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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Makarts Eigenart lag nicht gleich beim Beginn seiner Künstlerlaufbahn
klar am Tage, Seine ersten Bilder zeigen ihn als echten Schüler Pilotys.
Er war streng in der Zeichnung, nüchtern in der Farbe. Das wurde später
umgekehrt. Seine spätere Vorstellungsart war eine ganz spezifische: er dachte
in farbigen Komplexen. Die begrenzenden Linien waren bis dicht vor den Schluß
seiner Arbeit etwas sehr Schwankendes und Bewegliches, während ein andrer
Maler doch zunächst mit diesen ins Reine zu kommen bestrebt ist. Auf einem
der "Fünf Sinne" war zu sehen, wie offenbar ganz zuletzt die Grenzen des
linken Schenkels der weiblichen Gestalt vielleicht um einen halben Zoll weiter
herausgerückt und der Knöchel des rechten Fußes höher angesetzt wurde. Durch
die später aufgetragene Fleischfarbe leuchtete an diesen Stellen noch der Grund
durch, an einer Stelle sah mau sogar ein Blatt von einer Mohnrose durch¬
scheinen. Makarts künstlerische Art ist also der diametrale Gegensatz von Cor¬
nelius oder Knulbach, aber auch bei den ältern österreichischen Malern wäre
so etwas unerhört. Die ersten Farbenskizzen Makarts sind darum auch stets
ganz unklar, die Farben leuchten schon, aber der Beschauer weiß mit dem un¬
gestillten Fleischklumpen nichts anzufangen, er sieht die einzelnen Körper nicht
deutlich von einander abgegrenzt. Wo daher Makart die Aufgabe wurde, streug
in den Linie" zu sein, fühlte er sich beengt und gefesselt. Zum Porträtmaler
war er aber schon deshalb nicht geschaffen, die Behandlung der womöglich recht
prächtigen Gewänder ist ihm viel interessanter als der Kopf und die Gestalt.
Dies trat besonders ans dem berüchtigten Bildnisse der Sarah Bernhard hervor,
an dem das Schönste das Goldbrokatkleid war. Am schwächsten ist Makart in
seinen großen Bildern gewesen -- wenn man sie nämlich als das ansah, was
ihre Aufschrift bezeichnete: als Historienbilder. Von einer Komposition kann
man da garnicht reden, beinahe niemals vermag man sich von dem Schauplätze
der dargestellten Handlung eine deutliche Vorstellung zu machen; seine Historien¬
bilder sind nur großartige Maskeraden. Auf alleu seinen großen Gemälden
stehen die Personen eben nur da, um sich dem Publikum recht günstig zu prci-
seutiren. Sie wissen von einander selten etwas, Handlung und Gefühl ist ihnen
fremd, noch viel mehr Leidenschaft. Seine Gestalten, namentlich die weiblichen,
vegetiren so unschuldig dahin wie die Blumen auf dem Felde. Bisweilen
wandelt sie wohl anch ein bischen Melancholie an, aber mir, wenn es ihnen
gut steht. Was Schmerz ist, wissen sie garnicht, aber auch Freude empfinden
sie nur in einem sehr mäßigen Grade. Sie lächeln gern, um dabei ihre
Perlenzähue zeigen zu können. Zweck hat ihr Dasein fast nie. In herrliche
Gewänder gehüllt oder in blnmcnhafter Naivität alle ihre Reize zur Schau
stellend, leben sie und sind schön, nur um zu leben und schön zu sein. An
einem historischen Ereignis teilzunehmen oder pathetisch zu werden, wird diesen
Wesen sehr sauer; mitunter führen sie ihre Rolle mit leidlichem Anstand durch,
aber vom Herzen kommts ihnen nicht. Daß die naive Schönheit der Makartschen


Makarts Eigenart lag nicht gleich beim Beginn seiner Künstlerlaufbahn
klar am Tage, Seine ersten Bilder zeigen ihn als echten Schüler Pilotys.
Er war streng in der Zeichnung, nüchtern in der Farbe. Das wurde später
umgekehrt. Seine spätere Vorstellungsart war eine ganz spezifische: er dachte
in farbigen Komplexen. Die begrenzenden Linien waren bis dicht vor den Schluß
seiner Arbeit etwas sehr Schwankendes und Bewegliches, während ein andrer
Maler doch zunächst mit diesen ins Reine zu kommen bestrebt ist. Auf einem
der „Fünf Sinne" war zu sehen, wie offenbar ganz zuletzt die Grenzen des
linken Schenkels der weiblichen Gestalt vielleicht um einen halben Zoll weiter
herausgerückt und der Knöchel des rechten Fußes höher angesetzt wurde. Durch
die später aufgetragene Fleischfarbe leuchtete an diesen Stellen noch der Grund
durch, an einer Stelle sah mau sogar ein Blatt von einer Mohnrose durch¬
scheinen. Makarts künstlerische Art ist also der diametrale Gegensatz von Cor¬
nelius oder Knulbach, aber auch bei den ältern österreichischen Malern wäre
so etwas unerhört. Die ersten Farbenskizzen Makarts sind darum auch stets
ganz unklar, die Farben leuchten schon, aber der Beschauer weiß mit dem un¬
gestillten Fleischklumpen nichts anzufangen, er sieht die einzelnen Körper nicht
deutlich von einander abgegrenzt. Wo daher Makart die Aufgabe wurde, streug
in den Linie» zu sein, fühlte er sich beengt und gefesselt. Zum Porträtmaler
war er aber schon deshalb nicht geschaffen, die Behandlung der womöglich recht
prächtigen Gewänder ist ihm viel interessanter als der Kopf und die Gestalt.
Dies trat besonders ans dem berüchtigten Bildnisse der Sarah Bernhard hervor,
an dem das Schönste das Goldbrokatkleid war. Am schwächsten ist Makart in
seinen großen Bildern gewesen — wenn man sie nämlich als das ansah, was
ihre Aufschrift bezeichnete: als Historienbilder. Von einer Komposition kann
man da garnicht reden, beinahe niemals vermag man sich von dem Schauplätze
der dargestellten Handlung eine deutliche Vorstellung zu machen; seine Historien¬
bilder sind nur großartige Maskeraden. Auf alleu seinen großen Gemälden
stehen die Personen eben nur da, um sich dem Publikum recht günstig zu prci-
seutiren. Sie wissen von einander selten etwas, Handlung und Gefühl ist ihnen
fremd, noch viel mehr Leidenschaft. Seine Gestalten, namentlich die weiblichen,
vegetiren so unschuldig dahin wie die Blumen auf dem Felde. Bisweilen
wandelt sie wohl anch ein bischen Melancholie an, aber mir, wenn es ihnen
gut steht. Was Schmerz ist, wissen sie garnicht, aber auch Freude empfinden
sie nur in einem sehr mäßigen Grade. Sie lächeln gern, um dabei ihre
Perlenzähue zeigen zu können. Zweck hat ihr Dasein fast nie. In herrliche
Gewänder gehüllt oder in blnmcnhafter Naivität alle ihre Reize zur Schau
stellend, leben sie und sind schön, nur um zu leben und schön zu sein. An
einem historischen Ereignis teilzunehmen oder pathetisch zu werden, wird diesen
Wesen sehr sauer; mitunter führen sie ihre Rolle mit leidlichem Anstand durch,
aber vom Herzen kommts ihnen nicht. Daß die naive Schönheit der Makartschen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/611>, abgerufen am 22.11.2024.