Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.das Ansehen eines Volkstribuns zu geben. Im sozialistischen Lager würde es Eine zweite Aufgabe der Wahlvereinsvorstände besteht darin, die Anzahl Nachdem die Reichswahlkommission die Auswahl der Parteikandidaten vor¬ das Ansehen eines Volkstribuns zu geben. Im sozialistischen Lager würde es Eine zweite Aufgabe der Wahlvereinsvorstände besteht darin, die Anzahl Nachdem die Reichswahlkommission die Auswahl der Parteikandidaten vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196867"/> <p xml:id="ID_363" prev="#ID_362"> das Ansehen eines Volkstribuns zu geben. Im sozialistischen Lager würde es<lb/> an Leuten dieses Schlages nicht fehlen. Das neue Wahlsystem bezweckt aber<lb/> und erreicht auch im großen und ganzen die Auflösung persönlicher Gefolg¬<lb/> schaften, indem die Parteibildung sich nicht mehr durch wilde Agitation und<lb/> Ausbeutung urteilslvser Massen, sondern auf Grund sachlicher Erwägungen<lb/> vollzieht, welche dem Verständnis jedes Einzelnen zugänglich sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_364"> Eine zweite Aufgabe der Wahlvereinsvorstände besteht darin, die Anzahl<lb/> der aufgestellten Kandidaten so zu bemessen, daß sie die Ziffer der dem Vereine<lb/> voraussichtlich zufallenden Mandate übersteigt. Indem oben (S. 122) aufgestellten<lb/> Beispiel würde also die konservativ-gewerbliche Vereinigung mehr als 8, der<lb/> industrielle Arbeiterbund mehr als 22 Kandidaten vorzuschlagen haben, damit<lb/> stets Ersatzkandidaten vorhanden sind und die Liste der Gewählten nicht früher<lb/> erschöpft wird als die der Mandate. Da die Anzahl der Stimmen für den<lb/> Ersatzfall bedeutungslos ist, so wird es genügen, einige Parteigenossen zubcauf-<lb/> tragen, den Ersatzmännern ihre Stimme zu geben, lediglich zu dem Zwecke,<lb/> damit deren Namen auf der Liste stehen. Die Wahltaktik der Parteien wird<lb/> also — wie dieser Fall gerade recht deutlich erkennen läßt —, weit mehr darauf<lb/> gerichtet sein, dem Verbände als solchen: eine möglichst große Anhängerschaft zu<lb/> gewinnen, als, wie dies bisher üblich, für einzelne Personen Reklame zu machen.<lb/> Die Gesamtstimmenzahl des Verbandes ist von Wichtigkeit, weil sie die Zahl<lb/> der ihm zufallenden Mandate erhöht. Wenn aber die Verteilung auf Grund<lb/> des Wahlquotienten einmal stattgefunden hat, ist dessen wertbestimmender Einfluß<lb/> als Nechnungsfaktor erschöpft. Für die Auslese der Kandidaten ist er ohne<lb/> jede Bedeutung. Er braucht z. B. bei langer Kandidatenliste von keinem der¬<lb/> selben erreicht zu werden; die Zahl der Reichstagssitze ist dem Parteiverbande<lb/> unter allen Umständen gesichert.</p><lb/> <p xml:id="ID_365" next="#ID_366"> Nachdem die Reichswahlkommission die Auswahl der Parteikandidaten vor¬<lb/> genommen hat, fügt sie deren Liste die Namen derjenigen isolirten Kandidaten hinzu,<lb/> welche durch ihre Stimmenzahl Anrecht auf einen Neichstagssitz erworben haben.<lb/> Sind nicht mehr als zwanzig oder dreißig Stimmen für einen alleinstehenden<lb/> Vertrauensmann abgegeben, — die Feststellung dieser Ziffer mag der Praxis über¬<lb/> lassen bleiben —, so gelten sie als zersplittert. Derselben Kategorie würden<lb/> Stimmzettel zuzurechnen sein, auf denen zwar der Partciverband, aber kein Name<lb/> angegeben ist. Die Ausscheidung dieser zwar giltigen, aber für das Wahlergebnis<lb/> bedeutungslosen Stimmen rechtfertigt sich dnrch die nutzlose Umständlichkeit,<lb/> welche ihre Registrirung durch alle Instanzen hindurch verursache» würde. Sie<lb/> wird schon von den Kreiswahlkommissaren vorgenommen, um die Reichswahl¬<lb/> kommission von dieser Arbeit zu entlasten. Dasselbe geschieht betreffs der<lb/> Prüfung zweifelhafter Fälle. Die nunmehr vollzählige Abgeordnetenliste muß<lb/> 397 Mitglieder ausweisen und wird unmittelbar nach ihrer Feststellung publizirt.<lb/> Die Abgeordneten sind nach Berufsklassen geordnet. Ein rechnungsmäßiger</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0133]
das Ansehen eines Volkstribuns zu geben. Im sozialistischen Lager würde es
an Leuten dieses Schlages nicht fehlen. Das neue Wahlsystem bezweckt aber
und erreicht auch im großen und ganzen die Auflösung persönlicher Gefolg¬
schaften, indem die Parteibildung sich nicht mehr durch wilde Agitation und
Ausbeutung urteilslvser Massen, sondern auf Grund sachlicher Erwägungen
vollzieht, welche dem Verständnis jedes Einzelnen zugänglich sind.
Eine zweite Aufgabe der Wahlvereinsvorstände besteht darin, die Anzahl
der aufgestellten Kandidaten so zu bemessen, daß sie die Ziffer der dem Vereine
voraussichtlich zufallenden Mandate übersteigt. Indem oben (S. 122) aufgestellten
Beispiel würde also die konservativ-gewerbliche Vereinigung mehr als 8, der
industrielle Arbeiterbund mehr als 22 Kandidaten vorzuschlagen haben, damit
stets Ersatzkandidaten vorhanden sind und die Liste der Gewählten nicht früher
erschöpft wird als die der Mandate. Da die Anzahl der Stimmen für den
Ersatzfall bedeutungslos ist, so wird es genügen, einige Parteigenossen zubcauf-
tragen, den Ersatzmännern ihre Stimme zu geben, lediglich zu dem Zwecke,
damit deren Namen auf der Liste stehen. Die Wahltaktik der Parteien wird
also — wie dieser Fall gerade recht deutlich erkennen läßt —, weit mehr darauf
gerichtet sein, dem Verbände als solchen: eine möglichst große Anhängerschaft zu
gewinnen, als, wie dies bisher üblich, für einzelne Personen Reklame zu machen.
Die Gesamtstimmenzahl des Verbandes ist von Wichtigkeit, weil sie die Zahl
der ihm zufallenden Mandate erhöht. Wenn aber die Verteilung auf Grund
des Wahlquotienten einmal stattgefunden hat, ist dessen wertbestimmender Einfluß
als Nechnungsfaktor erschöpft. Für die Auslese der Kandidaten ist er ohne
jede Bedeutung. Er braucht z. B. bei langer Kandidatenliste von keinem der¬
selben erreicht zu werden; die Zahl der Reichstagssitze ist dem Parteiverbande
unter allen Umständen gesichert.
Nachdem die Reichswahlkommission die Auswahl der Parteikandidaten vor¬
genommen hat, fügt sie deren Liste die Namen derjenigen isolirten Kandidaten hinzu,
welche durch ihre Stimmenzahl Anrecht auf einen Neichstagssitz erworben haben.
Sind nicht mehr als zwanzig oder dreißig Stimmen für einen alleinstehenden
Vertrauensmann abgegeben, — die Feststellung dieser Ziffer mag der Praxis über¬
lassen bleiben —, so gelten sie als zersplittert. Derselben Kategorie würden
Stimmzettel zuzurechnen sein, auf denen zwar der Partciverband, aber kein Name
angegeben ist. Die Ausscheidung dieser zwar giltigen, aber für das Wahlergebnis
bedeutungslosen Stimmen rechtfertigt sich dnrch die nutzlose Umständlichkeit,
welche ihre Registrirung durch alle Instanzen hindurch verursache» würde. Sie
wird schon von den Kreiswahlkommissaren vorgenommen, um die Reichswahl¬
kommission von dieser Arbeit zu entlasten. Dasselbe geschieht betreffs der
Prüfung zweifelhafter Fälle. Die nunmehr vollzählige Abgeordnetenliste muß
397 Mitglieder ausweisen und wird unmittelbar nach ihrer Feststellung publizirt.
Die Abgeordneten sind nach Berufsklassen geordnet. Ein rechnungsmäßiger
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