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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Streit über die Karolinen.

Jahrhunderte verstreichen lassen, ohne auch nur den Versuch zu einer Benutzung
jener Inseln zu unternehmen, es hat dort niemals eine spanische Ansiedlung ge¬
geben, wohl aber eine Anzahl andrer, die, vor vielen Jahren gegründet, noch
jetzt bestehen, und unter denen die deutschen die wichtigsten sind. Ans Jay haben
die deutsche Plantagengesellschaft, die auch auf Ponape eine Station errichtet hat,
die deutsche Firma HernSheim u. Komp., der Engländer O'Keese und der Ame¬
rikaner Holcombe Faktoreien, die auf den andern bewohnten Inseln der Gruppe
ihre Vertreter haben, was namentlich von der Plantagengesellschast gilt. Diese
Ansiedler beschäftigen sich vorzüglich mit dem Einkauf von "Koprci," d. h. Kokos¬
nußkernen zur Bereitung von Ol, und der Einfuhr von eisernen Werkzeugen,
Tabak, Flinten, Kanonen (für die Häuptlinge, die ihre Burgen damit armiren),
Blei, Pulver und Zündhütchen. Sie waren bis jetzt keiner Herrschaft unterworfen
und wurden von den Eingebornen in keiner Weise behelligt, lebten aber unter
einander in keinen freundlichen Verhältnissen, indem besonders O'Keese in der
Verfolgung seiner Interessen sehr rücksichtslos gegen seine Konkurrenten verfuhr
und eine Art Faustrecht übte, infolgedessen sich diese nach Schutz aus Europa
sehnten. Derselbe Wunsch erwachte auch unter den Häuptlingen der Eingebornen,
die sich von jeher vielfach befehdeten, und im vorigen Jahre baten einige der¬
selben in Manila um Aufpflanzung der spanischen Flagge. Der dortige Gou¬
verneur der Philippinen sandte darauf ein spanisches Kriegsschiff, den "Velasco,"
nach den Karolinen ab, welches Mitte März d. I. Jay und die Palao-Jnseln
anlief, sich aber auf eine bloße Rekognoszirung beschränkte. Unterhandlungen
mit den Häuptlingen und ein Aufhissen der spanischen Flagge fanden bei dieser
Gelegenheit nicht statt. Später sollte von Manila der Dampfer "Carriedo"
nach den Karolinen und den Palaos abgehen und ihnen in der Person des
Schiffsleutnants Capriles einen Gouverneur bringen. Mit diesem sollten sich
ein Jnfanterieleutnant als Sekretär, 25 Soldaten mit 3 Unteroffizieren und
25 Sträflinge, meist Vauhandwerker, sowie 4 Mönche, letztere zu Missions-
zwccken, einschiffen. Mittlermeile aber erschien das deutsche Kanonenboot "Iltis"
an der Küste von Jay und zog hier die Flagge des deutschen Reiches auf.
Deutschland hat also nach dem Vorhergehenden unzweifelhaft die Hauptbedingungen
erfüllt, auf die das Besitzrecht sich gründet, es hat auf den Karolinen An-
siedlungen errichtet, und es hat dort symbolisch festgestellt, daß es von dem
herrenlosen Lande Besitz ergreift und den Schutz seiner dort lebenden Ange¬
hörigen und zugleich der Eingebornen übernimmt.

Die päpstliche Entscheidung von 1497 ist dem gegenüber null und nichtig.
Und ebensowenig Wert hat völkerrechtlich die Behauptung der Spanier, die
Karolinen seien geographisch und wirtschaftlich ein Zubehör der Philippinen,
die ihnen freilich unzweifelhaft gehören, aber ebenso unzweifelhaft zu Asien zu
rechnen sind, während die Karolinen immer zu Mikronesien, also zu Australien
gezählt wurden, und zwar aus guten physischen und ökonomischen Gründen.


Grenzbo,en III. 18L5. 77
Der Streit über die Karolinen.

Jahrhunderte verstreichen lassen, ohne auch nur den Versuch zu einer Benutzung
jener Inseln zu unternehmen, es hat dort niemals eine spanische Ansiedlung ge¬
geben, wohl aber eine Anzahl andrer, die, vor vielen Jahren gegründet, noch
jetzt bestehen, und unter denen die deutschen die wichtigsten sind. Ans Jay haben
die deutsche Plantagengesellschaft, die auch auf Ponape eine Station errichtet hat,
die deutsche Firma HernSheim u. Komp., der Engländer O'Keese und der Ame¬
rikaner Holcombe Faktoreien, die auf den andern bewohnten Inseln der Gruppe
ihre Vertreter haben, was namentlich von der Plantagengesellschast gilt. Diese
Ansiedler beschäftigen sich vorzüglich mit dem Einkauf von „Koprci," d. h. Kokos¬
nußkernen zur Bereitung von Ol, und der Einfuhr von eisernen Werkzeugen,
Tabak, Flinten, Kanonen (für die Häuptlinge, die ihre Burgen damit armiren),
Blei, Pulver und Zündhütchen. Sie waren bis jetzt keiner Herrschaft unterworfen
und wurden von den Eingebornen in keiner Weise behelligt, lebten aber unter
einander in keinen freundlichen Verhältnissen, indem besonders O'Keese in der
Verfolgung seiner Interessen sehr rücksichtslos gegen seine Konkurrenten verfuhr
und eine Art Faustrecht übte, infolgedessen sich diese nach Schutz aus Europa
sehnten. Derselbe Wunsch erwachte auch unter den Häuptlingen der Eingebornen,
die sich von jeher vielfach befehdeten, und im vorigen Jahre baten einige der¬
selben in Manila um Aufpflanzung der spanischen Flagge. Der dortige Gou¬
verneur der Philippinen sandte darauf ein spanisches Kriegsschiff, den „Velasco,"
nach den Karolinen ab, welches Mitte März d. I. Jay und die Palao-Jnseln
anlief, sich aber auf eine bloße Rekognoszirung beschränkte. Unterhandlungen
mit den Häuptlingen und ein Aufhissen der spanischen Flagge fanden bei dieser
Gelegenheit nicht statt. Später sollte von Manila der Dampfer „Carriedo"
nach den Karolinen und den Palaos abgehen und ihnen in der Person des
Schiffsleutnants Capriles einen Gouverneur bringen. Mit diesem sollten sich
ein Jnfanterieleutnant als Sekretär, 25 Soldaten mit 3 Unteroffizieren und
25 Sträflinge, meist Vauhandwerker, sowie 4 Mönche, letztere zu Missions-
zwccken, einschiffen. Mittlermeile aber erschien das deutsche Kanonenboot „Iltis"
an der Küste von Jay und zog hier die Flagge des deutschen Reiches auf.
Deutschland hat also nach dem Vorhergehenden unzweifelhaft die Hauptbedingungen
erfüllt, auf die das Besitzrecht sich gründet, es hat auf den Karolinen An-
siedlungen errichtet, und es hat dort symbolisch festgestellt, daß es von dem
herrenlosen Lande Besitz ergreift und den Schutz seiner dort lebenden Ange¬
hörigen und zugleich der Eingebornen übernimmt.

Die päpstliche Entscheidung von 1497 ist dem gegenüber null und nichtig.
Und ebensowenig Wert hat völkerrechtlich die Behauptung der Spanier, die
Karolinen seien geographisch und wirtschaftlich ein Zubehör der Philippinen,
die ihnen freilich unzweifelhaft gehören, aber ebenso unzweifelhaft zu Asien zu
rechnen sind, während die Karolinen immer zu Mikronesien, also zu Australien
gezählt wurden, und zwar aus guten physischen und ökonomischen Gründen.


Grenzbo,en III. 18L5. 77
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[0617] Der Streit über die Karolinen. Jahrhunderte verstreichen lassen, ohne auch nur den Versuch zu einer Benutzung jener Inseln zu unternehmen, es hat dort niemals eine spanische Ansiedlung ge¬ geben, wohl aber eine Anzahl andrer, die, vor vielen Jahren gegründet, noch jetzt bestehen, und unter denen die deutschen die wichtigsten sind. Ans Jay haben die deutsche Plantagengesellschaft, die auch auf Ponape eine Station errichtet hat, die deutsche Firma HernSheim u. Komp., der Engländer O'Keese und der Ame¬ rikaner Holcombe Faktoreien, die auf den andern bewohnten Inseln der Gruppe ihre Vertreter haben, was namentlich von der Plantagengesellschast gilt. Diese Ansiedler beschäftigen sich vorzüglich mit dem Einkauf von „Koprci," d. h. Kokos¬ nußkernen zur Bereitung von Ol, und der Einfuhr von eisernen Werkzeugen, Tabak, Flinten, Kanonen (für die Häuptlinge, die ihre Burgen damit armiren), Blei, Pulver und Zündhütchen. Sie waren bis jetzt keiner Herrschaft unterworfen und wurden von den Eingebornen in keiner Weise behelligt, lebten aber unter einander in keinen freundlichen Verhältnissen, indem besonders O'Keese in der Verfolgung seiner Interessen sehr rücksichtslos gegen seine Konkurrenten verfuhr und eine Art Faustrecht übte, infolgedessen sich diese nach Schutz aus Europa sehnten. Derselbe Wunsch erwachte auch unter den Häuptlingen der Eingebornen, die sich von jeher vielfach befehdeten, und im vorigen Jahre baten einige der¬ selben in Manila um Aufpflanzung der spanischen Flagge. Der dortige Gou¬ verneur der Philippinen sandte darauf ein spanisches Kriegsschiff, den „Velasco," nach den Karolinen ab, welches Mitte März d. I. Jay und die Palao-Jnseln anlief, sich aber auf eine bloße Rekognoszirung beschränkte. Unterhandlungen mit den Häuptlingen und ein Aufhissen der spanischen Flagge fanden bei dieser Gelegenheit nicht statt. Später sollte von Manila der Dampfer „Carriedo" nach den Karolinen und den Palaos abgehen und ihnen in der Person des Schiffsleutnants Capriles einen Gouverneur bringen. Mit diesem sollten sich ein Jnfanterieleutnant als Sekretär, 25 Soldaten mit 3 Unteroffizieren und 25 Sträflinge, meist Vauhandwerker, sowie 4 Mönche, letztere zu Missions- zwccken, einschiffen. Mittlermeile aber erschien das deutsche Kanonenboot „Iltis" an der Küste von Jay und zog hier die Flagge des deutschen Reiches auf. Deutschland hat also nach dem Vorhergehenden unzweifelhaft die Hauptbedingungen erfüllt, auf die das Besitzrecht sich gründet, es hat auf den Karolinen An- siedlungen errichtet, und es hat dort symbolisch festgestellt, daß es von dem herrenlosen Lande Besitz ergreift und den Schutz seiner dort lebenden Ange¬ hörigen und zugleich der Eingebornen übernimmt. Die päpstliche Entscheidung von 1497 ist dem gegenüber null und nichtig. Und ebensowenig Wert hat völkerrechtlich die Behauptung der Spanier, die Karolinen seien geographisch und wirtschaftlich ein Zubehör der Philippinen, die ihnen freilich unzweifelhaft gehören, aber ebenso unzweifelhaft zu Asien zu rechnen sind, während die Karolinen immer zu Mikronesien, also zu Australien gezählt wurden, und zwar aus guten physischen und ökonomischen Gründen. Grenzbo,en III. 18L5. 77

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/617>, abgerufen am 01.09.2024.