Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. erhielt er auch eine Gastpredigt, und darum kam er auch auf die engere Wahl. Nun An demselben Abend, an welchem Salzmann sein Stiefelgeschäft machte, faßen Die Versammlung staunte, dann fing einer an zu lachen, zuletzt gab es ein Es hat sich uicht feststellen lassen, ob die beiden Viehhändler zufällig erschienen Dagegen wäre nun nichts zu sagen, mochte auch ein andrer gewählt sein, als Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. erhielt er auch eine Gastpredigt, und darum kam er auch auf die engere Wahl. Nun An demselben Abend, an welchem Salzmann sein Stiefelgeschäft machte, faßen Die Versammlung staunte, dann fing einer an zu lachen, zuletzt gab es ein Es hat sich uicht feststellen lassen, ob die beiden Viehhändler zufällig erschienen Dagegen wäre nun nichts zu sagen, mochte auch ein andrer gewählt sein, als <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196899"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.</fw><lb/> <p xml:id="ID_517" prev="#ID_516"> erhielt er auch eine Gastpredigt, und darum kam er auch auf die engere Wahl. Nun<lb/> hat aber fast jedes Dorf seineu „Pvmnchelskopp," das ist der Vertreter aller Übeln In¬<lb/> stinkte der Bewohner, ein einflußreicher Mann, aber ein schlechter Charakter, der<lb/> von dem bessern Teile des Dorfes gemieden wird, aber den andern Teil, sei es die<lb/> Jugend, seien es die kleinen Leute, zum Gefolge hat. Herr Pastor Saupe hatte<lb/> zum Schulzen gewollt und war zu besagtem Pomuchelskopv geraten, ohne den<lb/> Irrtum auch nur zu merken. Pomuchelskopv fühlte sich dadurch geehrt und fing<lb/> an, für Saupe zu agitiren. Die Partei Rüsch-Fritze fiel ihm zu, die audern frei¬<lb/> lich wurden ihm bitter feind.</p><lb/> <p xml:id="ID_518"> An demselben Abend, an welchem Salzmann sein Stiefelgeschäft machte, faßen<lb/> zwei fremde Viehhändler in der Unterschenke. Die Tische waren besetzt, denn die<lb/> Wahl des andern Tages mußte doch besprochen werden. Hier war das Haupt¬<lb/> quartier der Partei Ziegeling. Mau sprach von Zicgeling und erörterte alle Grüude,<lb/> weswegen es wünschenswert sei, diesen zu wählen. Die zwei Viehhändler schauten<lb/> sich um und lachten, ,,'s ist mir nur darum, sagte der eine, daß die Herrn den<lb/> Pastor Zicgeling wählen wollen." Erwartungsvolle Pause. „Na, die Weuduuger,<lb/> was das Nachbardorf vou uns ist, sind froh, daß sie ihn los werden." — „Aber<lb/> warum denn?" — „Man kann gerade nichts sagen, aber man hört es aller Orten,<lb/> daß der Pastor von Wendungen seine Frau Prügelt. Na jn, man kann ja nichts<lb/> sagen, das Weibsbild muß seine schmisse haben, sonst hält es das Maul nicht,<lb/> aber von so einem Manne sollte man sowas doch nicht denken." — „Er ist anch<lb/> einmal ohne Hosen auf die Kanzel gestiegen," setzte der andre hinzu, „gleich den<lb/> Priesterrock über das Hemd weg!"</p><lb/> <p xml:id="ID_519"> Die Versammlung staunte, dann fing einer an zu lachen, zuletzt gab es ein<lb/> allgemeines Halloh, und die Chorrockgeschichte wurde variirt in iuüuitum. Der<lb/> Bauer ist ein wunderlicher Kauz, er ist so mißtrauisch, daß er den sieben Weisen<lb/> von Griechenland nicht glauben wurde; kommt aber einer seinesgleichen und bindet<lb/> ihm einen handgreiflichen Unsinn auf, und es kostet thu nichts, die Sache zu glauben,<lb/> so thut ers gewiß.</p><lb/> <p xml:id="ID_520"> Es hat sich uicht feststellen lassen, ob die beiden Viehhändler zufällig erschienen<lb/> oder von jemand geschickt worden waren, das aber ist Thatsache, daß etliche sich<lb/> von Ziegeling abwandten, und da gerade wieder Bruder Täubchen erschien, um sich<lb/> in Erinnerung zu bringen, so gewann die Meinung Raum, man konnte ja auch<lb/> diesen Wahlen. So geschah es, daß am andern Tage weder Käufer, noch Ziege¬<lb/> ling, noch Täubchen, sondern Saupe gewählt wurde; das War der, an welchen<lb/> eigentlich niemand gedacht hatte und den niemand haben wollte. Bruder Täubchen<lb/> erhielt vier Stimmen, und dabei war keine von denen, die es ihm doch in die Hand<lb/> gelobt hatten. Täubchen verzweifelte an der Menschheit, und die Frnn Pastorin<lb/> verzweifelte an ihrem Ferdinand. Saupe empfing die Nachricht, daß er gewählt<lb/> sei, mit dankbaren! Herzen. „Was mich daran so freut, sagte er, das ist das Be¬<lb/> wußtsein, durch das Vertrauen einer ganzen Gemeinde berufen zu werden; wie<lb/> werde ich mich solches Vertrauens würdig machen können?" Die Partei Ziegeling<lb/> aber berief eine Versammlung, um die Giltigkeit der Wahl anzufechten. Doch hatte<lb/> der Herr Superintendent, der diese Sachen schon kannte, keine Form vernachlässigt;<lb/> es war nichts zu machen, Saupe war und blieb gewählt.</p><lb/> <p xml:id="ID_521" next="#ID_522"> Dagegen wäre nun nichts zu sagen, mochte auch ein andrer gewählt sein, als<lb/> man eigentlich wollte, wenn nnr der Gewählte ein guter Mensch war. Doch hatte<lb/> die Sache ihre bedenkliche Kehrseite. Es war zu furchten, daß sich der Pomnchels-<lb/> kopp nu den neuen Pastor herandrängen und ihm den Weg zu den andern ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0165]
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.
erhielt er auch eine Gastpredigt, und darum kam er auch auf die engere Wahl. Nun
hat aber fast jedes Dorf seineu „Pvmnchelskopp," das ist der Vertreter aller Übeln In¬
stinkte der Bewohner, ein einflußreicher Mann, aber ein schlechter Charakter, der
von dem bessern Teile des Dorfes gemieden wird, aber den andern Teil, sei es die
Jugend, seien es die kleinen Leute, zum Gefolge hat. Herr Pastor Saupe hatte
zum Schulzen gewollt und war zu besagtem Pomuchelskopv geraten, ohne den
Irrtum auch nur zu merken. Pomuchelskopv fühlte sich dadurch geehrt und fing
an, für Saupe zu agitiren. Die Partei Rüsch-Fritze fiel ihm zu, die audern frei¬
lich wurden ihm bitter feind.
An demselben Abend, an welchem Salzmann sein Stiefelgeschäft machte, faßen
zwei fremde Viehhändler in der Unterschenke. Die Tische waren besetzt, denn die
Wahl des andern Tages mußte doch besprochen werden. Hier war das Haupt¬
quartier der Partei Ziegeling. Mau sprach von Zicgeling und erörterte alle Grüude,
weswegen es wünschenswert sei, diesen zu wählen. Die zwei Viehhändler schauten
sich um und lachten, ,,'s ist mir nur darum, sagte der eine, daß die Herrn den
Pastor Zicgeling wählen wollen." Erwartungsvolle Pause. „Na, die Weuduuger,
was das Nachbardorf vou uns ist, sind froh, daß sie ihn los werden." — „Aber
warum denn?" — „Man kann gerade nichts sagen, aber man hört es aller Orten,
daß der Pastor von Wendungen seine Frau Prügelt. Na jn, man kann ja nichts
sagen, das Weibsbild muß seine schmisse haben, sonst hält es das Maul nicht,
aber von so einem Manne sollte man sowas doch nicht denken." — „Er ist anch
einmal ohne Hosen auf die Kanzel gestiegen," setzte der andre hinzu, „gleich den
Priesterrock über das Hemd weg!"
Die Versammlung staunte, dann fing einer an zu lachen, zuletzt gab es ein
allgemeines Halloh, und die Chorrockgeschichte wurde variirt in iuüuitum. Der
Bauer ist ein wunderlicher Kauz, er ist so mißtrauisch, daß er den sieben Weisen
von Griechenland nicht glauben wurde; kommt aber einer seinesgleichen und bindet
ihm einen handgreiflichen Unsinn auf, und es kostet thu nichts, die Sache zu glauben,
so thut ers gewiß.
Es hat sich uicht feststellen lassen, ob die beiden Viehhändler zufällig erschienen
oder von jemand geschickt worden waren, das aber ist Thatsache, daß etliche sich
von Ziegeling abwandten, und da gerade wieder Bruder Täubchen erschien, um sich
in Erinnerung zu bringen, so gewann die Meinung Raum, man konnte ja auch
diesen Wahlen. So geschah es, daß am andern Tage weder Käufer, noch Ziege¬
ling, noch Täubchen, sondern Saupe gewählt wurde; das War der, an welchen
eigentlich niemand gedacht hatte und den niemand haben wollte. Bruder Täubchen
erhielt vier Stimmen, und dabei war keine von denen, die es ihm doch in die Hand
gelobt hatten. Täubchen verzweifelte an der Menschheit, und die Frnn Pastorin
verzweifelte an ihrem Ferdinand. Saupe empfing die Nachricht, daß er gewählt
sei, mit dankbaren! Herzen. „Was mich daran so freut, sagte er, das ist das Be¬
wußtsein, durch das Vertrauen einer ganzen Gemeinde berufen zu werden; wie
werde ich mich solches Vertrauens würdig machen können?" Die Partei Ziegeling
aber berief eine Versammlung, um die Giltigkeit der Wahl anzufechten. Doch hatte
der Herr Superintendent, der diese Sachen schon kannte, keine Form vernachlässigt;
es war nichts zu machen, Saupe war und blieb gewählt.
Dagegen wäre nun nichts zu sagen, mochte auch ein andrer gewählt sein, als
man eigentlich wollte, wenn nnr der Gewählte ein guter Mensch war. Doch hatte
die Sache ihre bedenkliche Kehrseite. Es war zu furchten, daß sich der Pomnchels-
kopp nu den neuen Pastor herandrängen und ihm den Weg zu den andern ver-
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