu Zauber auf den
Leser ausübt, daß er meint, es müsse eine Sache wahr sein, weil sie gedruckt
sei — so lange wird die Presse eine Macht bleiben, eine Macht, die heute in
der That lediglich auf die Dummheit der Menschen spekulirt.^ Die Buchdrucker¬
kunst hat den Höhepunkt ihrer Segnungen überschritten; hat sie zuerst die Fackeln
des Geistes in alle Winkel der Erde getragen und Aufklärung und Wissen ver¬
breitet; in Gestalt der Tagespresse wirkt sie diesem Ziele jetzt direkt entgegen.
Die öffentliche Meinung ist gewiß von hohem Wert, aber sie ist nicht mehr
oder nur selten erkennbar; das aber, was sich für sie ausgiebt, ist nur die An¬
schauung weniger, welche mit einer gewissen Dreistigkeit sich als Vertreter der
allgemeinen Anschauung aufspielen. Ist die wahre öffentliche Meinung schon
wankelmütig — wir denken an das „Hosiannah" und das „Kreuzige ihn" —,
diese eingebildete ist es noch mehr, und sie sucht durch Anmaßung zu ersetze»,
was ihr an innerm Wert abgeht. Wehe, wenn ihr zu nahe getreten wird! der
Verbrecher wird bis aufs Blut verfolgt und kalten Mutes abgethan. Das
schwerste Verbrechen aber ist, diese papierne „öffentliche Meinung" anzugreifen,
denn das ist ein Verbrechen an der Volksmajestät und kann nur mit dem Tode
gesühnt werde».
Doch das Wort erschreckt mich; ich sehe, daß mir dieser Aufsatz gefährlich
werden könnte, und so sei der Nest — Schweigen. ^
I^0M0 LÄpiens ferus 1^.
lesen dein ehrwürdigen LMenrA naturf-s Linnes entlehnten Titel
führt eine im Laufe dieses Jahres erschienene Schrift, welche die
eingehendste Beachtung verdient. Die geschichtliche Erscheinung,
von welcher sie ausgeht, die der Wildlinge oder, wie sie der Ver¬
fasser nennt, der Jsolirtcn, ist zwar dem Gedächtnis und dem
Interesse der lebenden Generation entschwunden; einen desto bleibenderen Wert
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