Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Um eine perle.

solche" waghalsigen Bursche" sprechen könne": Hier ist mein Auftrag; in einer
Stunde meldest dn mir, wie ihm der Trank bekam.

Antonio Maria wurde von einem Schauder geschüttelt. Es handelt sich
um meine ewige Seligkeit, bebte es über seine Lippen; wie können mir alle
Schätze Franeesevs dafür Ersatz bieten?

Aber bin ich für etwas verantwortlich, was mein Herr und Gebieter mich
thun heißt? suchte er wieder die andre Seite des Dilemmas ins Ange zu fassen.
Ist Giuseppe Gonzaga nicht ein Verschwörer? Sagt das Gesetz nicht, daß el"
Verschwörer den Tod verdient? Wird etwa ein Henker aus Sorge sür seine
ewige Seligkeit einen Verurteilten nicht hinrichten?

Eine" Verurteilten -- blieb er wieder mit seinem Argument in der Schwebe --,
da steckt der Unterschied. Hat das Gericht Giuseppe Gvuznga als Verschwörer
verurteilt? Bin ich nicht sein einziger Ankläger gewesen? Wußte jemand anders
in Mantua um seine Schuld? Nicht einmal Vitnliano wußte darum!

Er hörte wieder: Hier ist mein Auftrag; i" einer Stunde meldest du mir,
wie ihm der Trank bekam.

Zehnmal, zwanzigmal hörte er das Nämliche. Das Blut sauste ihm i"
de" Ohren. Eine Uhr schlug. Wie lange wollte er sich besinne"?

Aber die Aussagen Leppos sind ja da! schoß es ihm plötzlich durch de"
Kopf. Habe ich denn meinen Verstand verloren? Niemand in Mantua wüßte
von Giuseppe Gonzagas hochverräterischem Anschlag? Hat Beppo nicht alles
an die redselige Frianleriu ausgeschwatzt? Hat er dann i" der grüne" Kammer
nicht alles wiederholt? Bin ich sein Ankläger gewesen, oder war es nicht vielmehr
sein eigner Diener? Ich bin wahrlich eine Memme. Vorwärts, Antonio Maria!

Und er drehte sich um, indem er und einer abweisender Handbewegung sich
der letzten Skrupel erwehrte, die seinen Pulsschlag noch i" wildem Poche" er¬
halten wollten.

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür, und herein stürzte Giaeinta
d'Jsa, die Neapolitanerin, die Medusa.

Also Ihr betröget mich doch! rief sie "ud schaute suchend im Zimmer
umher, er lebt! Ihr haltet ihn verborgen! O, bat sie, sagt mir alles,
Signor Antonio Maria! Ich werde reinen Mu"d halten! Nur laßt mich zu
ihm! Ich flehe Euch an! Laßt mich zu ihm! Niemand, niemand soll davon
Kunde erhalten!

Und sie warf sich vor dem ihr zürnend Entgegengetretencn auf den Boden
und umschlang seine Kniee.

Schweig! gebot er mit heftiger Geberde; du bist irrsinnig; ich habe
keine Zeit, dein wirres Gerede a"zuhören; kehre auf deinen Posten zurück; heute
Abend komme ich auf ein Viertelstündche" in den Vievlo dei Spadaji. Dann
sage ich dir mehr. Geh jetzt, geh und sorge, daß deine Thorheit nicht ruch¬
bar wird.


Um eine perle.

solche» waghalsigen Bursche» sprechen könne»: Hier ist mein Auftrag; in einer
Stunde meldest dn mir, wie ihm der Trank bekam.

Antonio Maria wurde von einem Schauder geschüttelt. Es handelt sich
um meine ewige Seligkeit, bebte es über seine Lippen; wie können mir alle
Schätze Franeesevs dafür Ersatz bieten?

Aber bin ich für etwas verantwortlich, was mein Herr und Gebieter mich
thun heißt? suchte er wieder die andre Seite des Dilemmas ins Ange zu fassen.
Ist Giuseppe Gonzaga nicht ein Verschwörer? Sagt das Gesetz nicht, daß el»
Verschwörer den Tod verdient? Wird etwa ein Henker aus Sorge sür seine
ewige Seligkeit einen Verurteilten nicht hinrichten?

Eine» Verurteilten — blieb er wieder mit seinem Argument in der Schwebe —,
da steckt der Unterschied. Hat das Gericht Giuseppe Gvuznga als Verschwörer
verurteilt? Bin ich nicht sein einziger Ankläger gewesen? Wußte jemand anders
in Mantua um seine Schuld? Nicht einmal Vitnliano wußte darum!

Er hörte wieder: Hier ist mein Auftrag; i» einer Stunde meldest du mir,
wie ihm der Trank bekam.

Zehnmal, zwanzigmal hörte er das Nämliche. Das Blut sauste ihm i»
de» Ohren. Eine Uhr schlug. Wie lange wollte er sich besinne»?

Aber die Aussagen Leppos sind ja da! schoß es ihm plötzlich durch de»
Kopf. Habe ich denn meinen Verstand verloren? Niemand in Mantua wüßte
von Giuseppe Gonzagas hochverräterischem Anschlag? Hat Beppo nicht alles
an die redselige Frianleriu ausgeschwatzt? Hat er dann i» der grüne» Kammer
nicht alles wiederholt? Bin ich sein Ankläger gewesen, oder war es nicht vielmehr
sein eigner Diener? Ich bin wahrlich eine Memme. Vorwärts, Antonio Maria!

Und er drehte sich um, indem er und einer abweisender Handbewegung sich
der letzten Skrupel erwehrte, die seinen Pulsschlag noch i» wildem Poche» er¬
halten wollten.

In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür, und herein stürzte Giaeinta
d'Jsa, die Neapolitanerin, die Medusa.

Also Ihr betröget mich doch! rief sie »ud schaute suchend im Zimmer
umher, er lebt! Ihr haltet ihn verborgen! O, bat sie, sagt mir alles,
Signor Antonio Maria! Ich werde reinen Mu»d halten! Nur laßt mich zu
ihm! Ich flehe Euch an! Laßt mich zu ihm! Niemand, niemand soll davon
Kunde erhalten!

Und sie warf sich vor dem ihr zürnend Entgegengetretencn auf den Boden
und umschlang seine Kniee.

Schweig! gebot er mit heftiger Geberde; du bist irrsinnig; ich habe
keine Zeit, dein wirres Gerede a»zuhören; kehre auf deinen Posten zurück; heute
Abend komme ich auf ein Viertelstündche» in den Vievlo dei Spadaji. Dann
sage ich dir mehr. Geh jetzt, geh und sorge, daß deine Thorheit nicht ruch¬
bar wird.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196193"/>
            <fw type="header" place="top"> Um eine perle.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_278" prev="#ID_277"> solche» waghalsigen Bursche» sprechen könne»: Hier ist mein Auftrag; in einer<lb/>
Stunde meldest dn mir, wie ihm der Trank bekam.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_279"> Antonio Maria wurde von einem Schauder geschüttelt. Es handelt sich<lb/>
um meine ewige Seligkeit, bebte es über seine Lippen; wie können mir alle<lb/>
Schätze Franeesevs dafür Ersatz bieten?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_280"> Aber bin ich für etwas verantwortlich, was mein Herr und Gebieter mich<lb/>
thun heißt? suchte er wieder die andre Seite des Dilemmas ins Ange zu fassen.<lb/>
Ist Giuseppe Gonzaga nicht ein Verschwörer? Sagt das Gesetz nicht, daß el»<lb/>
Verschwörer den Tod verdient? Wird etwa ein Henker aus Sorge sür seine<lb/>
ewige Seligkeit einen Verurteilten nicht hinrichten?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_281"> Eine» Verurteilten &#x2014; blieb er wieder mit seinem Argument in der Schwebe &#x2014;,<lb/>
da steckt der Unterschied. Hat das Gericht Giuseppe Gvuznga als Verschwörer<lb/>
verurteilt? Bin ich nicht sein einziger Ankläger gewesen? Wußte jemand anders<lb/>
in Mantua um seine Schuld? Nicht einmal Vitnliano wußte darum!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_282"> Er hörte wieder: Hier ist mein Auftrag; i» einer Stunde meldest du mir,<lb/>
wie ihm der Trank bekam.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_283"> Zehnmal, zwanzigmal hörte er das Nämliche. Das Blut sauste ihm i»<lb/>
de» Ohren.  Eine Uhr schlug.  Wie lange wollte er sich besinne»?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_284"> Aber die Aussagen Leppos sind ja da! schoß es ihm plötzlich durch de»<lb/>
Kopf. Habe ich denn meinen Verstand verloren? Niemand in Mantua wüßte<lb/>
von Giuseppe Gonzagas hochverräterischem Anschlag? Hat Beppo nicht alles<lb/>
an die redselige Frianleriu ausgeschwatzt? Hat er dann i» der grüne» Kammer<lb/>
nicht alles wiederholt? Bin ich sein Ankläger gewesen, oder war es nicht vielmehr<lb/>
sein eigner Diener? Ich bin wahrlich eine Memme. Vorwärts, Antonio Maria!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_285"> Und er drehte sich um, indem er und einer abweisender Handbewegung sich<lb/>
der letzten Skrupel erwehrte, die seinen Pulsschlag noch i» wildem Poche» er¬<lb/>
halten wollten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_286"> In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür, und herein stürzte Giaeinta<lb/>
d'Jsa, die Neapolitanerin, die Medusa.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_287"> Also Ihr betröget mich doch! rief sie »ud schaute suchend im Zimmer<lb/>
umher, er lebt! Ihr haltet ihn verborgen! O, bat sie, sagt mir alles,<lb/>
Signor Antonio Maria! Ich werde reinen Mu»d halten! Nur laßt mich zu<lb/>
ihm! Ich flehe Euch an! Laßt mich zu ihm! Niemand, niemand soll davon<lb/>
Kunde erhalten!</p><lb/>
            <p xml:id="ID_288"> Und sie warf sich vor dem ihr zürnend Entgegengetretencn auf den Boden<lb/>
und umschlang seine Kniee.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_289"> Schweig! gebot er mit heftiger Geberde; du bist irrsinnig; ich habe<lb/>
keine Zeit, dein wirres Gerede a»zuhören; kehre auf deinen Posten zurück; heute<lb/>
Abend komme ich auf ein Viertelstündche» in den Vievlo dei Spadaji. Dann<lb/>
sage ich dir mehr. Geh jetzt, geh und sorge, daß deine Thorheit nicht ruch¬<lb/>
bar wird.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0093] Um eine perle. solche» waghalsigen Bursche» sprechen könne»: Hier ist mein Auftrag; in einer Stunde meldest dn mir, wie ihm der Trank bekam. Antonio Maria wurde von einem Schauder geschüttelt. Es handelt sich um meine ewige Seligkeit, bebte es über seine Lippen; wie können mir alle Schätze Franeesevs dafür Ersatz bieten? Aber bin ich für etwas verantwortlich, was mein Herr und Gebieter mich thun heißt? suchte er wieder die andre Seite des Dilemmas ins Ange zu fassen. Ist Giuseppe Gonzaga nicht ein Verschwörer? Sagt das Gesetz nicht, daß el» Verschwörer den Tod verdient? Wird etwa ein Henker aus Sorge sür seine ewige Seligkeit einen Verurteilten nicht hinrichten? Eine» Verurteilten — blieb er wieder mit seinem Argument in der Schwebe —, da steckt der Unterschied. Hat das Gericht Giuseppe Gvuznga als Verschwörer verurteilt? Bin ich nicht sein einziger Ankläger gewesen? Wußte jemand anders in Mantua um seine Schuld? Nicht einmal Vitnliano wußte darum! Er hörte wieder: Hier ist mein Auftrag; i» einer Stunde meldest du mir, wie ihm der Trank bekam. Zehnmal, zwanzigmal hörte er das Nämliche. Das Blut sauste ihm i» de» Ohren. Eine Uhr schlug. Wie lange wollte er sich besinne»? Aber die Aussagen Leppos sind ja da! schoß es ihm plötzlich durch de» Kopf. Habe ich denn meinen Verstand verloren? Niemand in Mantua wüßte von Giuseppe Gonzagas hochverräterischem Anschlag? Hat Beppo nicht alles an die redselige Frianleriu ausgeschwatzt? Hat er dann i» der grüne» Kammer nicht alles wiederholt? Bin ich sein Ankläger gewesen, oder war es nicht vielmehr sein eigner Diener? Ich bin wahrlich eine Memme. Vorwärts, Antonio Maria! Und er drehte sich um, indem er und einer abweisender Handbewegung sich der letzten Skrupel erwehrte, die seinen Pulsschlag noch i» wildem Poche» er¬ halten wollten. In diesem Augenblicke öffnete sich die Thür, und herein stürzte Giaeinta d'Jsa, die Neapolitanerin, die Medusa. Also Ihr betröget mich doch! rief sie »ud schaute suchend im Zimmer umher, er lebt! Ihr haltet ihn verborgen! O, bat sie, sagt mir alles, Signor Antonio Maria! Ich werde reinen Mu»d halten! Nur laßt mich zu ihm! Ich flehe Euch an! Laßt mich zu ihm! Niemand, niemand soll davon Kunde erhalten! Und sie warf sich vor dem ihr zürnend Entgegengetretencn auf den Boden und umschlang seine Kniee. Schweig! gebot er mit heftiger Geberde; du bist irrsinnig; ich habe keine Zeit, dein wirres Gerede a»zuhören; kehre auf deinen Posten zurück; heute Abend komme ich auf ein Viertelstündche» in den Vievlo dei Spadaji. Dann sage ich dir mehr. Geh jetzt, geh und sorge, daß deine Thorheit nicht ruch¬ bar wird.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/93
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/93>, abgerufen am 23.11.2024.