Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Skizzen aus unsern" heutigen Volksleben. "Guten Abend, meine Herren. Nun, Herr Lcilcmd, auch wieder zu Hause?" "Ja, wir sind auch wieder da. Es war ein hübscher Weg, nicht zu warm Die Versammlung verstand, daß der Schulze und sein Freund, der Schlippe "Was meint denn Lüderitz? Der Schulze gab hierauf keine Antwort, sondern erörterte des Breiteren, Länger hielt es Pastor Täubchen -- dieses war nämlich der Rebwitzer -- "Guten Abend. Ich höre, daß Sie über die Pfarrwahl reden, Sie erlauben Die Herren Bauern machten verwirrte Augen, verstanden wenig von der Herr Pastor Täubchen, der allerdings die Absicht hatte, sich zu melden und Hier hege ich nnn Zweifel, ob ich meine Skizze unvollendet beiseite legen Geht irgendwo eine große Stelle auf, so verbreitet sich die Kunde in sehr Skizzen aus unsern« heutigen Volksleben. „Guten Abend, meine Herren. Nun, Herr Lcilcmd, auch wieder zu Hause?" „Ja, wir sind auch wieder da. Es war ein hübscher Weg, nicht zu warm Die Versammlung verstand, daß der Schulze und sein Freund, der Schlippe „Was meint denn Lüderitz? Der Schulze gab hierauf keine Antwort, sondern erörterte des Breiteren, Länger hielt es Pastor Täubchen — dieses war nämlich der Rebwitzer — „Guten Abend. Ich höre, daß Sie über die Pfarrwahl reden, Sie erlauben Die Herren Bauern machten verwirrte Augen, verstanden wenig von der Herr Pastor Täubchen, der allerdings die Absicht hatte, sich zu melden und Hier hege ich nnn Zweifel, ob ich meine Skizze unvollendet beiseite legen Geht irgendwo eine große Stelle auf, so verbreitet sich die Kunde in sehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196894"/> <fw type="header" place="top"> Skizzen aus unsern« heutigen Volksleben.</fw><lb/> <p xml:id="ID_469"> „Guten Abend, meine Herren. Nun, Herr Lcilcmd, auch wieder zu Hause?"</p><lb/> <p xml:id="ID_470"> „Ja, wir sind auch wieder da. Es war ein hübscher Weg, nicht zu warm<lb/> und auch nicht zu staubig."</p><lb/> <p xml:id="ID_471"> Die Versammlung verstand, daß der Schulze und sein Freund, der Schlippe<lb/> Laland, in der Stadt gewesen waren und daß natürlich der Schutze bei seinem<lb/> Freunde und Berater, dem Krciskanzlisten, vorgesprochen hatte, und eine unge¬<lb/> duldige Seele fuhr mit der Frage heraus:<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_472"> „Was meint denn Lüderitz?</p><lb/> <p xml:id="ID_473"> Der Schulze gab hierauf keine Antwort, sondern erörterte des Breiteren,<lb/> daß er es für seine Pflicht gehalten habe, für die Kommune zu sorgen, und daß<lb/> er deshalb auf dem Landratsamte gewesen sei und erkundet habe, daß die Kom¬<lb/> mune einen Wahlkörper bilde, und daß sie, da die Pfarrstelle dem Könige gehöre,<lb/> denjenigen zu wählen habe, den die Regierung ernennen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_474"> Länger hielt es Pastor Täubchen — dieses war nämlich der Rebwitzer —<lb/> in seinem Nebenzimmer nicht aus, denn was der Schulze vortrug, war ja Heller<lb/> Unsinn. Er trat also ein und sagte:</p><lb/> <p xml:id="ID_475"> „Guten Abend. Ich höre, daß Sie über die Pfarrwahl reden, Sie erlauben<lb/> mir wohl, einige Bemerkungen anzuknüpfen. Die Sache ist nämlich die: Die Ge¬<lb/> meinde hat, da die Stelle zum erstenmale valant wird, das Wahlrecht (die Bauern<lb/> nickten zustimmend); das heißt, der Gemeindekirchenrat und die Gemeindevertretung<lb/> haben zu wählen (die Mitglieder des Gemeiudekirchenrates und der Gemeinde¬<lb/> vertretung nickten zustimmend, die andern, besonders der Schutze, wurden mi߬<lb/> trauisch). Es hat also zuerst ein Ausschreiben der Stelle stattzufinden, dann die<lb/> Annahme der Meldungen . . ." u. f. w., u. f. w. in sieben ausführlich erörterten.<lb/> Punkten, uuter welchen es der Herr Pastor nie that — wenn er außer dem Hause<lb/> war; im Hause ließ thu seiue liebe Frau höchstens bis zum zweiten kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_476"> Die Herren Bauern machten verwirrte Augen, verstanden wenig von der<lb/> schönen Rede und dies wenige falsch. Der Schulze aber sagte leise zu seinem<lb/> Kollegen: „Laland, den wählen wir nicht, das ist ein Klugsch....."</p><lb/> <p xml:id="ID_477"> Herr Pastor Täubchen, der allerdings die Absicht hatte, sich zu melden und<lb/> zufällig uach Abeudorf gekommen war — seine liebe Frau hatte ihn nämlich ge¬<lb/> schickt —>, glaubte in seinem Interesse sehr glücklich operirt zu haben und zählte<lb/> im Stillen zusammen, auf welche Stimmen er mit Bestimmtheit rechnen dürfte.<lb/> Hiernach standen seine Chancen ausgezeichnet, wie er abends seiner Luise aus¬<lb/> führlich darlegte; nur fiel ihm diese beim zweiten Punkte bereits in die Rede und<lb/> sagte: „Ferdinand, du hast gewiß wieder eine Dummheit gemacht. Na, na! Sei<lb/> mir still, wenn ich nicht dabei bin, machst du allemal eine Dummheit."</p><lb/> <p xml:id="ID_478"> Hier hege ich nnn Zweifel, ob ich meine Skizze unvollendet beiseite legen<lb/> oder ob ich sie weiterzeichnen soll. Ich sehe voraus, daß das Gesamtbild für<lb/> den geistlichen Stand kein erfreuliches werden und daß man mir den Vorwurf<lb/> machen wird, ich wolle diesen Stand in tendenziöser Weise herabsetzen. Ich habe<lb/> aber die entgegengesetzte Absicht. Ich will einen Mißstand zeichnen, der geeignet<lb/> ist, den geistlichen Stand herabzuwürdigen, und darum will ich weiterzeichnen.<lb/> Unter allen Danaergeschenken der Falkschcn Aera ist eines der schlimmsten jenes<lb/> Gesetz, nach welchem die Bauern ihren Pastor selbst wählen dürfen. Hören wir<lb/> also weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_479" next="#ID_480"> Geht irgendwo eine große Stelle auf, so verbreitet sich die Kunde in sehr<lb/> verschiedner Schnelligkeit. Voraus jagen Privatbriefe an Schwäger, Vettern und<lb/> gute Freunde; dann kommt die Todesanzeige in der Kreuzzeitung, und lauge hinterher</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0160]
Skizzen aus unsern« heutigen Volksleben.
„Guten Abend, meine Herren. Nun, Herr Lcilcmd, auch wieder zu Hause?"
„Ja, wir sind auch wieder da. Es war ein hübscher Weg, nicht zu warm
und auch nicht zu staubig."
Die Versammlung verstand, daß der Schulze und sein Freund, der Schlippe
Laland, in der Stadt gewesen waren und daß natürlich der Schutze bei seinem
Freunde und Berater, dem Krciskanzlisten, vorgesprochen hatte, und eine unge¬
duldige Seele fuhr mit der Frage heraus:
"
„Was meint denn Lüderitz?
Der Schulze gab hierauf keine Antwort, sondern erörterte des Breiteren,
daß er es für seine Pflicht gehalten habe, für die Kommune zu sorgen, und daß
er deshalb auf dem Landratsamte gewesen sei und erkundet habe, daß die Kom¬
mune einen Wahlkörper bilde, und daß sie, da die Pfarrstelle dem Könige gehöre,
denjenigen zu wählen habe, den die Regierung ernennen würde.
Länger hielt es Pastor Täubchen — dieses war nämlich der Rebwitzer —
in seinem Nebenzimmer nicht aus, denn was der Schulze vortrug, war ja Heller
Unsinn. Er trat also ein und sagte:
„Guten Abend. Ich höre, daß Sie über die Pfarrwahl reden, Sie erlauben
mir wohl, einige Bemerkungen anzuknüpfen. Die Sache ist nämlich die: Die Ge¬
meinde hat, da die Stelle zum erstenmale valant wird, das Wahlrecht (die Bauern
nickten zustimmend); das heißt, der Gemeindekirchenrat und die Gemeindevertretung
haben zu wählen (die Mitglieder des Gemeiudekirchenrates und der Gemeinde¬
vertretung nickten zustimmend, die andern, besonders der Schutze, wurden mi߬
trauisch). Es hat also zuerst ein Ausschreiben der Stelle stattzufinden, dann die
Annahme der Meldungen . . ." u. f. w., u. f. w. in sieben ausführlich erörterten.
Punkten, uuter welchen es der Herr Pastor nie that — wenn er außer dem Hause
war; im Hause ließ thu seiue liebe Frau höchstens bis zum zweiten kommen.
Die Herren Bauern machten verwirrte Augen, verstanden wenig von der
schönen Rede und dies wenige falsch. Der Schulze aber sagte leise zu seinem
Kollegen: „Laland, den wählen wir nicht, das ist ein Klugsch....."
Herr Pastor Täubchen, der allerdings die Absicht hatte, sich zu melden und
zufällig uach Abeudorf gekommen war — seine liebe Frau hatte ihn nämlich ge¬
schickt —>, glaubte in seinem Interesse sehr glücklich operirt zu haben und zählte
im Stillen zusammen, auf welche Stimmen er mit Bestimmtheit rechnen dürfte.
Hiernach standen seine Chancen ausgezeichnet, wie er abends seiner Luise aus¬
führlich darlegte; nur fiel ihm diese beim zweiten Punkte bereits in die Rede und
sagte: „Ferdinand, du hast gewiß wieder eine Dummheit gemacht. Na, na! Sei
mir still, wenn ich nicht dabei bin, machst du allemal eine Dummheit."
Hier hege ich nnn Zweifel, ob ich meine Skizze unvollendet beiseite legen
oder ob ich sie weiterzeichnen soll. Ich sehe voraus, daß das Gesamtbild für
den geistlichen Stand kein erfreuliches werden und daß man mir den Vorwurf
machen wird, ich wolle diesen Stand in tendenziöser Weise herabsetzen. Ich habe
aber die entgegengesetzte Absicht. Ich will einen Mißstand zeichnen, der geeignet
ist, den geistlichen Stand herabzuwürdigen, und darum will ich weiterzeichnen.
Unter allen Danaergeschenken der Falkschcn Aera ist eines der schlimmsten jenes
Gesetz, nach welchem die Bauern ihren Pastor selbst wählen dürfen. Hören wir
also weiter.
Geht irgendwo eine große Stelle auf, so verbreitet sich die Kunde in sehr
verschiedner Schnelligkeit. Voraus jagen Privatbriefe an Schwäger, Vettern und
gute Freunde; dann kommt die Todesanzeige in der Kreuzzeitung, und lauge hinterher
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