Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Um eine Perle. Aber sie hatte, während er so sich ihrer zu entledigen suchte, nicht auf¬ Dabei hielt sie einen braunen Lederstrcifeu in die Höhe, und Antonio Maria Ja, strengt Eure Augen nur an, Signor Antonio Maria, rief sie, indem Antonio Maria suchte Zeit zu gewinnen, indem er mit spöttisch wegwerfenden Dem, Ihr wißt, Signor Antonio Maria, sagte sie, wie es mit mir stand, Um eine Perle. Aber sie hatte, während er so sich ihrer zu entledigen suchte, nicht auf¬ Dabei hielt sie einen braunen Lederstrcifeu in die Höhe, und Antonio Maria Ja, strengt Eure Augen nur an, Signor Antonio Maria, rief sie, indem Antonio Maria suchte Zeit zu gewinnen, indem er mit spöttisch wegwerfenden Dem, Ihr wißt, Signor Antonio Maria, sagte sie, wie es mit mir stand, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196194"/> <fw type="header" place="top"> Um eine Perle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_290"> Aber sie hatte, während er so sich ihrer zu entledigen suchte, nicht auf¬<lb/> gehört, seine Kniee zu umklammern und mit leidenschaftlichem Pathos gegen ihn<lb/> anzureden: Ihr belügt mich, er lebt dennoch, er ist hier, ich werde mir den Weg<lb/> zu ihm bahnen!</p><lb/> <p xml:id="ID_291"> Dabei hielt sie einen braunen Lederstrcifeu in die Höhe, und Antonio Maria<lb/> gewahrte mit Schrecken, daß auf demselben in jetzt freilich kaum noch lesbarer<lb/> weißer Kreideschrift eine Mitteilung gestanden hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_292"> Ja, strengt Eure Augen nur an, Signor Antonio Maria, rief sie, indem<lb/> sie sich erhob und ihm den Lederstreifen zu eigner Enträtselnng überließ; Ihr<lb/> seid überführt, da steht es, und sie las ans den wenigen noch nicht verwischten<lb/> Buchstaben einen der den Tauben auf deu Weg gegebenen Notrufe Giuseppes<lb/> zusammen, dazu seine volle Unterschrift.</p><lb/> <p xml:id="ID_293"> Antonio Maria suchte Zeit zu gewinnen, indem er mit spöttisch wegwerfenden<lb/> Worten Buchstabe für Buchstabe anders ausdeutete, und die Neapolitanerin, in¬<lb/> mitten ihres besferwissenden Widersprecheus, erzählte während dessen, wie das<lb/> Jubiliren in den Straßen Mantuas bis in den Vievlo gedrungen sei und sie<lb/> aus ihrer Lethargie aufgerüttelt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_294" next="#ID_295"> Dem, Ihr wißt, Signor Antonio Maria, sagte sie, wie es mit mir stand,<lb/> seid Ihr erfahren haben wolltet, Giuseppe Gonzaga sei nachträglich doch einer<lb/> innern Verletzung erlegen, bald nach jener abscheulichen Rauferei mit deu Bestien,<lb/> den betrunkenen Hakenschützen. Also hört! Das Jubiliren drang vor einem<lb/> Stündchen bis in meine Totengruft, bis auf meinen Posten, wie Ihr es nennt.<lb/> Da ist denn mit einemmale die Medusa vom Tentro San Donato in mir erwacht.<lb/> So hatte ich das Volk von Venedig jubeln hören, mir znjubeln hören, und da<lb/> ist mir's in die Glieder gefahren, wie dem alten Jagdhunde, der das Jagdhorn<lb/> blasen hört — ins Freie bin ich gestürzt — seit einem Monat hatte ich keinen<lb/> Schritt aufs Pflaster gesetzt; denn was sollte ich draußen? Betteln gehen, wie<lb/> meine Kollegin Zaretti? Oder Blumenstrauße den Kavalieren vor Sant' Agncse<lb/> aufdringen, wie meine andre Kollegin la Virgilicma? Was hatte ich in den<lb/> Straßen gesollt! Aber heute war ganz Mantua aus dem Häuschen. Und fo<lb/> bin ich, wie ich ging und stand, in dieser meiner Heimatstracht, hinausgestürzt.<lb/> Siehe da, man hatte die Medusa noch nicht vergessen! Lg,Mrri! hörte ich rufen,<lb/> potztausend, sie ist's! Die muß das Banner uns vorantragen! Wer? schrie es<lb/> dazwischen. 1^ Necluss.! rief es wieder, 1^ Nsäusg.! Ich wollte nicht, aber:<lb/> Lvxru. ig, tavolg,! schrie es von allen Seiten. Man wollte sehen, ob ich es<lb/> wirklich sei. Und auf einmal — vor der Schmiede am Teatro Dinrno geschah<lb/> es — hob man mich auf einen Tisch, oder war's ein Ambos? und nun sie mich<lb/> alle erkannten, hieß es: ^.niinv! Vorwärts! Und mit einem mächtigen Banner<lb/> in der Hand mußte ich den Zug anführen — Handwerker waren es, ich weiß<lb/> nicht, welchen GeWerkes, ich denke, Schneider und Tuchmacher, aber ordentliche<lb/> Leute! So sind wir vors große Schloßthor gelangt, ich weiß noch jetzt nicht,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
Um eine Perle.
Aber sie hatte, während er so sich ihrer zu entledigen suchte, nicht auf¬
gehört, seine Kniee zu umklammern und mit leidenschaftlichem Pathos gegen ihn
anzureden: Ihr belügt mich, er lebt dennoch, er ist hier, ich werde mir den Weg
zu ihm bahnen!
Dabei hielt sie einen braunen Lederstrcifeu in die Höhe, und Antonio Maria
gewahrte mit Schrecken, daß auf demselben in jetzt freilich kaum noch lesbarer
weißer Kreideschrift eine Mitteilung gestanden hatte.
Ja, strengt Eure Augen nur an, Signor Antonio Maria, rief sie, indem
sie sich erhob und ihm den Lederstreifen zu eigner Enträtselnng überließ; Ihr
seid überführt, da steht es, und sie las ans den wenigen noch nicht verwischten
Buchstaben einen der den Tauben auf deu Weg gegebenen Notrufe Giuseppes
zusammen, dazu seine volle Unterschrift.
Antonio Maria suchte Zeit zu gewinnen, indem er mit spöttisch wegwerfenden
Worten Buchstabe für Buchstabe anders ausdeutete, und die Neapolitanerin, in¬
mitten ihres besferwissenden Widersprecheus, erzählte während dessen, wie das
Jubiliren in den Straßen Mantuas bis in den Vievlo gedrungen sei und sie
aus ihrer Lethargie aufgerüttelt habe.
Dem, Ihr wißt, Signor Antonio Maria, sagte sie, wie es mit mir stand,
seid Ihr erfahren haben wolltet, Giuseppe Gonzaga sei nachträglich doch einer
innern Verletzung erlegen, bald nach jener abscheulichen Rauferei mit deu Bestien,
den betrunkenen Hakenschützen. Also hört! Das Jubiliren drang vor einem
Stündchen bis in meine Totengruft, bis auf meinen Posten, wie Ihr es nennt.
Da ist denn mit einemmale die Medusa vom Tentro San Donato in mir erwacht.
So hatte ich das Volk von Venedig jubeln hören, mir znjubeln hören, und da
ist mir's in die Glieder gefahren, wie dem alten Jagdhunde, der das Jagdhorn
blasen hört — ins Freie bin ich gestürzt — seit einem Monat hatte ich keinen
Schritt aufs Pflaster gesetzt; denn was sollte ich draußen? Betteln gehen, wie
meine Kollegin Zaretti? Oder Blumenstrauße den Kavalieren vor Sant' Agncse
aufdringen, wie meine andre Kollegin la Virgilicma? Was hatte ich in den
Straßen gesollt! Aber heute war ganz Mantua aus dem Häuschen. Und fo
bin ich, wie ich ging und stand, in dieser meiner Heimatstracht, hinausgestürzt.
Siehe da, man hatte die Medusa noch nicht vergessen! Lg,Mrri! hörte ich rufen,
potztausend, sie ist's! Die muß das Banner uns vorantragen! Wer? schrie es
dazwischen. 1^ Necluss.! rief es wieder, 1^ Nsäusg.! Ich wollte nicht, aber:
Lvxru. ig, tavolg,! schrie es von allen Seiten. Man wollte sehen, ob ich es
wirklich sei. Und auf einmal — vor der Schmiede am Teatro Dinrno geschah
es — hob man mich auf einen Tisch, oder war's ein Ambos? und nun sie mich
alle erkannten, hieß es: ^.niinv! Vorwärts! Und mit einem mächtigen Banner
in der Hand mußte ich den Zug anführen — Handwerker waren es, ich weiß
nicht, welchen GeWerkes, ich denke, Schneider und Tuchmacher, aber ordentliche
Leute! So sind wir vors große Schloßthor gelangt, ich weiß noch jetzt nicht,
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