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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Die evangelische Allianz vom Jahre 1^635.

Vorgänge in Frankreich hatten bei ihnen warme Sympathien gefunden. Um
der Mitwelt zu zeigen, welche Gefahr von Ludwig zu erwarten sei, forderte
die Provinz Holland einen Prediger der Emigranten, Claude, auf, "eine historische
Deduktion der Verfolgung zu verfertigen." Die Staaten waren bereit, ihm hierfür
800 Thaler jährlich zu zahlen, dazu ihm und seiner Familie beim Prinzen von
Oranien besondre Vergünstigungen auszumachen.

Den kräftigsten Bundesgenossen in den Bestrebungen für eine evangelische
Allianz fand Friedrich Wilhelm in den holländischen Pfarrern. Schon im
Oktober 1684 hatte die ans der Synode zu Arnheim versammelte Geistlichkeit
der wallonischen Kirchen eine Kommission aus ihrer Mitte eingesetzt, welche den
Auftrag erhielt, die auswärtigen evangelischen Mächte zu einer Jnterzession im
Interesse der französischen Reformirten zu bewegen. In erster Linie war von
ihnen England und der große Kurfürst ins Auge gefaßt. Wenn auch Friedrich
Wilhelm sich wenig Erfolg von einer "Vorbilde oder Jnterzession" versprach,
so erklärte er sich trotzdem bereit, "nebst den Herrn General-Staat und anderen
evangelischen Puissancen, welche sich des Werks mit annehmen wollten, alles
dasjenige zu thun, was man der agouisirendeu Kirchen in Frankreich zum
Besten gut finden würde." Als nun bei Ankunft Fuchscus im Haag sich das
Gerücht verbreitete, er sei gekommen, um eine Allianz der Evangelischen gegen
die Papisten anzubahnen, da gab es "keine Kanzel, von der nicht die Gefahr
der Kirche gepredigt wurde; den Gemeinden wurde gesagt und wieder gesagt,
der Kurfürst sei allem noch die Stütze und Hoffnung der Religion, während
die Negierung des Staates durch fleischliche Einsicht geblendet würde." Die
über die unerhörten Verfolgungen in Frankreich schon über daß Maß empörten
Gemüter wurden von den Geistlichen noch mehr in Flammen gesetzt. Auf der
Kanzel in Rotterdam wurde gepredigt, "daß jene Bedrückungen viel grausamer
als die im vorigen Sneulo mit Feuer und Schwert gewesen; damals doch
wären die Leute bald davon gekommen, jetzo aber brauchte man den Hunger,
indem man denen von der Religion alle Hantirung und Gewerbe untersaget,
sie dennoch aus dem Lande nicht lassen, auch ihnen, wann sie gleich bettelten,
keine Almosen geben wollte, wodurch denn erfolgete, daß die Leute notwendig
Hungers sterben und ihre Weiber nud Kinder vor sich sterben sehen, welches
denn eine harte Sache, so menschlichen Kräften zu ertragen unmöglich, und
dannenhero geschähe täglich Exempel, daß sich Leute umbrächten und ins Wasser
stürzten, die meisten aber umsattelten." Bei diesen und ähnlichen Ergüssen fehlte
dann zum Schluß nie die Ermahnung, daß die gesamte evangelische Welt sich
zusammenschließen müßte, und daß nächst Holland der Brandenburger derjenige
sei, auf den zu hoffen sei. In Südholland traten die Geistlichen zu einer Synode
zusammen, um über die vbschwebeude Gefahr zu beraten und die Staaten zu
energischeren Handeln aufzumuntern. "Also hat es Gott gefüget, schreibt Fuchs
an den Kurfürsten, daß dasjenige, was man Euer kurfürstlichen Durchläuchtigkeit


Die evangelische Allianz vom Jahre 1^635.

Vorgänge in Frankreich hatten bei ihnen warme Sympathien gefunden. Um
der Mitwelt zu zeigen, welche Gefahr von Ludwig zu erwarten sei, forderte
die Provinz Holland einen Prediger der Emigranten, Claude, auf, „eine historische
Deduktion der Verfolgung zu verfertigen." Die Staaten waren bereit, ihm hierfür
800 Thaler jährlich zu zahlen, dazu ihm und seiner Familie beim Prinzen von
Oranien besondre Vergünstigungen auszumachen.

Den kräftigsten Bundesgenossen in den Bestrebungen für eine evangelische
Allianz fand Friedrich Wilhelm in den holländischen Pfarrern. Schon im
Oktober 1684 hatte die ans der Synode zu Arnheim versammelte Geistlichkeit
der wallonischen Kirchen eine Kommission aus ihrer Mitte eingesetzt, welche den
Auftrag erhielt, die auswärtigen evangelischen Mächte zu einer Jnterzession im
Interesse der französischen Reformirten zu bewegen. In erster Linie war von
ihnen England und der große Kurfürst ins Auge gefaßt. Wenn auch Friedrich
Wilhelm sich wenig Erfolg von einer „Vorbilde oder Jnterzession" versprach,
so erklärte er sich trotzdem bereit, „nebst den Herrn General-Staat und anderen
evangelischen Puissancen, welche sich des Werks mit annehmen wollten, alles
dasjenige zu thun, was man der agouisirendeu Kirchen in Frankreich zum
Besten gut finden würde." Als nun bei Ankunft Fuchscus im Haag sich das
Gerücht verbreitete, er sei gekommen, um eine Allianz der Evangelischen gegen
die Papisten anzubahnen, da gab es „keine Kanzel, von der nicht die Gefahr
der Kirche gepredigt wurde; den Gemeinden wurde gesagt und wieder gesagt,
der Kurfürst sei allem noch die Stütze und Hoffnung der Religion, während
die Negierung des Staates durch fleischliche Einsicht geblendet würde." Die
über die unerhörten Verfolgungen in Frankreich schon über daß Maß empörten
Gemüter wurden von den Geistlichen noch mehr in Flammen gesetzt. Auf der
Kanzel in Rotterdam wurde gepredigt, „daß jene Bedrückungen viel grausamer
als die im vorigen Sneulo mit Feuer und Schwert gewesen; damals doch
wären die Leute bald davon gekommen, jetzo aber brauchte man den Hunger,
indem man denen von der Religion alle Hantirung und Gewerbe untersaget,
sie dennoch aus dem Lande nicht lassen, auch ihnen, wann sie gleich bettelten,
keine Almosen geben wollte, wodurch denn erfolgete, daß die Leute notwendig
Hungers sterben und ihre Weiber nud Kinder vor sich sterben sehen, welches
denn eine harte Sache, so menschlichen Kräften zu ertragen unmöglich, und
dannenhero geschähe täglich Exempel, daß sich Leute umbrächten und ins Wasser
stürzten, die meisten aber umsattelten." Bei diesen und ähnlichen Ergüssen fehlte
dann zum Schluß nie die Ermahnung, daß die gesamte evangelische Welt sich
zusammenschließen müßte, und daß nächst Holland der Brandenburger derjenige
sei, auf den zu hoffen sei. In Südholland traten die Geistlichen zu einer Synode
zusammen, um über die vbschwebeude Gefahr zu beraten und die Staaten zu
energischeren Handeln aufzumuntern. „Also hat es Gott gefüget, schreibt Fuchs
an den Kurfürsten, daß dasjenige, was man Euer kurfürstlichen Durchläuchtigkeit


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[0148] Die evangelische Allianz vom Jahre 1^635. Vorgänge in Frankreich hatten bei ihnen warme Sympathien gefunden. Um der Mitwelt zu zeigen, welche Gefahr von Ludwig zu erwarten sei, forderte die Provinz Holland einen Prediger der Emigranten, Claude, auf, „eine historische Deduktion der Verfolgung zu verfertigen." Die Staaten waren bereit, ihm hierfür 800 Thaler jährlich zu zahlen, dazu ihm und seiner Familie beim Prinzen von Oranien besondre Vergünstigungen auszumachen. Den kräftigsten Bundesgenossen in den Bestrebungen für eine evangelische Allianz fand Friedrich Wilhelm in den holländischen Pfarrern. Schon im Oktober 1684 hatte die ans der Synode zu Arnheim versammelte Geistlichkeit der wallonischen Kirchen eine Kommission aus ihrer Mitte eingesetzt, welche den Auftrag erhielt, die auswärtigen evangelischen Mächte zu einer Jnterzession im Interesse der französischen Reformirten zu bewegen. In erster Linie war von ihnen England und der große Kurfürst ins Auge gefaßt. Wenn auch Friedrich Wilhelm sich wenig Erfolg von einer „Vorbilde oder Jnterzession" versprach, so erklärte er sich trotzdem bereit, „nebst den Herrn General-Staat und anderen evangelischen Puissancen, welche sich des Werks mit annehmen wollten, alles dasjenige zu thun, was man der agouisirendeu Kirchen in Frankreich zum Besten gut finden würde." Als nun bei Ankunft Fuchscus im Haag sich das Gerücht verbreitete, er sei gekommen, um eine Allianz der Evangelischen gegen die Papisten anzubahnen, da gab es „keine Kanzel, von der nicht die Gefahr der Kirche gepredigt wurde; den Gemeinden wurde gesagt und wieder gesagt, der Kurfürst sei allem noch die Stütze und Hoffnung der Religion, während die Negierung des Staates durch fleischliche Einsicht geblendet würde." Die über die unerhörten Verfolgungen in Frankreich schon über daß Maß empörten Gemüter wurden von den Geistlichen noch mehr in Flammen gesetzt. Auf der Kanzel in Rotterdam wurde gepredigt, „daß jene Bedrückungen viel grausamer als die im vorigen Sneulo mit Feuer und Schwert gewesen; damals doch wären die Leute bald davon gekommen, jetzo aber brauchte man den Hunger, indem man denen von der Religion alle Hantirung und Gewerbe untersaget, sie dennoch aus dem Lande nicht lassen, auch ihnen, wann sie gleich bettelten, keine Almosen geben wollte, wodurch denn erfolgete, daß die Leute notwendig Hungers sterben und ihre Weiber nud Kinder vor sich sterben sehen, welches denn eine harte Sache, so menschlichen Kräften zu ertragen unmöglich, und dannenhero geschähe täglich Exempel, daß sich Leute umbrächten und ins Wasser stürzten, die meisten aber umsattelten." Bei diesen und ähnlichen Ergüssen fehlte dann zum Schluß nie die Ermahnung, daß die gesamte evangelische Welt sich zusammenschließen müßte, und daß nächst Holland der Brandenburger derjenige sei, auf den zu hoffen sei. In Südholland traten die Geistlichen zu einer Synode zusammen, um über die vbschwebeude Gefahr zu beraten und die Staaten zu energischeren Handeln aufzumuntern. „Also hat es Gott gefüget, schreibt Fuchs an den Kurfürsten, daß dasjenige, was man Euer kurfürstlichen Durchläuchtigkeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/148>, abgerufen am 15.01.2025.